Ursprünge der Fasnet: Verknüpfung mit Fastenzeit, Vergänglichkeit und Tod
Und der Narr war nicht heiter

Fasnetpapst Werner Mezger  | Foto: Beleuchtete die düstere Seite der Fasnet: Werner Mezger.swb-Bild: sw
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Stockach. Fasnet, Fasching, Karneval. Heitere Ausgelassenheit, überbordende Fröhlichkeit, ausschweifende Lebenslust. Nicht nur: »Die Fasnet ist die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit menschlicher Existenz, das Präludium zur Fastenzeit mit ihrer Erinnerung an das Leiden und Sterben Christi«. Die enge Verbundenheit der närrischen Zeit mit dem Christentum, der Theologie und der Vergänglichkeit – das war die Hauptthese, die Werner Mezger in seinem Vortrag »Der Narr und die Kirche« im Kulturzentrum »Altes Forstamt« vertrat. Die Fasnet als ein letztes Austoben mit Essen, Trinken und anderen Genüssen vor dem Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch mit ihren Restriktionen. Närrisches Treiben, Teufelsmasken, der Narr als eine Symbolfigur und seine Insignien wie Marotte, Eselsohren, Hahnenkamm oder Narrenschiff liegen nach den Forschungsergebnissen des Freiburger Kulturanthropologen in der christlichen Tradition sowie in den philosophischen und historischen Grundlagen des christlichen Abendlandes begründet.

Als ein Beispiel für die Untermauerung seiner Thesen führte Werner Mezger die Figur des Narren an: Er habe seinen Ursprung nicht in der Fasnet, sondern in der Theologie. Fußend auf Psalm 52 nach der Vulgata-Übersetzung der Bibel: »Der Narr spricht in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott.« In der Nachfolge dieser Bibelworte wurden Menschen, die Gott und christliche Werte leugneten, als Narr dargestellt. Besonders in er Zeit des Übergangs vom 15. zum 16. Jahrhunderts als Entdeckungen wie die des amerikanischen Kontinents, die Erfindung des Buchdrucks, der Beginn der Reformation mit ihren sozialen und kriegerischen Umwälzungen, die Bauernkriege und das Ende des mittelalterlichen Weltbildes für Unsicherheit, Angst und Verwirrung sorgten, wurde das Bild des Narren heraufbeschworen.

Diese Gestalt wurde mit der Sünde, dem Untergang, dem Tod gleichgesetzt. Der Narr, so Werner Mezger, war keine lustige Figur – auch der Stockacher Hans Kuony wurde nicht als lachender Spaßmacher dargestellt. Und er sagte nichts Witziges voraus, sondern prophezeite eine Katastrophe – die Niederlage in einem Feldzug. Im Reformationsstreit benutzten beide Seiten die Figur des Narren, um den Gegner zu verunglimpfen.

Der Narr war der Nachfolger der Teufeldarstellung, so formulierte es Werner Mezger in seinem Vortrag. Im hohen Mittelalter, so führte der 1951 in Rottweil Geborene aus, hatte die Kirche die Fasnet als ein letztes sich Austoben vor dem Beginn der strengen Fastenzeit noch akzeptiert. Doch im 15. Jahrhundert bröckelte diese Toleranz: Augustinus stellte dem Gottesstaat den Teufelsstaat gegenüber – die Verteufelung der närrischen Zeit begann. Auch die Teufelsmasken, so der Professor an der Universität Freiburg, hatten ihren Ursprung nicht in der Fasnet, sondern im Kirchenjahr: Teil der Prozessionen als szenischen Darstellungen der Bibel waren Teufelsmasken, die zu Fronleichnam getragen wurden. Dargestellt wurden sie meist von Gerbern, die das Werkzeug zur Herstellung besaßen. Durch die Aufklärung verschwanden diese Darstellungen aus Deutschland, in Südeuropa aber, das von ihren Lehren nicht erfasst wurde, bleiben dieses Bräuche teilweise bis heute erhalten. Die Teufelsdarstellungen in der Fasnet wurden von der Figur des Narren abgelöst, blieben aber als Figur in manchem örtlichem Brauchtum erhalten.

Die enge Verquickung von Fasnet und Fastenzeit, die untrennbare Einheit von Narretei und kirchlichen Ursprüngen belegte Werner Mezger mit vielen Quellen, Thesen, Darstellungen, Schriften und Bildern. Viele Fakten vermittelte er in seinem fast zweistündigen Vortrag, der trotz seiner Fülle an Fakten kurzweilig und unterhaltsam war und die schwere Materie verständlich erklärte. Dabei ist die sich gegenseitig bedingende Kausalität von Fasnet und Fastenzeit keine neue Erkenntnis. Neu oder zumindest nicht so bekannt sind aber die Ursprünge der Teufels- und Narrengestalt in der närrischen Zeit und ihre Geburt in der theologischen Tradition. Wer einen heiter-witzigen Vortrag über die Fasnet erwartet hatte, wurde enttäuscht. Doch wer mehr über die wissenschaftlich-fundierten Hintergründe der Narretei wissen wollte, der war beim Vortrag von Werner Mezger genau am richtigen Platz.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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