Rainer Vollmer spricht mit dem WOCHENBLATT über die »extreme« Bebauungspläne an der Goethestraße
Stockach ist keine »Metropole«

Bebauungsplan Goethestraße | Foto: Rainer Vollmer neben seinem 1:100-Modell, das die Höhenverhältnisse der geplanten Bebauung in der Goethestraße aufzeigt. swb-Bild: ver
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Stockach. Auch in Stockach herrscht ein Mangel an Wohnungen. Um dem entgegenzuwirken wird an vielen Stellen schon gebaut oder es liegen Bebauungspläne vor, wie etwa für neue Häuser an der Goethestraße. Doch diese Pläne sorgen nicht nur für lächelnde Gesichter in der Nachbarschaft, wie Rainer Vollmer, der in der Goethestraße lebt, dem WOCHENBLATT erzählt. Denn die Gebäude sind mit einer Höhe von bis zu 24,5 Metern knapp doppelt so hoch wie die Bestandshäuser und würden damit zu keinem Verhältnis zum restlichen baulichen Charakter des Stadtgebiets stehen, findet Vollmer.

Im März 2018 wurden die ersten Skizzenentwürfe für die Überplanung des ganzen Areals, vom Lindekreisel bis vor zur Schiesserkreuzung, vorgestellt. »Als dann publik wurde, dass das Grundstück verkauft wurde an den jetzigen Investor habe ich dann um ein Gespräch gebeten beim Bürgermeister Rainer Stolz, er solle uns doch bitte erzählen, was da genau passiert«, berichtet Vollmer im Gespräch mit dem WOCHENBLATT. Daraufhin habe Stolz ihm und seiner Frau erste Skizzen gezeigt mit dem Hinweis, dass der Entwurf noch nicht im Gemeinderat diskutiert wurde. Als es dann 11. April 2018 so weit war haben die Gemeinderäte sehr heftig über Gebäudehöhen von zwölf oder 15 Meter diskutiert und nach langem hin und her haben sie sich geeinigt, dass die Gebäude höchstens 15 Meter in die Höhe gehen, so Vollmer weiter.

»Dann wurde es still um dieses Projekt, bis Februar diesen Jahres, am Sonntag vor der Fastnacht«, erinnert er sich zurück, »da haben wir mitbekommen, dass die Gebäude doch größer werden, als geplant ist«. Allerdings sprach man da noch von einem Höhenfixpunkt mit fünf Geschossen, die angrenzenden langgezogene Gebäude sollen etwas kleiner werden und die beiden Villen zwei oder drei Stockwerke enthalten. »Reagieren konnten wir wegen Corona zu dem Zeitpunkt nicht, es waren keine Gemeinderatssitzungen, die Auslage war zwar öffentlich, aber du konntest dich nicht mit den Nachbarn austauschen. Es war sehr schwierig«, gesteht Vollmer.

Modell gibt Proportionen nicht richtig wieder

Nachdem er den Bebauungsplan studiert und festgestellt hatte, was für Höhen auf einmal möglich sind, habe er einen Ortstermin mit Rainer Stolz vereinbart um »mal nach oben zu gucken und zu sehen, wie weit die Gebäude in den Himmel hinaufgehen«. Denn das Modell 1:500, das dem Gemeinderat vorgestellt wurde, kann keine Proportionen richtig wiedergeben, weiß Vollmer, der daraufhin ein 1:100 Modell baute, das die Verhältnisse besser aufzeigen konnte. »Ich habe Gas gegeben und versucht die Nachbarn in dieser Zeit so gut es geht zu informieren und gemeinsam mit einem Anwalt vier verschiedene Einwendungen gegen diesen Bebauungsplanentwurf gemacht.«

In der Planungsausschusssitzung am 6. Mai wurden die anwaltlichen Einwendungen nicht explizit erwähnt, nur die Tatsache, dass sich einige Bürger gemeldet hätten. »Die meisten Gemeinderatsmitglieder haben davon erst erfahren, als sie hier waren und sich das Modell anschauen wollten.« Laut dem Bebauungsplan soll das Gebäude, das direkt neben Vollmers Haus entstehen soll, 24,5 Meter hoch werden, statt den ursprünglich festgelegten 15 Metern. Diese Höhen seien anhand des »süßen Modellchens« nicht ersichtlich, so Vollmer. »Diese Dimensionen waren den Gemeinderäten nicht bewusst. Die meisten haben mein Modell gesehen und waren erstmal sprachlos.«

»Was viele in Stockach ankreidet ist die Vorgehensweise. Eigentlich gibt es bei so einem wichtigen Projekt ein Architektenwettbewerb, sucht sich den besten Vorschlag aus und macht daraufhin einen Bebauungsplan. Dann kann der Investor kommen und sagen ›innerhalb dieser Spielregeln kann ich bauen‹. Bei uns ging es so: ein Investor kauft ein Grundstück, macht einen Plan, bei dem er möglichst viel Rendite rauskriegt und die Stadtverwaltung sagt ›OK, dann machen wir dir einen Bebauungsplan drum herum, dass du alles so machen kannst, wie du willst‹. Es kann doch nicht sein, dass ein Architekt, Investor oder Bauträger Städtebau macht. Das ist Aufgabe des Gemeinderates und der Stadt«, kritisiert Rainer Vollmer. Die Planung wird schön präsentiert, aber man macht hier keinen städtebaulichen Entwurf, sondern einen projektbezogenen Entwurf.

»Das finde ich einfach nicht cool. Vor allem weil es entgegen dem Rahmenplan von 2018 ist. Natürlich brauchen wir Wohnungen. Natürlich muss verdichtet werden. Keiner ist gegen die Schaffung von Wohnraum. Es geht uns um die Höhen, die absolut nicht reinpassen, dass es keinen Alternativvorschlag gibt und das, was der Grundstückseigentümer durchboxen will, unterstützt und dem freie Bahn gelassen wird. Stockach ist nunmal nicht New York«, macht Vollmer seinen Standpunkt klar.

Deswegen hat er vergangene Woche eine Unterschriftenaktion gestartet, die auf große Resonanz gestoßen ist: in den ersten drei Tagen sind über 350 Unterschriften zusammengekommen, nicht nur aus der Nachbarschaft, sondern aus ganz Stockach. Bis Redaktionsschluss am Dienstagabend hat sich die Zahl gar verdoppelt. »Das zeigt, dass dieses Thema viele Bewohner bewegt. Diese Unterstützung tut echt gut.« Die Unterschriftenaktion läuft noch bis Dienstag, 28. Juli. Am Mittwoch, 29. Juli, soll im Gemeinderat über den Bebauungsplan abgestimmt werden. Das Formular gibt es unter www.vollmer-werbeagentur.de/unterschriftenaktion/

Statement von Bürgermeister Rainer Stolz

»Das Thema Bebauungsplan Goethestraße ist seit drei Jahren auf der politischen Agenda des Gemeinderates. Mit der Konkretisierung der Planung, welche Ende des Jahres 2018 und im Januar 2020 weitergeführt wurde, entspann sich eine Diskussion über die Gestaltung der Gebäude, besonders aber die Höhenentwicklung der Gebäude auf der Nordseite der Goethestraße. In dieser Phase hat sich der Gemeinderat und die Verwaltung sehr intensiv mit der Planung auseinandergesetzt und nach Möglichkeiten der planerischen Optimierung und Reduktion von Höhen befasst. Dieser Diskussionsprozess in der Öffentlichkeit und im Gremium reicht bis heute. Ich bin davon überzeugt, dass es gelingen wird, eine Lösung zu finden, welche die Stadt weiterbringt und berechtigte Einwände aufnimmt«, sagt Stolz auf Anfrage des WOCHENBLATTs.

- Graziella Verchio

Autor:

Redaktion aus Singen

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