Stadt Stockach will ihr Angebot der Schulsozialarbeit nochmals ausweiten
Schulsozialarbeit als wichtiges Korrektiv

Schulsozialarbeit | Foto: Leere Schulen und Schulhöfe in der Coronazeit und ihre Folgen: Die Schulsozialarbeit muss besonders im Grundschulbereich aufgestockt werden, um hier »Long Covid« zu bewältigen, wurde jüngst im Hauptausschuss des Gemeinderats beschlossen.
swb-Bild: of/Arc
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  • Foto: Leere Schulen und Schulhöfe in der Coronazeit und ihre Folgen: Die Schulsozialarbeit muss besonders im Grundschulbereich aufgestockt werden, um hier »Long Covid« zu bewältigen, wurde jüngst im Hauptausschuss des Gemeinderats beschlossen.
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Stockach. Die Folgen der Corona-Lockdowns mit den langen Schulschließungen und den strikten Kontaktbeschränkungen haben gravierende Folgen für viele Schüler gehabt. Deshalb will die Stadt Stockach ihr Angebot der Schulsozialarbeit nochmals ausweiten und zwar im Grundschulbereich, beschloss der Hauptausschuss nach einer Vorlage der Stadtverwaltung.

»Seit eineinhalb Jahren ist der direkte Kontakt in der offenen Jugendarbeit nur noch sehr beschränkt möglich, sagte der Stockacher Jugendpfleger Frank Dei, der in der Sitzung den Jahresbericht vorlegte. Die Verbindungen seien mit zunehmender Dauer der Kontaktbeschränkungen rasch verloren gegangen. Lichtblick war dabei allerdings das digitale Beteiligungsprojekt um die neuen Skaterbahnen im Osterholz, das für weitere Umsetzungen aber Präsenz erfordert. Gleichwohl seit es im Bereich der offenen Jugendarbeit schwierig, die Jugendlichen für den selbstbestimmten Freizeitbereich wieder zurückzugewinnen.

»Wir waren froh, dass wir in 2020 ein Ferienprogramm anbieten konnten, das wir vorbereitet hatten. Dieses Jahr ging das auch. Die Anmeldezahlen waren recht hoch, vergleichbar mit den Nicht-Corona-Jahren. Viele Fragen seien von den Eltern gekommen. Sie wollten Sicherheit haben über das Hygienekonzept. »Erstaunlich war die sehr hohe Disziplin der Jugendlichen. Für die Kinder und Jugendlichen war das schon selbstverständlich, auf Abstand oder regelmäßiges Händewaschen zu achten«, lobte Dei in der Sitzung. Herausforderungen stelle der Jugendtreff, wo man bereits für 2020 eigentlich einen Generationswechsel angestrebt habe, sagte Dei weiter. Das verschiebe sich nun.

Petra Brinkmann, Schulsozialarbeiterin im Nellenburg-Schulverbund, machte in ihrem Bericht auf die Folgen der Krise aufmerksam, die gerade in der Schulsozialarbeit zur Aufarbeitung eine Menge zusätzlicher Arbeit nötig macht. »Für uns war es ein sehr schwieriges Jahr mit vielen Veränderungen. Der ständige Wechsel zwischen Präsenz und Homeschooling sowie die Gebote zur Kontaktvermeidung, haben doch viele Probleme verstärkt. In der Grundschule war bei vielen Familien die Belastungsgrenze erreicht«, unterstrich sie in ihrem Rückblick. Die SchulsozialarbeiterInnen wurden oft selbst tätig auf Hinweise von Lehrern. Man habe für das Gymnasium Spaziergänge und Online-Kontakte angeboten. »Es hat sehr lange gedauert, bis die Schüler diesen Weg genutzt haben, und wir mussten oft auf sie zugehen«, machte Petra Brinkmann deutlich, dass hier noch viele Folgen abzuarbeiten seien. »An allen Schulen ist der Beratungsbedarf gestiegen, auch was weiter- führt in den schulpsycholgischen Dienst bis hin zu den Fachkliniken, die Erkrankungen auf die Spur gehen.
Im Abseits
Viele schaffen es nicht mehr ihr Verhalten zu kontrollieren. Es gebe eine Zunahme von Fällen mit Respektlosigkeit, Gewaltbereitschaft, Tendenzen gar zur Selbstverletzungen oder Suizidgedanken, ausgelöst durch fehlende Tagesstrukturen und den Einschnitt in soziale Kontakte. »Viele SchülerInnen sind da ins Abseits geraten«, ist die Erkenntnis der SchulsozialarbeiterInnen.

Das ist ja durchaus ein Trend, der überall festgestellt wurde. Viele Schüler fühlten sich abgehängt, hätten auch Angst vor der Rückkehr in den Präsenz-unterricht wegen der Lücken im Lernen. Bürgermeister Rainer Stolz sieht das Problem durch die Corona-Krise nur verstärkt. »Wir kümmern uns weniger um einander, es gibt weniger Bindungen«, sieht er die Notwendigkeit zu mehr Angeboten durch die Stadt in den Schulen. »Wir können natürlich nicht alle Probleme lösen, auch wenn wir noch mehr Sozialarbeiter einstellen. Aber es ist ein wichtiges Korrektiv. Negative Strukturen aufgreifen und anpacken ist unsere Aufgabe«, so Stolz in seinem Statement für die zusätzliche halbe Stelle im Team. Bedauerlich sei allerdings für ihn, dass sich das Land und der Landkreis nur noch zum kleineren Teil an den Kosten beteiligen und die Stadt Stockach den größeren Teil schultern müsste. »Wir wollen es trotzdem machen, es ist der richtige Schritt« unterstrich er gegenüber den Räten.
»Die Pandemie hat uns gelehrt, dass hier ein Prozess der Desozialisierung stattgefunden hat«, unterstützte Wolf Dieter Karle den Antrag. Christoph Stetter merkte an, dass »Long Covid« im Schulpsychologischen Bereich wohl noch sehr lange spürbar bleibe.

Nach dem Beschluss des Hauptausschusses wird der Stellenplan für die Schulsozialarbeit nun ab dem nächsten Schuljahr auf 3,3 Stellen um eine 50-Prozent-Stelle erhöht. Das liegt über dem Schlüssel des Landes, der sich aus den Schülerzahlen errechnet. Deshalb werde der Stellenanteil von 25 Prozent für Jugendpfleger Frank Dei auch nicht bei den Zuschüssen anerkannt. Aber das will sich die Stadt Stockach eben leisten – für ihre Jugend.

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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