2016 als großer Aufbruch: die Guracks und ihr neues Leben
Plötzlich eine Großfamilie

2016 war für sie ein einziger Aufbruch | Foto: 2016 war für sie ein einziger Aufbruch: Nina, Hardy und Elias Gurack kamen von Berlin nach Stockach-Wahlwies, wo sie als Kinderdorf-Eltern arbeiten.swb-Bild: sw
  • 2016 war für sie ein einziger Aufbruch
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Stockach-Wahlwies. Von der pulsierenden Großstadt Berlin in die ländliche Idylle von Stockach-Wahlwies. Vom freieren Studentenleben hin zu einem anstrengenden 24-Stunden-Job. Von der vertrauten Dreisamkeit zur Verantwortung für eine siebenköpfige Großfamilie. 2016 war für Nina, Hardy und Elias Gurack ein einziger Aufbruch. Aber einer, für den sich die junge Familie ganz bewusst entschieden hat. Die Kindheitspädagogin und der Mathematiker sind seit August Vollzeit-Eltern im Pestalozzi-Kinder- und –Jugenddorf in Wahlwies.

Es passte einfach nicht mehr. Sie rieben sich auf zwischen Studium und der Verantwortung für das Kind, hatten kaum noch Zeit füreinander, wollten mehr für ihren kleinen Sohn Elias da sein. Und: »Wir waren fertig mit der Großstadt.« Da wirkte die Anzeige in der Zeitung »Schrot und Korn« wie ein Wink des Schicksals: Es wurden Eltern für Kinderdorffamilien in Wahlwies gesucht. Die Guracks bewarben sich, machten ein Praktikum, wurden genommen und brachen alle Zelte ab. Ein Aufbruch in ein neues Leben.

Neben dem eigenen fast dreijährigen Sohn kümmern sich Nina und Hardy Gurack in »familienanalogen Strukturen« um vier acht- bis elfjährige Jungen, die wegen »Gefährdung des Kindeswohls« nicht mehr in ihren eigentlichen Familien leben können. Kindeswohlgefährdung könne verschiedene Ursachen haben, ergänzt Kinderdorf-Pressefrau Sabine Freiheit – Missbrauch, Gewalt, Verwahrlosung, Entwicklungsverzögerungen oder fehlende Zuwendung. Ziel einer Kinderdorffamilie ist aber immer die Rückführung in die Herkunftsfamilie, betont Nina Gurack: Das bedeutet für sie auch, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, loslassen können, Professionalität zu wahren.

Eine Herausforderung. Auch für Elias, der plötzlich vier Geschwister hatte, die mit den Eltern und ihm unter einem Dach leben. Doch er und seine Eltern nehmen die Herausforderung an. Es gilt, so Hardy Gurack, den Balanceakt zu schaffen zwischen der Individualität, dem Charakter, der Biografie jedes einzelnen Kindes und der gleichberechtigten Behandlung aller Schützlinge. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn der 24-Jährigen und dem 26-Jährigen ist es wichtig, dass klare Strukturen geschaffen, Regeln eingehalten und die Kinder stark für die Zukunft gemacht werden. Nicht einfach. Beispiel: Einer der Jungen ist energiegeladen und voller Tatendrang, doch eine Mittagsruhe soll in der Familie eingehalten werden. Für das Energiebündel nicht zu schaffen. Daher geht Hardy Gurack mit dem Jungen joggen, dann geht es an die Hausaufgaben. Protest von den anderen Kindern: Warum ist hier die Mittagsruhe nicht einzuhalten? Die Antwort der Eltern: »Ihr könnt gerne mitjoggen.« Und das Thema war vom Tisch.

Die Guracks haben ihren Aufbruch nicht bereut. Dennoch: Das erste Jahr ist anstrengend, es gibt wenig Rückzugsmöglichkeiten, die Kinder brauchen viel Zuwendung, auch im Privatleben drehen sich Gespräche um die Arbeit. Doch sie packen es mit Elan an: Hardy Gurack macht die erforderliche Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher, die Familie gönnt sich immer wieder Auszeiten, und bewusst wird Zeit mit Elias verbracht. Denn auch für ihn war es ein großer Aufbruch.

Simone Weiß

Weitere Geschichten über Menschen, die einen Aufbruch wagten, gibt es in der Weihnachtsbeilage in der aktuellen WOCHENBLATT-Ausgabe. Oder im Internet unter www.wochenblatt.net, damit unsere Leser über die Feiertage mit genügend Lesefutter versorgt sind.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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