Das Schöne am Dialekt ist seine Seele
Mundart hoch Zwei
Stockach (wh). Am Samstag Premiere und am Sonntag wieder volles Haus, die Mundartdenker und Macher aus Stockach und Wahlwies begeisterten an den beiden ersten Abenden ihr Publikum bis in den letzten Herzenswinkel. Nun ist ja der alemannische Dialekt, die Sprache der hier sesshaften Ureinwohner nicht unbedingt eine Sprache zum Einkuscheln und Schmusen und von der zarten Lieblichkeit weit entfernt. Aber was die Wahlwieser Kistenhocker und die Laienspielgruppe Stockach in ihrem neuesten, erstmals gemeinsam aufgeführten und gestalteten Programm geboten und gebildet haben, das ist ein allerhöchstes Loblied auf den Lebensnerv des heimatlichen Dialektes. Die Adler Post als Bürgerhaus hat unter diesem Aspekt wahrlich seinen Namen verdient. Das Publikum im Saal und auf der Empore fing die sprühenden Fünkchen und flackernden Flammen der teils genialen Ideen und Gestaltungsmomente mit offenen Herzen und ruhelosen Händen auf und sparte nicht mit Applaus zum Ende, dazwischen und zu jeder Gelegenheit. Die dialektschwangeren Kistenhocker aus Wahlwies sind drei gestandene Männer, die auf Kisten hocken und ihre diversen Instrumente einzig und allein dem Dienste an der Sprache untertan machen und dem Gesang zu dessen höchsten allefänzigen Ehren verhelfen. Oliver Kuppel an der Gitarre und der Schnorrenrätschen, Moderator, Interpret, Ansager und Sänger, Marcus Müller Sitztrommler mit regelmäßig zwei klopfenden oder streichenden Besen und Sänger der nicht ersten Stimme, und der Instrumentenvirtuose Gerald Benz ebenfalls an der Gitarre, Querflöte oder anderes und ebenfalls Sänger. Wenn sich dann die von Schubert im Wahlwieser Bächle gefangene Forelle dreistimmig im Bürgerhaus tummelt, dann tost die Publikumsseele. Die Abwandlung des bald wieder öfters in den Medien zu hörenden Felix Navidad (Fröhliche Weihnachten) in den Dialekt mit dem Titel »Mir fliegst Navi nab« und dem tiefstsinnigst komponierten Verkehrschaos in der Stockacher Oberstadt lassen die Kistenhocker geistreich, spritzig, kreativ und voller Hintersinn überzeugen. Das fein gearbeitete Ornament im Meere der dialektischen Sangestöne ist weniger das weite Feld der Laienspielgruppe Stockach. Ihre Akteure lieben es deftig, hintersinnig und meistens schlagkräftig auf das Zwerchfell mit mimischer und darstellerischer Überzeugungskraft. Fast wie im richtigen Leben eben. Regina Gromball, Gerlinde Michel, Margit Hasemann, Gabi Mauch, Manuela Elsner, Jochen Sigg, Rolf Herz und Hubert Walk verbreiteten urkomische Atmosphäre mit Sketchen und gespielten Witzen. Langjährige Bühnenerfahrung mit durchgängigem Erfolg und natürlich die absolute Beherrschung der ureigensten Geburtssprache machen die Auftritte der Laienspielgruppe immer wieder zum Erlebnis. Dass sich die beiden Ensembles erst jetzt zum gemeinsamen Auftritt gefunden haben, muss nicht unbedingt am Eigensinn der Wahlwieser oder dem Dünkel der Narrengerichtsstädter gelegen haben. Nach 42 Jahren Eingemeindung dürften sich diese Grenzen nach Hubert Walks Meinung abgeschliffen haben. Dass im Dialekt Sprech- und Sprachunterschiede von Ort zu Ort gegeben sein können, das allerdings könnte eine Erklärung liefern.
- Matthias Güntert
Autor:Redaktion aus Singen |
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