Stars von nebenan: »Glasperlenspiel« im Interview mit Pfarrer Lienhard
Mit der Poesie der Aufrichtigkeit
Stockach. Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Familie und Freunde sorgen dafür, dass ihnen der Erfolg nicht zu Kopf steigt. Kompromisse sind der Kitt jeder Beziehung, auch der ihren. Und die nächste Platte könnte im schnelllebigen Musikbusiness die letzte sein und der Erfolg rasch ausbleiben, wenn sich der Zeitgeist dreht. »Glasperlenspiel« präsentieren sich als geerdetes, freundliches Gesangsduo, als eingespieltes Team, als funktionierende Zweiergemeinschaft. Auf dem Boden geblieben – trotz des großen Erfolges. Carolin Niemczyk aus Singen und Daniel Grunenberg aus Stockach antworten auf die Fragen von Pfarrer Michael Lienhard im Stockacher Pallottiheim mit freundlicher Aufrichtigkeit und echter Anteilnahme. »Authentizität« sei ihnen immer wichtig, betonten beide. Es wirkt glaubhaft. Aber es sind ihrer beider Humor und der leichte Anflug von Ironie bei Daniel Grunenberg, die dem Interview die eigentliche Würze geben. Unter der Überschrift »Lebenserfahrungen« hatte Michael Lienhard schon verschiedene Prominente wie Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel vor dem Mikrofon gehabt, doch so groß wie bei »Glasperlenspiel« war der Zuspruch im Pallottiheim noch nie gewesen. Auffallend auch die vielen sehr jungen Zuhörer, die mit Handys jede Bewegung von »Glasperlenspiel« festhalten und nach dem Gespräch um Autogramme und Selfies bitten.
Stars von nebenan. Kein schriller Schmuck, keine schreienden Tattoos, keine ausgeflippten Klamotten. Carolin Niemczyk ist klassisch-schick in ihrer weiten Marlene-Dietrich-Hose mit dem engen Bund und den flachen Turnschuhen. Sie ist stilsicher, weiß sich zu kleiden, kann ihre Vorzüge unauffällig-auffällig hervorheben. Stilsicher sind beide auch im Auftreten und im Reden. Aktuell sind sie mit dem Schreiben ihrer vierten Platte beschäftigt, »Echt« war ihre erste Single, und in »Geiles Leben« geht es eben auch um die unbarmherzige Show-Branche, in der sie sich scheinbar leichtfüßig bewegen. Sie hören zu, antworten präzise, unterbrechen sich nicht gegenseitig, ergänzen sich, zeigen sich menschlich-nah. Sehr reif, sehr ausgewogen, sehr konzentriert. Erzählen von ihren Anfängen als Sakro-Popband »Crazy Flowers«. Und später von der Zeit mit »Keine Zeit«. Carolin Niemczyk berichtet, wie sie ihr Demotape damals eingeworfen hat, um in die Band aufgenommen zu werden. Und mit 14 Jahren sehr aufgeregt war. Daniel Grunenberg erinnert sich an die erste Begegnung, als die Sängerin noch eine Zahnspange trug. Sie wollten Musik machen – und sie machen Musik.
Drei Lieder präsentieren sie ihrem Publikum im Pallottiheim: »Echt«, »Nie vergessen« und natürlich »Geiles Leben«. Man merkt ihnen nicht an, dass sie normalerweise vor einem größeren Auditorium spielen – sie nehmen sich Zeit. Und die Stimme von Carolin Niemczyk ist einfach gut, bedarf der technischen Hilfsmittel bei Aufnahmen eigentlich nicht. Sie sprechen auch von ihren Enttäuschungen – von Songs, die nicht so ankamen. Von Auftritten, die wegen Erkältung gecancelt werden mussten. Von der Angst, krank zu werden. Dass sie zum x-ten Mal berichten müssen, wie sie zum Bandnamen kamen, merkt man ihnen nicht an. Sie machen es mit der gleichen Begeisterung wie beim ersten Mal: Daniel Grunenberg baute ein Musikinstrument, das nach einem Namen verlangte. »Glasperlenspiel« nach dem Roman von Hermann Hesse bot sich an.
Seither sind sie nach oben geklettert auf der Erfolgsleiter. Kennen die Interviewsituation. Und können sie meistern. Michael Lienhard lässt die beiden Musiker Sätze ergänzen. »Wenn wir kochen…« – »…dann mache ich die meiste Arbeit«, vollendet Carolyn Niemczyk. Was können sie nicht so gut? »Kochen«, gibt Daniel Grunenberg passend zu. Aber grillen kann er, fügt er zur Freude des Publikums hinzu. Fast schon einen Hauch zu poetisch ist es, als Carolin Niemczyk meint, echte Freunde würden die Hand nehmen und das Herz berühren. Sie ist eben Songwriterin mit Tiefgang. Aber ein kritisch-politischer Satz von Daniel Grunenberg gefällt: Kim Jong-un, der selbstverliebte Diktator-Herrscher Nordkoreas, wolle sicher nicht so behandelt werden, wie er sein Volk behandle. Diese Aussage kleidet ihn gut. Denn sie klingt schön. Weil auch sie wahr ist.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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