»The Pirate Queen«: Geschichte mit Herz am »Nellenburg-Gymnasium«
Maria Stuarts grüne Wurzeln
Raum Stockach. Ach ja, der gute, alte Friedrich Schiller. Der 1805 verstorbene pathetische Wortästhet ist einfach nicht tot zu kriegen. Auch für Musicals muss er herhalten. »The Pirate Queen«, das Schüler des »Nellenburg-Gymnasiums« in Stockach noch zwei Mal auf die Bühne der Schule bringen, hat sich deutlich am Schiller‘schen Drama »Maria Stuart« bedient. Gut, die Titelheldin kommt nicht aus Schottland, sondern aus Irland. Gut, der Plot spielt zeitweise auf einem Piratenschiff. Und gut, Waffengeklirr und Fechtszenen verschaffen Dynamik. Aber Kernstück bei »The Pirate Queen« ist ebenfalls der Konflikt der Titelheldin mit der englischen Königin Elizabeth Tudor, und Höhepunkt ist die Konfrontation beider im bei Schiller gesprochenen, im Musical gesungenen Schlagabtausch. Am Ende siegt, hier, wie da, die moralische Überlegenheit über politische Stärke – nur dass Grace O‘Malley von der grünen Insel Irland als Piratenkönigin nicht den Kopf verliert.
Doch trotz oder vielleicht gerade wegen der Nähe zu Schiller – »The Pirate Queen« hat was. Eine romantisch-moderne Lovestory mit einem bis zur Selbstaufgabe treuen Geliebten. Schwungvolle, tiefgründige Musik, in Stockach sehr gut präsentiert vom »Nellenburg Ensemble« unter Stefan Gräsle. Anspruchsvolle Songs, die die Möglichkeiten einer Schulaufführung stark herausforderten. Und natürlich die Botschaft, die sich wie ein roter Notenfaden durch die ganze Aufführung zog – das Ringen einer Frau um Selbstbestimmung bei gleichzeitigem Erhalt der Fraulichkeit. Das Bestehen in einer Männerdomäne, die Erlangung souveräner sexueller Reife, das Ausleben der eigenen Talente und schließlich die Überlegenheit weiblicher Diplomatie über männliches Hauruckgetöse in einer etwas schlichten psychologischen Wendung – ja, die Geschichte hat was.
Auch die Stockacher Aufführung hat was. Das direkte Aufeinanderprallen des künstlich-steifen Gepräges am englischen Königinnenhof mit der Ursprünglichkeit des irischen Piratenschiffs durch das Bühnenbild, das »Einschalten« des Kerkers von Grace O‘Malley in diese höfische Welt durch einen bühnentechnischen Kunstgriff und die historischen Anspielungen durch ein Bild Heinrich VIII., des Vaters von Elizabeth I., geben der Aufführung Niveau und Stil. Die Präsentation des Macho-Ehemanns mit Lederhose und betont maskulinem Gang dient der optischen Charakterisierung, während Grace O‘Malley durch schlichte Natürlichkeit besticht. Schauspielerisch überzeugend, wobei Unebenheiten im Gesang dem Charme irischer Kernigkeit und der Entlarvung höfischer Oberflächlichkeit zugerechnet werden können. Und ein Hauch von Schiller blitzt überall durch.
Weitere Aufführungen von »The Pirate Queen« in der Aula des Stockacher »Nellenburg-Gymnasiums« sind am Samstag, 17. März, um 15 Uhr und am Sonntag, 18. März, um 17 Uhr.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
Kommentare