Landesmutter von Rheinland-Pfalz ist Beklagte 2017 vor Stockacher Narrengericht
Malu möchte es den Männern zeigen
Stockach. »Hey, hey, hello Malu.« Gut, das Lied in der Version von Ricky Nelson heißt im Originaltext eigentlich Mary Lou willkommen, doch Malu passt besser zu Stockach: Denn Maria Luisa Anna Dreyer ist die Beklagte 2017 vor dem Stockacher Narrengericht. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz muss sich am »Schmotzigen Dunschdig«, also am Donnerstag, 23. Februar, in der Jahnhalle vor dem Stockacher Narrengericht verantworten. Der Name der Sozialdemokratin wurde traditionell bei der Dreikönigssitzung des Narrengerichts und seiner Gliederungen am Freitag, 6. Januar, im Bürgerhaus »Adler Post« bekannt gegeben.
Narrenrichter Jürgen Koterzyna und seine Gerichtsnarren sowie Kläger Thomas Warndorf und Fürsprech Michael Nadig freuen sich schon auf die am 6. Februar 1961 in Neustadt an der Weinstraße geborene Juristin, die an der Spitze einer rot-gelb-grünen »Ampel«-Landesregierung steht. Sie wird bei der 50. Narrengerichtsverhandlung also im Fokus stehen: Eine Neuerung im Ablauf der Traditionsveranstaltung ist dabei, laut Narrenrichter Jürgen Koterzyna, dass Karten für die Narrengerichtsverhandlung erstmals über ein Online-Ticketing erworben werden können: »Die Karten können dann auch online – bequem von zuhause - ausgesucht, gekauft, bezahlt und ausgedruckt werden.«
Die Frau wird sich gegen das männerlastige Narrengericht zu wehren wissen: Malu Dreyer ist die erste weibliche Amtsinhaberin, die das Bundesland Rheinland-Pfalz regiert, und sie setzte sich bei der Landtagswahl am 13. März 2016 mit 36,2 Prozent der Stimmen deutlich durch. Sogar gegen die attraktive Julia Klöckner, CDU-Landes- und –Fraktionsvorsitzende sowie ehemalige Nahe-Weinkönigin, die nur auf 31,8 Prozent der Stimmen kam. Zudem konnte die Sozialdemokratin ihre Partei vor den erheblichen Verlusten bewahren, die die Genossen in anderen Bundesländern, etwa in Baden-Württemberg, verkraften mussten.
Das gute Abschneiden bei dem Urnengang führten Wahlforscher auch auf den »Malu«-Effekt zurück. Übernommen hatte sie das Amt an der Spitze der Regierung von Rheinland-Pfalz 2013 von Kurt Beck, der aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten war. Damals gab es nur drei weitere Ministerpräsidentinnen in Deutschland – Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen, Annegret Kramp-Karrenbauer im Saarland und Christine Lieberknecht in Thüringen. Ihr Landtagsmandat hat Malu Dreyer wegen der Doppelbelastung niedergelegt, doch sie ist seit 1. November 2016 Präsidentin im Bundesrat. Damit ist sie nach Hannelore Kraft erst die zweite Frau, die dieses Amt an der Spitze der Länderkammer ausübt.
Auf ihrer Homepage blinkt ein großes, eingekreistes »MD« – Malu Dreyer stellt ihr Licht also nicht unter den Scheffel. Von Selbstbewusstsein zeugt auch ihre Online-Selbsteinschätzung der eigenen Mannschaft: »Die Regierung ist ein kompetentes Team aus durchsetzungsstarken Persönlichkeiten.« In ihrer Neujahrsansprache präsentiert sie sich zudem als einfühlsame Landesmutter, die die Sorgen und Ängste der Menschen in der Bundesrepublik, auch nach dem barbarischen Anschlag von Berlin, ernst nimmt: Sicherheit habe oberste Priorität, Terroristen dürften nicht die Werte und Ideale in Deutschland bedrohen. Doch im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit habe sie auch oft erfahren, wie Fremde zu Freunden würden und die Welt auch durch den Einsatz vieler ehrenamtlicher Helfer zusammenwachsen werde. Sie werde alles daran setzen, dass Rheinland-Pfalz für alle »eine gute Heimat ist«. Durch gebührenfreie Bildung, bezahlbaren Wohnraum, schnelles Internet, gute Straßen und soziale Gerechtigkeit.
Malu Dreyer, bei der 1994 Multiple Sklerose diagnostiziert wurde, ist seit Juli 2004 mit Klaus Jensen, dem früheren Oberbürgermeister von Trier, verheiratet, sie ist bekennende Katholikin und studierte in Mainz zunächst Anglistik und Theologie, um dann zu den Rechtswissenschaften zu wechseln. Nach ihrem zweiten Staatsexamen arbeitete sie als wissenschaftliche Assistentin an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, bevor sie Staatsanwältin in Bad Kreuznach wurde. Sie war Mitarbeiterin des wissenschaftlichen Dienstes des Landtags von Rheinland-Pfalz, hauptamtliche Bürgermeisterin von Bad Kreuznach und Landesministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit. Und kann sie sich auf Stockach freuen, das ihr zuruft: »Hey, hey, hello Malu.«
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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