Abschiebung trotz Job und Integration: Popal Sekandari
Leben mit bedrohlichen Fragezeichen

Popal Sekandari und Rainer Herzog  | Foto: Pauken kräftig Deutsch: Popal Sekandari (lin) und Sprachpate Rainer Herzog. Der junge Afghane hat einen Job in Orsingen. Zuvor arbeitete er bei den technischen Diensten in Stockach mit und wurde im Rahmen des Projekts »Integration in die Arbeitswelt« vorg
  • Popal Sekandari und Rainer Herzog
  • Foto: Pauken kräftig Deutsch: Popal Sekandari (lin) und Sprachpate Rainer Herzog. Der junge Afghane hat einen Job in Orsingen. Zuvor arbeitete er bei den technischen Diensten in Stockach mit und wurde im Rahmen des Projekts »Integration in die Arbeitswelt« vorg
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Stockach/Orsingen-Nenzingen. Um 6 Uhr geht er aus dem Haus. Ein Kollege nimmt ihn mit zur Arbeit bei Metallbau Stemmer in Orsingen. Dort jobbt er bis 17 Uhr. Dann fährt er mit dem Zug nach Radolfzell, wo er einen Sprachkurs besucht. Und so gegen 22 Uhr ist er wieder daheim. Ein ganz normaler Tagesablauf. Fast. Denn Popal Sekandari weiß nie, wann er aus diesem ganz normalen, geregelten, typisch deutschen Tagesablauf herausgerissen wird. Der 26-Jährige stammt aus Afghanistan, kam im März vor zwei Jahren nach Deutschland, hat hier einen Asylantrag gestellt – der per Einschreiben am 30. Januar abgelehnt wurde. Bedeutet: Innerhalb von 30 Tagen müsste er das Land verlassen. Doch zusammen mit seinem Sprachpaten Rainer Herzog aus Orsingen-Nenzingen hat er einen Rechtsanwalt konsultiert, der Einspruch gegen die Ablehnung des Asylantrags erhoben hat. »Diese Maßnahme hat aber nur aufschiebende Wirkung«, erklärt Rainer Herzog. Eine kurze Atempause. Der Fall Sekandari geht in die nächste juristische Instanz.

Für Popal Sekandari beginnt damit eine Zeit der bangen Unsicherheit. Er kann nicht zurück in sein Heimatland, erklärt er. Sein Bruder, ein Angehöriger des Militärs, sei von den fundamental islamistischen Taliban in seinem Auto sitzend mit Benzin übergossen und angezündet worden. Schmerz und Trauern hätten ihn unvorsichtig gemacht, so Popal Sekandari, er habe geschimpft, sich kritisch über die Taliban geäußert. Das sei denen zugetragen worden. Er wurde bedroht – da machte er sich auf einen langen Weg. In Afghanistan habe er ein kleines Lebensmittelgeschäft gehabt – das ließ er zurück. Ebenso wie sein ganzes Leben. Über verschiedene Stationen landete er in Griechenland: Dort sei er wegen fehlender Papiere zwei Jahre lang im Gefängnis gesessen. Wieder über verschiedene Stationen kam er nach Deutschland. München, Karlsruhe, Meßstetten, Stockach. Hier lebt er in der Gemeinschaftsunterkunft in der Zoznegger Straße. Hier fühlt er sich wohl. Und hier würde er gerne bleiben.

Und dafür tut er etwas. Popal Sekandari arbeitete einige Monate bei den technischen Diensten in Stockach mit und wurde dabei im Rahmen des Projekts »Tür zur Integration in die Arbeitswelt«, das auch vom WOCHENBLATT mitgetragen wird, vorgestellt. Dann erhielt er ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Orsingen. »Er verdient sein eigenes Geld, bezieht keine Sozialleistungen vom deutschen Staat, lernt Deutsch, möchte sich integrieren und liegt niemand auf der Tasche«, betont Rainer Herzog. Den Integrationskurs in Radolfzell zur Vermittlung der deutschen Sprache bezahlt der sympathische junge Mann zur Hälfte selbst. Den anderen Teil der Kosten übernimmt der Helferkreis Asyl.

Er und sein Sprachpate versuchen nun, einen Ausbildungsplatz zum Metallbauer für ihn zu finden, damit die Abschiebung gegenstandslos wird. Um die Anforderungen in Praxis und Berufsschule packen zu können, paukt Popal Sekandari kräftig das Fachvokabular. Es ist ein normaler Alltag in Deutschland. Fast. Denn Popal Sekandari kann jederzeit aus diesem Alltag herausgerissen und in eine ungewisse, eine bedrohliche Zukunft geschickt werden.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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