WOCHENBLATT-Interview mit Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz
»Ich mache, was das Gremium will«

Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz  | Foto: Für weitere acht Jahre am Ruder der Stadt: Bürgermeister Rainer Stolz.swb-Bilder: sw
  • Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz
  • Foto: Für weitere acht Jahre am Ruder der Stadt: Bürgermeister Rainer Stolz.swb-Bilder: sw



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Stockach. Er bleibt der Stolz Stockachs: Bürgermeister Rainer Stolz wurde bei der Wahl am Sonntag, 24. September, für weitere acht Jahre im Amt bestätigt. Zu dem Urnengang, dem Ergebnis und zu der neuen Amtszeit sprach das WOCHENBLATT mit dem neuen, alten Stadtchef.

WOCHENBLATT: Welche Zielsetzungen haben Sie für die kommenden acht Jahre?

Rainer Stolz: Es geht darum, das Wachstum der Stadt voranzutreiben und sie auf die Auswirkungen des demografischen Wandels vorzubereiten, denn nach Prognosen durch den Flächennutzungsplan wird Stockach im Jahr 2035 über 20.000 Einwohner haben. Dafür müssen wir auch mit Blick auf die Verkehrssituation, die Ausweisung von Wohngebieten und die Schaffung von Pflegeplätzen gerüstet sein.

WOCHENBLATT: Städte ab einer Größe von 20.000 Einwohnern haben einen Oberbürgermeister. Ist es nicht ärgerlich, dass Sie nicht mehr in den Genuss dieses Titels kommen?

Rainer Stolz: Aber nein. Solche Titel werden extrem überbewertet und sind völlig unwichtig. An den Inhalten der Arbeit würde sich nichts ändern, es würden nur mehr Aufgaben hinzukommen.

WOCHENBLATT: Ihr einziger Herausforderer Peter-Adrian Gäng aus Singen ist bei der Bürgermeisterwahl auf 31,98 Prozent der Stimmen gekommen. Hat Sie dieses Wahlergebnis geärgert oder nachdenklich gemacht?

Rainer Stolz: Ich habe das Ergebnis am Wahlabend zur Kenntnis genommen, und es dann sofort abgehakt. Denn ich habe einen klaren Auftrag der Bürgerinnen und Bürger erhalten, den ich umsetzen muss.

WOCHENBLATT: Sie ziehen also keine Konsequenzen aus dem Ergebnis?

Rainer Stolz: Die Stockacher haben den Typus Mensch gewählt, der ich bin, und die Art von Amtsführung, die ich seit 24 Jahren betreibe. Und mit dieser Art mache ich meine Arbeit gut. Wichtig ist, dass man als Bürgermeister authentisch wirkt und sich nicht verbiegt. Wenn ich mich zu etwas zwingen müsste, was nicht meiner Persönlichkeit entspricht, würde das zu keinem guten Ergebnis führen. Das gilt auch für die Arbeit im Gemeinderat. Das Gremium macht nicht, was ich will, sondern ich mache, was das Gremium will. Und wenn beide Wünsche deckungsgleich sind, dann ist das doch optimal.

WOCHENBLATT: In Wahlwies erhielt Peter-Adrian Gäng 42,92 Prozent der Stimmen. Wie reagieren Sie darauf?

Rainer Stolz: Wahlwies ist ein wichtiger Ortsteil mit sehr viel Stärke und Potential, und wir haben viel für ihn getan. Ortsvorsteher Udo Pelkner hat unsere Bemühungen um den Ortsteil auch in einer Sitzung des Ortschaftsrates dargestellt. Doch vielleicht müssen diese Bemühungen künftig noch besser publiziert und transparenter gemacht werden.

WOCHENBLATT: Bei Ihrer vierten Amtseinführung sprachen Sie von einem schweren Spagat bei der Entscheidung für eine erneute Kandidatur. Was gab den Ausschlag für den Entschluss, den Hut erneut in den Ring zu werfen?

Rainer Stolz: In den nächsten Jahren müssen zentrale Entscheidungen etwa beim Wohnbau oder der Verkehrsplanung getroffen werden, die die Entwicklung der Stadt für die nächsten zwei, drei Jahrzehnte prägen. Für einen neuen Amtsinhaber wäre kaum Zeit zur umfangreichen Einarbeitung in diese komplexe Materie geblieben. Neben dem Erhalt des Krankenhauses waren das wichtige Gründe, warum ich noch einmal meine Bereitschaft zur Übernahme des Amtes erklärt habe.

WOCHENBLATT: Eine dieser Entwicklungen für die nächsten Jahrzehnte ist die Ortsumfahrung Espasingen. Werden wir den Baubeginn noch erleben?

Rainer Stolz: Davon bin ich überzeugt. Die zur Einleitung des Verfahrens notwendigen Untersuchungen werden zwar nicht wie zunächst angekündigt im Frühjahr, sondern erst im Winter 2018 abgeschlossen sein. Aber ich rechne damit, dass wir aufgrund der intensiven Vorarbeiten zügig in das Verfahren gehen und es innerhalb von zwei Jahren abschließen können.

WOCHENBLATT: Auch die Verkehrssituation am ZG-Kreisel und der Schiesser-Kreuzung kann in den nächsten Jahrzehnten zum Problem werden.

Rainer Stolz: Wir haben eine Untersuchung in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im Frühjahr vorliegen werden. Von der Studie versprechen wir uns nicht nur Erkenntnisse über den Status Quo, sondern auch über die Verkehrsentwicklung der kommenden Jahre. Die Ergebnisse werden Grundlage für das weitere Vorgehen.

WOCHENBLATT: In der jüngsten Gemeinderatssitzung hat ein Mitbürger die Unterbringung von Obdachlosen in Containern kritisiert. Was macht die Stadt?

Rainer Stolz: Wir machen viel, und der Gemeinderat hat sich kontinuierlich mit diesem Thema beschäftigt. So werden die Unterkünfte in der Robert-Koch- und der Albert-Schweitzer-Straße abgerissen und mit einem größeren Angebot wieder aufgebaut, wobei die Umsetzung dieser Maßnahme natürlich ihre Zeit braucht. Dann werden wir Container zur Obdachlosenunterbringung im Stegwiesen aufstellen. Und dabei handelt es sich nicht um Lagercontainer, sondern um voll erschlossene Wohneinheiten von 16 bis 20 Quadratmetern Fläche, in denen zwei Personen leben können. Immer unter dem Aspekt, dass es sich um Obdachlosenunterkünfte handelt, und dieser Zustand eine Notlage ist, zu deren Behebung alle Beteiligten, und nicht zuletzt der Betroffene selbst, Anstrengungen unternehmen müssen. Sie sollten sich auch beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt um eine Verbesserung ihrer Situation bemühen. Das wichtigste ist doch, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf haben.

WOCHENBLATT: Zu einem weiteren sozialen Problem. Eine Jugendbande mit Namen »Die Stockacher« bereitet der Stadtjugendpflege Sorgen. Im Gemeinderat war von der Einrichtung eines runden Tisches die Rede. Wird das genügen?

Rainer Stolz: Bei einem runden Tisch soll es darum gehen, dass der Gemeinderat über aktuelle Entwicklungen informiert wird. Der runde Tisch wird aber nicht in erster Linie zur Problemlösung beitragen, denn das müssen die staatlichen Ordnungsorgane übernehmen. Schon in den vergangenen Wochen haben Ordnungsamt, Polizei und andere Beteiligte die Herausforderungen analysiert und Problemlösungsansätze besprochen und umgesetzt. Erste Maßnahmen zeigen Wirkung.

WOCHENBLATT: Die Diskussionen um eine Weiterführung des »Seehäsles« in Richtung Hindelwangen sind wieder aufgeflammt. Wie stehen Sie zu einem Ausbau der Bahnlinie?

Rainer Stolz: Ich hatte immer Zweifel an der Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit einer solchen Maßnahme, und diese Zweifel sind auch weiterhin vorhanden.

WOCHENBLATT: Das Ärztehaus beim Krankenhaus soll Gestalt annehmen.

Rainer Stolz: Wir rechnen damit, bis Ende 2017 den Bauantrag zu erhalten. Wenn die Genehmigung vorliegt, können wir 2018 zügig in die Bauphase eintreten, wobei mit einer Bauzeit von etwa 18 Monate zu rechnen ist. Das Parkdeck ist in der Umsetzung aufwändiger, daher kann dieses große Projekt auch bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen. Die Resonanz unter den Ärzten und künftigen Mietern ist vorhanden – sonst würde der Investor das Risiko nicht eingehen.

WOCHENBLATT: Wie sind Fallzahlen und finanzielle Entwicklung beim Krankenhaus?

Rainer Stolz: Die Zahlen in unseren letzten Budgetberichten lagen so, dass wir davon ausgehen, in etwa wieder die Zahlen des Vorjahres mit rund 3.400 Fällen zu erreichen. Der Abmangel fällt geringer aus als geplant. Wir sind von 460.000 Euro städtischem Zuschuss ausgegangen, doch da wir den Schweregrad bei der Behandlung der Kranken im gesamten Haus erhöhen konnten, ergibt sich ein etwas höherer Ertrag pro Fall.

WOCHENBLATT: Am noch zu bauenden Hindelwanger Kreisel soll ein Feuerwehrhaus für die Abteilung Stadt entstehen. Sind Bedenken wegen der Verkehrssituation gerechtfertigt?

Rainer Stolz: Die Verkehrssituation wäre auch an jedem anderen Standort in der Stadt ein Thema, und die verfügbaren Flächen sind begrenzt. Ich glaube auch nicht, dass es Probleme am Hindelwanger Kreisel geben wird, denn die Feuerwehrfahrzeuge würden ja direkt in den Kreisel hineinfahren. Und zwar mit Blaulicht, so dass sie automatisch Vorrechte haben. Zum Baubeginn und zu den Kosten kann ich noch nichts sagen, da wir erst sehen müssen, ob der Standort auch baulich für die Anforderungen der Feuerwehr ausreicht. Eine entsprechende Untersuchung haben wir in Auftrag gegeben.

WOCHENBLATT: Wie sind die Erfahrungen mit Blick auf Schülerzahlen, Lehrerversorgung und bauliche Nutzung des Anbaus am Schulverbund Nellenburg?

Rainer Stolz: Die Stockacher Schulen erfreuen sich allgemein eines starken Zulaufs, und es hat sich gezeigt, dass der Schulverbund die richtige Antwort auf die aktuellen Anforderungen im Erziehungswesen gewesen ist. Zumal die Gemeinschaftsschulen an Schülerzahlen verlieren. Es ist richtig, die verschiedenen Qualifikationsstufen mit Aufstiegsmöglichkeiten und Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schularten anzubieten.


WOCHENBLATT: Hat Stockach seinen Frieden mit der privat geführten Weiherbachschule in Zozegg gemacht?

Rainer Stolz: Ich weiß nicht, ob es von Vorteil ist, wenn Entscheidungen zur Schulgründung lokalpolitisch und nicht nach pädagogischen Gesichtspunkten getroffen werden. Doch es freut mich, wenn der Schulbetrieb gut läuft, und am wichtigsten ist, dass die Kinder am Ende einen guten, zukunftsfähigen Abschluss erzielen können. Immerhin trägt die Schule zur Vielfalt in der Region bei und schafft für Eltern eine zusätzliche Entscheidungsmöglichkeit in der Raumschaft.

WOCHENBLATT: Wann kann mit den Arbeiten an der Grundschule begonnen werden?

Rainer Stolz: Wir werden die derzeitigen Planungsüberlegungen im Februar mit der Zuschussstelle besprechen. Es ist nämlich auf Druck des Städtetages und der übrigen kommunalen Spitzenverbände gelungen, Bund und Länder von der Notwendigkeit der Sanierung der zahlreichen Schulgebäude zu überzeugen. Leider sind jedoch die Zuschussrichtlinien und Förderungstatbestände noch nicht veröffentlicht. Wir versuchen, so früh wie möglich eine Förderung zu erhalten. Wir benötigen diese Förderung dringend, denn es handelt sich immerhin um einen Kostenrahmen für diese notwendige Maßnahme zwischen fünf und sechs Millionen.

WOCHENBLATT: Die Berufsschulzentren in Radolfzell und Konstanz wurden und werden für viel Geld ausgebaut und aufgestockt. Was kann Stockach tun, um den Standort des BSZs vor Ort zu sichern?

Rainer Stolz: Die Schule muss innovativ bleiben, immer vorne mit dabei sein und die pädagogischen Herausforderungen aktiv angreifen. Die Kreisräte aus dem Raum Stockach werden sich intensiv für das BSZ vor Ort einsetzen, aber mit sieben von 67 Mitgliedern sind wir nicht gerade die Mehrheit.

WOCHENBLATT: Zur Oberstadt. Zahlreiche Geschäfte sind mit Möbeln bestückt, um leere Schaufenster zu füllen. Was kann getan werden, um weitere Leerstände zu verhindern?

Rainer Stolz: Die Möbelstücke sind nicht ja nur Dekoration, sondern auch ein Teil eines Einzelhandelsangebotes. Es gibt ja weitere positive Entwicklungen in der Oberstadt, die wir von städtischer Seite aus auch gerne unterstützen. Wir fördern den Handel auch finanziell, indem wir uns an den Kosten für Bianca Duventäster als hauptamtlicher Kraft für Handel, Handwerk und Gewerbe beteiligen. Die Stadt wird sich Seite an Seite mit dem Handel dafür einsetzen, dass die Einkaufsstadt Stockach mit all ihren Vorzügen erhalten bleibt.

WOCHENBLATT: Im Januar starten die Haushaltsplanungen. Gibt es Probleme wegen der auf 30 Prozent gestiegenen Kreisumlage?

Rainer Stolz: Wegen der Kreisumlage müssen wir 1,4 Millionen Euro mehr im Haushalt stemmen. Es wird schwierig nach dieser Erhöhung und den gestiegenen vor allem auch personellen Anforderungen den Haushaltsausgleich zu erreichen. Wir arbeiten noch daran.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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