»Uffwirmkaffee«: eine starke Koffeinspritze am Fastenmontag
Hoch die närrischen Tassen
Stockach. Eine neue Note in der Stockacher Fasnet verbesserte auch den Geschmack des »Uffwirmkaffees« des Narrengerichts und seiner Gliederungen. Mehr als zuvor machten Narrenrichter Jürgen Koterzyna und sein Team von dem uralten Narrenrecht Gebrauch, Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und auf Narrenart schelmisch-spöttisch, aber nicht verletzend Kritik zu üben. Dieses neue kommunalpolitische Rügerecht steht der Fasnet gut zu Gesicht, gibt ihr eine frische, freche, erfrischend freche Richtung.
Fast schon ein Klassiker ist dabei der Schlagabtausch zwischen Narrenrichter Koterzyna und Bürgermeister Rainer Stolz. Der Stadtchef hatte natürlich und wohl auch bewusst durch die Bekanntgabe seiner erneuten Kandidatur vor dem »Schmotzigen Dunschdig« genügend Stoff für Lästerer geliefert. Als seinen »Lieblingsbürgermeister« titulierte ihn denn auch Jürgen Koterzyna, der gleichzeitig die Strafzettelpraxis der Stadt scharf verurteilte. Wegen Parkens auf dem Gehweg hatte das Narrengericht etwa bei seinen Bunten Abenden für Knöllchen bluten müssen. Dabei, so Jürgen Koterzyna, sei der Gehweg doch ein Bürgersteig. Und er als Stockacher Bürger steige dort aus dem Wagen aus. Muss das strafbar sein? Die Stadt solle die Strafzettel zusammen mit dem Hemedglonker am Montagabend verbrennen und bereits bezahlte Strafen mit dem allseits beliebten HHG-Einkaufsgutschien zurückerstatten. Zur Begründung der Strafzettel sei dem Narrengericht zudem mitgeteilt worden, dass das Parken Fußgänger behindert habe. Aber, so die berechtigte Frage des Narrenrichters, wann sind in der Stockacher Oberstadt abends noch Fußgänger unterwegs?
Rainer Stolz konterte mit tiefschürfenden Versen und stellte die Frage, warum der »Uffwirmkaffee« nicht im Narrenwirtshaus, dem Ringhotel »Zum Goldenen Ochsen«, abgehalten werde. Antwort Koterzyna: Man habe den Bürgermeister auch mal in die Unterstadt ins Gasthaus »Fortuna« bringen wollen.
Doch auch abseits des Duells Stolz-Koterzyna zeigte sich der »Uffwirmkaffee« als starke Koffein-Spritze für den Fasnachtsmontag. Jeanette Schindler berichtete in ihrem knackigen Vortrag davon, wie sie eigentlich eine »Uffwirmkaffee«-Rede haben wollen, die sich nicht um die Fasnet dreht. Aber irgendwie ist sie dann doch wieder bei der Fasnet gelandet. Schadete auch nichts. Sie sprach von Mythen und Legenden – etwa der: »Gibt es das Kaufhaus Jährling wirklich?«. Wie wichtig es sei, und sei es nur für Witze in Büttenreden, würde erst bemerkt, wenn es das Kaufhaus nicht mehr geben würde. Wie man überhaupt die Dinge erst schätzen würde, wenn sie nicht mehr da wären. Doch diese Chance habe Bürgermeister Rainer Stolz verpasst. Durch seine erneute Kandidatur bei der Bürgermeisterwahl voraussichtlich am Sonntag, 24. September.
Deftiger brachte Siegfried Endres, Gerichtsnarr und Narrenwirt, seine Anliegen an. Ja, im Narrengericht laufe keiner Gefahr Kettenraucher durch die Zigarette danach zu werden, lästerte der Freche. Er warnte die Damen vor dem Bibergel, denn diese Tierchen seien bei Eisweiher und Papiermühle gesichtet worden. Und er beantwortete ein für allemal die Frage nach der Existenz Hans Kuonys. So wie Kläger Thomas Warndorf aussehe, müsse er Hans Kuony noch persönlich getroffen haben. Der Stockacher Erznarr muss also existiert haben.
Thomas Warndorf, bekannt für seine Zweifel am Stockacher Narrenheiligen Kuony, ließ sich nicht beirren. Intellektuell, gebildet, gepflegt, philosophierte er darüber, welche Menschen Narren sind. Eine Frage, die er auch vom soziologischen Standpunkt aus betrachtete. Gepflegt wie immer auch die Bänkelsänger der Aktiven Laufnarren, die in ihrem gesungenen, gereimten, gelungenen Beitrag die Stockacher Verkehrsproblematik und die ewige Frage nach einer Umfahrung auf die Schippe nahmen. Ernst nahm dagegen Ordensmeister Wolfgang Reuther seine Ehrungen vor: Der Hans-Kuony-Orden zweiter Klasse ging an Helmut Hengstler von der Universität Konstanz sowie Andreas und Bernd Meßmer aus Stockach.
Mathematische Rechenkunststückchen vollführte Alfons Russ, der ausgehend von den närrischen Zahlen 1315 und 1351 auf die bemerkenswertesten Ergebnisse kam. Mit Hilfe von Wurzelziehen, Subtraktion, Addition und Multiplikation. Verblüffend. Erstaunlich. Aber harte Kost für einen Fasnetmontag. Hubert Steinmann hatte kein mathematisches, sondern ein juristisches Problem: Einem seiner drei Söhne würden Bier, Wein, Schnaps und Schinken nicht schmecken. Er wolle aber dennoch Stockacher Laufnarr werden. Unmöglich. Schwört jeder Stockacher Laufnarr doch, eben jene Getränke plus Schinken zu achten und zu konsumieren. Kein Problem, konnte ihn Ordensmeister Wolfgang Reuther beruhigen: Denn der junge Mann möge sich vielleicht des Meineides schuldig machen. Doch: »Er wird nicht bestraft. Denn ein Vater wie du ist Strafe genug.«
»Hoch die Tassen«, hieß es also beim »Uffwirmkaffee«. Witzig, spritzig, närrisch.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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