Kraftkiller oder Spaßbringer: Ehrenamt auf dem Prüfstand
Geschenke auf Gegenseitigkeit

Foto: Marianne Schätzle verhalf ihr ehrenamtlicher Einsatz zu einer starken Karriere: Sie ist als Double von Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr gefragt. swb-Bild: sw
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Orsingen-Nenzingen (sw). Viel Amt, wenig Ehre. Arbeit ohne Bezahlung. Einsatz von Zeit, Geld und Kraft ohne Dankeschön. Ungeliebtes Ehrenamt. So ist es nicht, wurde bei einem Abend der Landfrauen Stockach-Engen im »Hecht« in Orsingen zum Thema »Frauen im Ehrenamt« deutlich. »Man bekommt sehr viel zurück«, war der Tenor unter den über 50 Besucherinnen.

Doch die ehemalige Vorsitzende, Ursula Martin aus Eigeltingen, fand auch kritische Töne: Es sei schwierig, die Kinder, die nachfolgende Generation, an das Ehrenamt heranzuführen. Denn der Nachwuchs würde ja sehen, wie stark eingebunden und belastet die Mutter durch ihr soziales Engagement sei. Und es würde immer mehr Gesetze geben, Auflagen, Bestimmungen, Vorschriften, die die so wichtige Arbeit bürgerschaftlichen Einsatzes erschweren würden. Hier sei auch die Politik gefragt, appellierte sie mit Blick auf Ministerpräsidenten-Gattin Gerlinde Kretschmann und deren Schwester Dorothea Wehinger, der Landtagskandidatin der »Grünen«, die an diesem Abend anwesend waren.

Denn das Ehrenamt ist wichtig. »Es hat mein Herz erweitert«, erklärte Hanne Dauwalter als ehemalige Vorsitzende der Landfrauen. Sie habe dadurch andere Meinungen, andere Menschen, andere Horizonte kennengelernt. Und Marianne Schätzle hat es gar zu einer zweiten Existenz verholfen: Sie fand die herkömmlichen Fasnachtsveranstaltungen stinklangweilig und stieg daher selbst in die Bütt. Zunächst in der örtlichen Fasnet. Dann im weiteren Umkreis. Als Double von Bundeskanzlerin Angela Merkel, durch deren gelungene Parodien sie bekannt geworden ist.

Pro Ehrenamt machte sich auch Dorothea Wehinger stark: »Es ist eine andere Art des beschenkt Werdens.« Die Übernahme von sozialer Verantwortung, der Einsatz für eine Sache, die einem wichtig erscheint, gesellschaftliche Mitgestaltung und Bürgerbeteiligung eröffneten neue Möglichkeiten des sich Einbringens. Ehrenamtliche werden mit Neuem konfrontiert, erfahren starke soziale Bindungen in der sich engagierenden Gruppe, bekommen ein Netzwerk, stärken ihr Selbstwertgefühl. Und sie lernen Wichtiges – Organisation, freie Rede, das Sprechen vor Menschen, Durchsetzungsvermögen. Der Einsatz für sozial Schwache könne eigene Probleme zurückdrängen, und die Ehrenamtlichen würden eine hohe Wertschätzung erfahren. In manchen Fällen könne es auch bei der Bewältigung von Schuldgefühlen helfen: Sie habe eine Frau kennengelernt, die sich nach dem Selbstmord ihres Kindes in die Gesellschaft einbringe, weil sie sich mitverantwortlich für den Suizid fühle. Und das Engagement erlaube zudem, Dinge, die einem nicht gefallen, zu korrigieren und zu ändern. Hier zitierte sie die Theologin, Schriftstellerin und Dichterin Dorothee Sölle: »Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.«

Eine Lanze für das Ehrenamt brach auch Gerlinde Kretschmann. Die Landesmutter meinte, der Einsatz von Kindern und Jugendlichen für die Gesellschaft müsse im Zeugnis vermerkt werden. Eine künftige Anrechnung des freiwilligen Einsatzes für die Gemeinschaft auf die Rente könnte auch ein guter Weg des Dankes sein. Und es würde hier keine Hierarchien und Abstufungen geben: Jede Art von Ehrenamt sei gleich wichtig und wertvoll.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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