Reifeprozess: Christel Neumann öffnet ihr Atelier
Frech ist die Kunst
Raum Stockach. Die Farben weglegen! Den Pinsel auswaschen! Die Materialen wegräumen! Das Bild von der Staffelei nehmen! Fertig ist das Kunstwerk. Nicht die Arbeitsweise von Christel Neumann. Sie versteht ihr künstlerisches Schaffen als steten Reifeprozess, ständige Fortentwicklung, dauerndes ziselierendes Feilen am Bild. »Stehen bleiben - das entspricht nicht meiner Art. Ein bestimmter Reiz muss immer dabei sein«, erklärt die 68-Jährige und zeigt die Arbeiten in ihrem Atelier, das sie »Farbklang« getauft hat. Die Farben zum Klingen zu bringen, und das auf ganz unterschiedliche Art, das sieht die Mutter eines erwachsenen Sohnes als ihre Mission an. Und ihre Botschaft möchte sie mit vielen Betrachtern ihrer Werke teilen: Darum lädt sie am Sonntag, 9. Dezember, von 11 bis 17 Uhr zum »Tag des offenen Ateliers« in die Höhenstraße 2A nach Stockach ein.
Das Wort »fertig« oder »vollendet« existiert nicht im Wortschatz von Christel Neumann. Ihre Arbeiten sind ein wenig wie guter Wein, der in Ruhe und Beschaulichkeit zum Vollgenuss reifen muss. Da ist zum Beispiel das Bild mit den infernalisch gemischten, sich überlappenden Rottönen, die ein verwirrendes Gemisch aus Linien, Farbgebungen und Konturen bilden. Bei einer Einzelausstellung im März hat Christel Neumann den flammenden Rotbrand präsentiert - nach Monaten hat sie nun festgestellt, dass aus dem roten Szenario eine Teufelsfratze hervorgrinst. Die möchte sie nun deutlicher ausarbeiten, die Silhouette sichtbarer machen, die Grimasse verdeutlichen. »Man muss sich etwas trauen, man muss auch mal frech sein«, meint die Bilanzbuchhalterin, die sich im Ruhestand ganz ihrer Kunst gewidmet hat. Wobei sie »brave Malerei« nicht mag. Kunst darf ruhig aufrütteln, provozieren, anstoßen - und knallig-schrägt sein.
Aber alles in Maßen! Christel Neumann ist eine bodenständige, lebenskluge Frau, in Überlingen am See geboren, fast 20 Jahre im westfälischen Dortmund lebend und nun seit 27 Jahren in Stockach zu Hause. Mit 14 Jahren hat sie angefangen zu malen, und sie hat die Malerei als Ausgleich zu ihrem eigentlichen Naturell als »Zahlenmensch« immer beibehalten. Ihre Kunst ist ein wichtiges Stück Christel Neumann - gebändigt feurig, solide experimentell, gemäßigt avantgardistisch. Und immer ein Stück innovativ. Sie arbeitet nun mit Asche und Sand, und ein Bild hat sie mit Kaffeesatz versetzt, es gemäß der These vom reifenden Kunstwerk einige Monate liegen lassen und es nun wieder hervorgeholt: Die dicke Leinwand an den Rändern wurde durch die Wucht der geballten Materie gesprengt. Die Kunst bahnt sich ihren Weg. Und aus diesem Weg führen viele Gassen hinein in die Entwicklungsgeschichte von Christel Neumann.
Am Sonntag, 9. Dezember, lädt Christel Neumann von 11 bis 17 Uhr in ihr Atelier »Farbklang« in der Höhenstraße 2A in Stockach ein. Mehr unter www.atelier-farbklang.de/wordpress
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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