Narrengericht äußert sich zu NS-Vorwürfen gegen den 1977 verstorbenen Gerichtsnarren und Komponisten Willi Hermann
Eine kritische Aufarbeitung ist nötig

Stockachs Narrenrichter Jürgen Koterzyna  | Foto: Narrenrichter Jürgen Koterzyna äußert sich im Pressetext zu den NS-Vorwürfen gegen dien 1977 verstorbenen Gerichtsnarren und Komponisten Willi Hermann. swb-Bild: sw
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Stockach/Konstanz. Zu den Vorwürfen gegen den fastnächtlichen Komponisten und ehemaligen Stockacher Gerichtsnarren Willi Hermann (1907 bis 1977), er sei in nationalsozialistische Machenschaften verstrickt gewesen, nimmt das Stockacher Narrengericht unter Narrenrichter Jürgen Koterzyna in einer Presseerklärung Stellung. Willi Hermann war von 1961 bis 1977 Mitglied des Stockacher Narrengerichts gewesen und hatte in dieser Zeit auch die »Bunten Abende« mit gestaltet, heißt es in dem Pressetext. Eine geplante Feierlichkeit zum 111. Geburtstag von Willi Hermann im November wurde wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe der Verstrickung mit dem »Dritten« Reich nach Angaben einer örtlichen Tageszeitung inzwischen gestrichen. Das Narrengericht äußert sich zu diesen Vorkommnissen wir folgt:

»Wir sind uns alle einige, dass die Gräueltaten der Nationalsozialisten im In- und Ausland abscheulich und verurteilenswert sind. Personen, die daran involviert waren, darf keinerlei Ehrerbietung zustehen - auch nachträglich nicht. Sollte Willi Hermann während der Zeit des Dritten Reiches an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein, bedauert das Kollegium des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts Stockach diese Untaten zutiefst. Das Gedenken und die nachträgliche Entschuldigung des Kollegiums gelten den möglichen Opfern.

Es richtig und wichtig, zur Gesamtbewertung eines Menschen und seiner Lebensbiographie alle Facetten eines Lebens zu kennen und auch zu bewerten. So wie man einzelne Facetten dann auch scharf verurteilen muss, sollte man andere Facetten nicht grundsätzlich verdammen. Das Stockacher Narrengericht wird heute wie damals von Menschen getragen, die dem Querschnitt der Gesellschaft entstammen. Dies finden wir heute wie damals auch in vielen anderen Bereichen wie Sport, Kultur, Kirche, Musik oder eben auch in der Fasnacht vor.

Willi Hermann engagierte sich im Narrengericht (1961 -1977) schwerpunktmäßig an der Veranstaltung Bunter Abende in Form von eigenen Auftritten oder dem Verfassen von Texten. Eine aus der Zeit des Dritten Reichs stammende dezidierte politische Haltung ist daraus nicht zu entnehmen. Außerdem war er als Komponist für Fasnachtslieder bekannt und geschätzt. An der textlichen oder organisatorischen Entwicklung einer »Gerichtsverhandlung«, wie sie 1960 erstmals abgehalten wurde, war Hermann nicht beteiligt.

Ein Beitrag von Thomas Warndorf in der Hans-Kuony-Post 2018 streift das Thema Willi Hermann als Komponist unter dem Titel »Wenn i mei altes Stocke sieh … – Aus der Geschichte der närrischen Musik und zum 111. Geburtstag von Willi Hermann«. Auch die Konstanzer Organisatoren des Jubiläums-Konzertes haben sicherlich in guter Absicht gehandelt. Schade, um deren Engagement, Zeit und Herzblut, die sie in dieses Projekt gesteckt hatten.

Es darf bei einer kritischen und historischen Aufarbeitung nichts verborgen bleiben und es muss offen kommuniziert werden. Wir sollten aber gleichzeitig aufpassen, dass durch eine losgetretene Diskussion nicht all jene, die an der Fasnacht unbedarft, vorbehaltlos und in launiger Runde Fasnachtslieder singen, in die Nähe einer Ideologie gerückt werden, mit der sie sich keinesfalls identifizieren. Gleiches sollte im Übrigen auch für Personen und Institutionen der heutigen Zeit gelten.

Das Hohe Grobgünstige Narrengericht zu Stocken

Jürgen Koterzyna

Der Narrenrichter«

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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