75 Jahre und kein bisschen brav: Peter Zahrt
Die scharfe Waffe der »Zahrtheit«
Orsingen-Nenzingen/Stockach. Er sonnt sich gerne in der Rolle des Clowns. Und beweist damit eine gewisse Größe. Peter Zahrt hat in 75 Lebensjahren gelernt, über sich selbst lachen zu können, ohne dass dadurch sein künstlerisch-männliches Ego gefährdet ist. Der in Nenzingen lebende Maler mag es aber auch, wenn Betrachter über seine Bilder schmunzeln. Der Clown ist für ihn nicht der tölpelhafte Spaßmacher, der orientierungslos herumstolpert. Er sieht den Clown in der Camouflage des Narren, des Hofnarren, der sich selbst, den Menschen und den Mächtigen den Spiegel vorhält und schmerzhafte Wahrheiten scherzhaft mit Humor überzuckert. Weisheiten – in einem Dreiviertel Jahrhundert Lebenszeit erworben. Am Donnerstag, 8. November, feiert Peter Zahrt seinen 75. Geburtstag. Eine der Jubiläumsausstellungen startete am Montag, 5. November, in der Sparkasse Stockach.
Irgendwann in seinem Leben hat Peter Zahrt gelernt, Schwächen zu stärken, aus Schwächen Stärken zu machen und mit seinen Stärken Schwächen auszugleichen. Mit Wort- und Zeichenwitz, erklärt er, konnte er in jüngeren Jahren Schüchternheit und Zurückhaltung übertünchen und ein schwankendes Kriegs- und Nachkriegsleben mit Hilfe des Schalks im Nacken stabilisieren. Der Vater, Vorbild in Humor, Geradlinigkeit und Zivilcourage, eingefleischter Hesse und in Frankfurt/Main wohnend, hatte einen NS-Blockwart verprügelt, nachdem der seine Ehefrau belästigt hatte. Das hatte ein Nachspiel – die Verbannung nach Posen im heutigen Polen. Dort arbeitete der Vater von Peter Zahrt bei der Eisenbahn – und brachte sich und seine Familie mit dem letzten Zug vor dem schon brennenden Bahnhof und der anrückenden Roten Armee in Sicherheit. Zurück in Frankfurt wurde auch Peter Zahrt zum Hessen. Der schräge Humor ist ihm geblieben, und die Erinnerung an eine zertrümmerte Stadt, die trotz aller klaffenden Kriegswunden, abenteuerlustigen Jungen Spiel- und Freiräume bot.
Seine Ausbildung zum Werbekaufmann hat er hier absolviert. Seine berufliche Selbstständigkeit hat er hier aufgebaut. Erste künstlerische Schritte hat er hier gemacht. Doch: »Eine Stadt erstickt. Das Atmen hat gefehlt.« So kam er nach Konstanz – und ist in der Seeregion geblieben. Der Vater einer erwachsenen Tochter und zweifache Großvater hat sich in Nenzingen ein Atelier geschaffen, in dem er seine Pinsel experimentieren lässt. Die Landschaftsmalerei hat er hintan gestellt, der Clown ist nach vorne gerückt, die karikaturenhaften »Zahrtoons« gedeihen hier. Sieben Mal hat er den Kopf von Donald Trump in die Höhen des Mount Rushmore versetzt – an Stelle der eigentlich gezeigten vier Ex-US-Präsidenten. Eine Anspielung an siebenfache Dummheit. Markus Söder, Bayerns streitbaren Ministerpräsidenten, hat Peter Zahrt in Dracula-Manier mit Knoblauch und Kreuz dargestellt – sonst unfehlbare Vampirkiller, doch hier nutzlos. Und das Einhorn aus hoffnungsvollen Jungmädchenträumen hat er durch ein Nashorn ohne Horn ersetzt. Ein Seitenhieb auf die gefährdete Existenz des Rhinozeros. Nicht immer sind die Anspielungen »zahrt«. Manchmal kommen sie mit voller Wucht. Manchmal aber erfordern sie Nachdenken. Doch intellektuelle Verrenker mag Peter Zahrt nicht. Seine Bilder sollen klare, allen einleuchtende Botschaften vermitteln. Da ist er wieder der Clown, der zu keiner Elite, sondern zu der applaudierenden Menge spricht und mit ihr in Interaktion tritt.
Er traut sich, »zahrt« zu sein: Eine Ausstellung von Peter Zahrt läuft bis Freitag, 30. November, in der Sparkasse in der Schillerstraße 8 in Stockach. Am Sonntag, 2. Dezember, ist er beim Klosemarkt in Mühlenplatz und Hauptstraße in Aach mit dabei. Mehr unter www.peter-zahrt.de .
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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