Geburt der Stockacher Fasnet - in Film und Schrift
Der Geist der Urquellen
Stockach (sw). Es war wie der Ritt auf einer Zeitmaschine. Das Jahr 2016, Farbe, Moderne und Aktualität blieben zurück. Plötzlich war die Welt wieder schwarz-weiß, brüchig, naiv, ahnungslos. Das Gespenst des Zweiten Weltkriegs mit seinen verheerenden Folgen schien nur ein ferner Spuk zu sein - die Menschen feierten Fasnet mit riesigen Prunkwagen, ausgelassener Narretei, originellen Kostümen und entwaffnender Fröhlichkeit. Nur ab und zu wackelte die heile Welt - da hat sich der Filmende, Gustav Hotz, zu sehr vom Festtaumel anstecken lassen. In bewegten und bewegenden Bildern ließ Stockachs Museumsleiterin Dr. Yvonne Istas die Fasnet der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts aufleben, indem sie zwei Streifen aus dem von der Stadt aufgekauften Hotz-Fotoarchiv präsentierte. Das war die ideale Einstimmung für die Buchtaufe von Thomas Warndorf, der sein 128 Seiten starkes Werk »Die Stockacher Fasnacht. Ihre Mythen - ihre Fakten« im Bürgerhaus »Adler Post« vorstellte.
Dabei stimmte wohl, was Bürgermeister Rainer Stolz in seiner Einführung bemerkt hatte: Selten hat ein Buch in Stockach bereits vor Erscheinen solche Kontroversen ausgelöst. Ging es in diesem Band der Stockacher Museumskataloge doch um die Urgründe des Stockach‘schen Selbstverständnisses. Hin zur Frage nach der Schlacht am Morgarten, der Existenz Kuonys und der Übergabe des Privilegs, auf dem Narrengericht und Brauchtum gründen. Wissenschaftlich akribisch und mit zähem Forscherfleiß, aber dennoch spitzig lesbar hat Thomas Warndorf, ehemaliger Kulturamtsleiter, Archivar und Kläger des Narrengerichts, recherchiert und seine Erkenntnisse zu mythischer Verklärung und historischer Klarheit dargelegt.
Zum 700-jährigen Jubiläum der Schlacht am Morgarten 2015 hatte der Soziologe und Historiker einen Fachaufsatz für die Hans-Kuony-Post, das Publikationsorgan des Narrengerichts, verfasst und im Nachhinein zwei Fehler festgestellt. Die Habsburg war entgegen seiner Darlegung nicht der Wohnsitz Herzog Leopolds gewesen, und sie liegt auch nicht in der Nordost-, sondern in der Nordwestschweiz. Eigentlich lässliche Sünden. Doch Thomas Warndorfs Ehrgeiz war geweckt - er verbiss sich in die Materie. Und fasste die Forschung in seinem Buch zusammen. Schluss ist damit noch lange nicht. Er kündigte bereits an: »Ich mache weiter.«
Das Buch »Die Stockacher Fasnacht. Ihre Mythen - ihre Fakten« von Thomas Warndorf mit einem Vorwort von Narrenrichter a. D. Karl Bosch ist im Kulturzentrum »Altes Forstamt« in der Salmannsweilerstraße 1 in Stockach zum Preis von zehn Euro zu haben.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
Kommentare