Literarisch-musikalische Spielwiese mit charmanter Leichtigkeit
Beziehungen mit vielen Bezügen

Foto: Da kann ruhig salutiert werden: Das Stockacher »Nellenburg-Gymnasium« hat gute »Beziehungen«.swb-Bild: sw
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Stockach (sw). Sie denkt an ihn. Er denkt an sie. Nach einem Jahr ist die rosarote Brille beschlagen. Sie denkt an ihn. Er an sein Auto. Sie denkt an ihn. Er an die Inspektion. Sie denkt an ihn. Er an eine Nockenkurbelwelle. Mann und Frau. Aber auch König und Untertanen. Nachbar und Nachbar. Fahrgast und Mitreisender. Ich und ich. Das Beet menschlicher Beziehungen wird eingesät, geharkt, gejätet, abgeerntet. Querbeet. Charmante kleine Szenen, Apercus, Bonmots und kurze Momentaufnahmen verspielt-impressionistisch scheinbar lose aneinandergereiht werden zu »Be-Ziehungen« in der neuen Aula des Stockacher »Nellenburg-Gymnasiums«. Die Theater AG unter Beate Spöther-Weber, das Salonorchester unter Stefan Gräsle und Martina Hartmann, der A-capella-Männerchor und die Veranstaltungs-AG bieten mit Technik von Nils Schuler und Sebastian Zander ein scharfzüngiges, scharf beobachtetes Intermezzo des Menschlichen. Zu sehen sind die »Literarisch-musikalischen Köstlichkeiten« am Mittwoch, 4., Freitag, 6., und Samstag, 7. Mai, jeweils um 19 Uhr in der neuen Aula des Stockacher »Nellenburg-Gymnasiums«.

Opulenz gibt es nur musikalisch. Die passende Untermalung - mal tragisch, mal harmonisch, mal schräg, mal einschmeichelnd – für das Geschehen auf der Bühne. Dort ist die Kulisse spartanisch. Fast nackt. Drei Würfel. Aufeinander gestellt. Aneinander gereiht. Aufgetürmt. Je nach Bedarf universell einsetzbar. Die Kleidung der Akteure. Schwarz-weiß. Meist. Nur die Fastfood-Krone der volksvergessenden Majestät und der Morgenmantel der unverstandenen Ehefrau sorgen für Farbkleckse. Nein, keine Ehefrau. Eine Geliebte mit dem nörgelnden Unterton der unzufriedenen Partnerin.

Die Pointen sind gut gesetzt. Mal fein akzentuiert. Mal mit dem Brechhammer. »Be-Ziehungen« – aus der Literatur zusammengesetzt: Erich Fromm – »Die Kunst des Liebens«, Kurt Tucholsky – »Die arme Frau«, Anton Tschechow – »Der Bär«. Auch weniger Bekanntes: Günther Nehm – »Nostalgie auf Schienen«, Friedrich Holländer – »Stroganoff«, Max Goldt – »Gleichzeitig. Das kann ich nicht«.

Zurückhaltend choreographiert, bewusst inszeniert, durchdacht strukturiert liegt der Fokus von »Be-Ziehungen« auf Sprachwitz, Sprechmelodie, Betonung und Inhalt. Der Zuschauer wird nicht mit Gesten, Mimik, Theatralik überfordert, sondern kann sich auf die Wortgewalt Georg Büchners, Erich Fromms oder Martin Suters unabgelenkt einlassen. Eine vergnügliche Spielwiese menschlichen Zusammenlebens. Die richtige Dosis für einen Vorfrühlingsabend. Auch in der Länge gut dosiert. Mit der Möglichkeit zu Tiefgang und Nachdenken, wenn es gewünscht wird: »Eigenliebe ist der Beginn einer lebenslangen Romanze«. Oder: »Liebe beginnt damit, dass man sich selbst betrügt. Und endet damit, dass man andere betrügt.« Und dazwischen die feine Ironie des hervorragenden A-Capella-Männerchors. Beziehungsreiches Theater.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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