Randnotizen zu „typisch deutschen“ Problemen
Ausländer: Von der Schweiz nach Australien
Die Bürger haben am Sonntag knapp entschieden, dass sich das Ausländerrecht in der Schweiz künftig verschärfen soll. Wir Deutsche sind Weltrekordler beim Reisen; vergessen aber im eigenen Land bei Diskussionen aber immer wieder, dass wir dann selbst der vielzitierte Ausländer sind. Wir diskutieren bei uns daheim arbeitsrechtliche Fragen schon länger international. Eine Tochter in Australien, die andere – just – in der Schweiz. Beide sind in der Hotellerie/Gastronomie in verantwortlicher Position tätig. Und dennoch ist vieles anders. In der Schweiz sein Geld zu verdienen, lohnt sich, ist aber nicht unbedingt kultig. In Australien ist das beides mit Akzenten zu versehen.
In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts musste man durch die Carneby-Street in London geschlendert sein, um die Höhe der Zeit erlebt zu haben. Heute muss man wieder im alten British Empire mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, um hipp zu sein: Mit work and travel unterwegs in Australien. Top-Jobs verspricht allein schon das Internet. Und wenn der Australien-Bazillus um sich greift, ist eine Tagesreise im Flieger keine Barriere mehr. Bei meiner Tochter Beate war es anders, deshalb ist ihr Ausflug zum fünften Kontinent so aufregend und heute eben auch ein Thema für „Weltbewegendes“. In Deutschland drohte ihr die „Generation Praktikum“, in Australien erlebte sie den American Dream mit der Karriere gleichsam vom Tellerwäscher zum Restaurant-Chef. Wer im Internet nach dem Kings Perth Hotel sucht, findet seit Jahresbeginn ihren Namen als Hotel-Direktorin. Vor fünf Jahren hatte sie dort an die Türe geklopft, jetzt ist sie die Chefin. Es war ein langer Weg dorthin, durch den sie aber mit vielen Gerüchten und Vorurteilen über Australien und den dortigen Arbeitsmarkt aufräumen kann. An heimatlichen Berufsbarrieren drohte sie langfristig zu scheitern, aber in Australien geriet sie erst einmal vom Regen in die Traufe. Aber das ist eine längere Geschichte.
Das BA-Studium für Tourismus und Destinationsmanagement mündete in die klassische Betriebswirtschaft. Ihre Diplomarbeit war quasi eine Machbarkeitsstudie für ein Hotel-Projekt am Bodensee. Aber ihr Berufsziel bestand in einem Arbeitsplatz in einer Touri-Info. Doch da standen die Zeichen der Zeit nicht auf Grün. Die einen Gemeinden rekrutierten neue Touri-Mitarbeiter angesichts der Krise der öffentlichen Finanzen aus dem Personalbestand, bei anderen wurden Querverbindungen aus der BA spürbar. Und mancher wollte auch keine Tochter eines Journalisten im Haus haben! Mehrfach schaffte sie es bis zur Endausscheidung – doch dann war auch Endstation. Ein Praktikum führte an eine Hotel-Rezeption mit einem befristeten Vertrag, den sie selbst aber auch nicht verlängern wollte.
Früher hieß es, „ab nach Kassel“, Beate landete in Perth, einer Millionenstadt im australischen Westen. Natürlich wollte sie austesten, wie weit sie mit ihrer Ausbildung im Land angeblich unbegrenzter Möglichkeiten kommen könnte. Einigkeit bestand darin, dass etwas für ihre Biografie „herausspringen“ müsse, also ein Zeugnis, das mehr als ein Beleg für ein Sabat-Jahr mit work and travel sein müsse. Das ist dann aber schon ein Grundproblem für Australien, denn damit landet man mitten im Problem, wie Australien mit dem Zuzug ausländischer Arbeitskräfte umgeht. In ewig langen Telefonaten staunte ich immer mehr, was unter dem Dach des Empire möglich ist, zugleich aber in Deutschland als menschenunwürdig attackiert wird. In Australien wird hart selektiert, wen man im Land haben will – und wen nicht! Kurzzeitige Gelegenheitsarbeiter will man, denn sie gehen ja wieder. Sie decken Spitzen im saisonalen Arbeitskräftebedarf. Wer einen längerfristigen Arbeitsplatz anstrebt, der braucht einen Sponsor, einen Arbeitgeber, der mit der Anstellung auch für ihn gerade steht! Arbeitsplätze werden so vergeben, wenn damit keinem Australier die Arbeit weggenommen wird!
Beate hatte sich vorgenommen, jegliche Weiterbildung mitzumachen. Da gelang ihr recht bald ein Volltreffer, denn Hotels brauchen einen Mitarbeiter, der die Genehmigung hat, Alkohol auszuschenken. Den Kurs absolvierte sie und hatte ihr erstes Alleinstellungsmerkmal. Ich fühlte mich manchmal an das englische Mutterland erinnert, wo im Pub auch noch zwischen licened und fully licened unterschieden wurde. Und umso teurer wurde es…
Eine Riesenumstellung sind die Wohnungsverhältnisse. Man mietet Wohnungen wochenweise – meist teilweise möbliert. Die Preise sind hoch, Mitbewohner angeraten. Die Inhaber lassen die die Mieter kontrollieren: Immer alles schon sauber halten. Man muss sich als Mieter bewerben, für eine gute Performance sorgen. Man muss sich anpassen, Dinge machen, gegen die man in der Heimat protestiert hätte. Bei allem bleibt man „die Deutsche“, die anders ist, durch Arbeitseinsatz und Korrektheit selbst zum Mythos wird.
Zurück zur Schweizer Entscheidung: Ausländerfeindlichkeit kann man sich vielerorts abschauen. Nicht zu glauben ist, dass man da die größte Ablehnung hat, wo die gemeinsame Sprache eigentlich verbinden sollte.
Von Hans Paul Lichtwald
- Redaktion
Autor:Redaktion aus Singen |
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