Der Hohentwiel
Wahrzeichen der Region und Singener Hausberg

Von der dunklen Vorzeit über das Mittelalter bis in unsere Tage: die Faszination über den Hohentwiel ist ungebrochen. | Foto: Archiv
  • Von der dunklen Vorzeit über das Mittelalter bis in unsere Tage: die Faszination über den Hohentwiel ist ungebrochen.
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Singen. Schon immer hat der Hohentwiel die Menschen angezogen. Durch seine gewaltige Größe und imposante Schönheit wird die Hegau-Landschaft erst zu dem, was sie ist. Der Blick vom Berg bis zum Bodensee gilt als schönste Aussicht Baden-Württembergs. Und auch wenn der Hohentwiel keineswegs der höchste der Hegauberge ist – diese Ehre gebührt dem Neuhewen – so kann er getrost als der eindrucksvollste und bezauberndste bezeichnet werden. Dies liegt nicht zuletzt an der gut erhaltenen Burgruine, die zu den größten in ganz Deutschland gehört.

Eine lange und bewegte Geschichte

Siedlungsspuren rund um den Hohentwiel – eigentlich ein seit langem inaktiver Vulkan – gehen zurück bis ins 8. Jahrtausend vor Christus. Befestigungen auf dem Berg lassen sich bis ins frühe Mittelalter nachverfolgen. Die erste wirkliche Burganlage entstand im Jahr 914. Wenig später ging die als uneinnehmbar geltende Festung in den Besitz der Zähringer über, 1521 wurde sie schließlich dem württembergischen Herzogtum angegliedert.

Im Dreißigjährigen Krieg kämpften die Habsburger, Württemberger, Schweden und Franzosen um den Hohentwiel, doch unter Kommandant Major Konrad Widerholt hielt die Festung fünfmal einer Belagerung stand und blieb Teil von Württemberg. Es war schließlich Napoleon, der dem Mythos der Uneinnehmbarkeit ein Ende bereitete. Nachdem die französischen Revolutionstruppen in den Hegau einmarschiert waren, zogen sich die Österreicher im Jahr 1800 aus der Region zurück. Angesichts der Übermacht, die ihnen gegenüberstand, gaben die Württemberger den Hohentwiel kampflos auf, setzten sich aber dennoch dafür ein, die Festung unversehrt zu lassen. Trotzdem wurde im selben Jahr in Paris die Schleifung der Burganlage beschlossen. Offiziell zu Singen gehört der Hohentwiel – der sich im 19. Jahrhundert immer mehr zum Touristenmagneten entwickelte – seit dem 1. Januar 1969.

Natürliche und kulturelle Vielfalt

Heute ist der Berg mit seiner Ruine ein beliebtes Ziel für Reisende und Forscher. Als Experte für den Hohentwiel gilt Dr. Roland Kessinger, von Beruf eigentlich promovierter Chemiker. Ihn fasziniert die Vielfalt rund um den Singener Hausberg. Man könne sich, so Dr. Kessinger, dem Hohentwiel sowohl aus natur- als auch aus geisteswissenschaftlicher Richtung nähern. Mit brütenden Wanderfalken und Kolkraben, Mauereidechsen und einer ganzen Reihe an seltenen Pflanzen lässt sich eine besondere Flora und Fauna bestaunen und erforschen.

Zusätzlich dazu bietet die Vulkanlandschaft mit ihren Gesteinsschichten viel Stoff für Geologen. Archäologen können sich an der Burgruine und den Siedlungsspuren seit der Bronzezeit (1200 – 750 v. Chr.) austoben. Besonders spannend findet Dr. Kessinger den sozialen Raum, der mit und um den Hohentwiel herum entstand. Wie sah der Alltag der Menschen früher auf der Festung aus? Welchen Herausforderungen mussten sie sich stellen? Und wie gestaltete sich das Zusammenleben mit dem katholischen Umland, das unter österreichischer Herrschaft stand?

Ein hartes Leben

Dr. Kessinger räumt zunächst mit dem Vorurteil auf, dass man sich früher auf dem Hohentwiel in einer kleinen, sicheren Enklave befand, die von den Geschehnissen im Umland unberührt blieb. „Man muss sich“, so Dr. Kessinger, „den Alltag auf der Festung als hart und unbeständig vorstellen. Heute wandern wir meist nur an warmen, sonnigen Tagen den Berg hinauf, genießen die schöne Aussicht und romantisieren das Leben auf dem Hohentwiel.“ Dabei waren vor allem die Wetterbedingungen eine echte Herausforderung für die Menschen. Man hatte mit ständigen Blitzeinschlägen und brachialem Wind zu kämpfen. Ständig mussten Dächer und andere Teile der Behausungen erneuert oder ersetzt werden.

Mosers Schweigen

Gerne vergessen wird auch, dass die Festung auf dem Hohentwiel nach dem Dreißigjährigen Krieg lange Zeit Württembergisches Staatsgefängnis war. Einer der Insassen, Johann Jakob Moser, hat es zu besonderer Bekanntheit gebracht. Moser stammte aus einer alteingesessenen württembergischen Beamten- und Pfarrerfamilie und wurde später selbst württembergischer Staatsrechtslehrer und Berater. Nachdem er den Verkauf von Kindern als Soldaten für den Siebenjährigen Krieg kritisiert hatte, wurde er ohne Prozess für fünf Jahre auf dem Hohentwiel interniert.

Da dem fleißigen Autor der Zugang zu Schreibmaterial verwehrt wurde, schrieb er mit Ruß – der Legende nach – Hunderte von Liedern an seine Zellenwände. Nach der Haftentlassung konnte er, immer noch bei guter Gesundheit, seine schriftstellerische Tätigkeit fortsetzen. Im vergangenen Jahr wurde seine Geschichte als Theaterstück unter dem Titel „Mosers Schweigen“ in Singen uraufgeführt. Anlässlich des Stadtjubiläums gab es eine weitere Aufführung - diesmal auf dem Hohentwiel. Die Faszination rund um den Hohentwiel und die mit ihm verbundenen Personen hört also nicht auf. Wir sind gespannt, welche Geschichten in Zukunft geschrieben werden.

Autor:

Patrik Silberling aus Singen

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