Das dauerhafte Vermächtnis von Willi Waibel
Ein Kämpfer gegen das Vergessen

Willi Waibel im Jahr 2022 beim Festakt für das 75-jährige Bestehen der Theresienkapelle. | Foto: Archiv/Uwe Johnen
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  • Willi Waibel im Jahr 2022 beim Festakt für das 75-jährige Bestehen der Theresienkapelle.
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Singen. Über Wilhelm „Willi“ Waibel kann viel gesagt werden: Er war ein Heimatforscher und Autor, ein Versöhner, Ehrenbürger, er war streitbar, wissbegierig, einer der Väter der Städtepartnerschaft mit Kobeljaky in der Ukraine und nicht zuletzt war er das Gedächtnis der Stadt Singen. Willi Waibel verstarb am 9. März 2024, wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag. Doch sein Wirken und vor allem die Eindrücke, die er bei den Menschen hinterlassen hat, haben Bestand.

„Der Bürgermeister von Bruderhof“

Zu seinen langjährigen Weggefährten gehört Walafried Schrott. Die Bekanntschaft mit Willi Waibel machte er Ende der 70er Jahre, erinnert er sich: „Willi kämpfte damals mit vollem Einsatz gegen das geplante Einkaufszentrum im Bruderhofgebiet.“ Sehr zum Ärger des damaligen Oberbürgermeister Friedhelm Möhrle – zu der Zeit, wie auch Walafried Schrott, ein SPD-Mann - und der großen Mehrheit des Gemeinderats.
„Für uns Jusos war Willi ein engagierter und glaubwürdiger Kämpfer für die Interessen der Bürger.“ Den Kampf gegen das Einkaufszentrum konnte Willi Waibel am Ende für seine Seite gewinnen: Das Verwaltungsgericht gab ihm recht und statt eines Einkaufszentrums mit viel Parkfläche stehen dort heute Wohnungen.
Diese Hartnäckigkeit bewies Willi Waibel bei dem Projekt, das ihn Jahrzehnte beschäftigen sollte: die Aufarbeitung der Geschichte der Zwangsarbeiter in Singen während dem Zweiten Weltkrieg. Dafür musste er einige Mauern einreißen, denn viele wollten die Vergangenheit ruhen lassen. Gestoppt hat ihn das nicht: „Er ist ein sehr beharrlicher Mensch gewesen“, sagt Walafried Schrott über seinen Freund. „Er hat geforscht, Kontakte geknüpft und Briefe geschrieben.“

„Es hat jemanden wie ihn gebraucht“

Es entstanden langjährige Bekannt- und Freundschaften, Besuche wurden organisiert und schließlich die Städtepartnerschaft eingegangen. „Wer einmal mit Willi in der Region unserer Partnerstadt war, der konnte sehen, welch großartige Arbeit er für die Versöhnung, die Völkerfreundschaft und auch die Anerkennung der Zwangsarbeiter in ihrem eigenen Land getan hat.“
Auch Stadtarchivarin Britta Panzer erinnert sich: „Seine Hartnäckigkeit kam für mich besonders bei der Erforschung der sogenannten ‚Russengräber‘ zum Ausdruck. Er wollte den Toten, die am Westrand des Waldfriedhofs begraben wurden, ihre Identität wiedergeben.“ Willi Waibel war „ein Fragender, der nie geruht hat, bevor er nicht eine für ihn zufriedenstellende Antwort bekommen hat.“
Er machte auch aus seiner eigenen Vergangenheit keinen Hehl: „Willi Waibel stand mir gegenüber stets zu seiner Vergangenheit in der Hitlerjugend.“ In einem Jahrbucheintrag beschrieb er sich selbst als „strammen Hitlerjugend-Pimpf“. „Das habe ich an ihm geschätzt: seine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Für mich ist der Zeitzeuge Willi Waibel einer der aufrichtigsten und geradlinigsten Menschen, die ich in meinem Leben bisher kennengelernt habe.“

Autor:

Tobias Lange aus Singen

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