Eine Koryphäe der Region
Die vielen Spuren von Walter Fröhlich
Singen. Im Vorfeld zur Ausstellung „125 Jahre Stadterhebung Singen“ befragte das Stadtarchiv eine repräsentative Anzahl von Singenerinnen und Singenern, welche Ereignisse im Jahresablauf und welche Lieder sie in Bezug auf das Leben in Singen als identitätsstiftend bezeichnen würden. Dabei wurde als identitätsstiftendes Ereignis mit übergroßer Mehrheit die Fastnacht genannt, und ebenso eindeutig beantworteten die Befragten die Frage nach den Liedern, indem sie die erwähnten, die in Singen an der Fastnacht gesungen werden.
Dabei handelt es sich in erster Linie um die fünf Fastnachtslieder, die Walter Fröhlich in den Jahren 1957 bis 1962 geschrieben hat. Diese fünf Fastnachtslieder kennen alle Singenerinnen und Singener, und an erster Stelle ist hier sicherlich das „S goht degege, Mamme, häng de Schurz a d’Wand“ zu nennen, das Walter Fröhlich im Jahre 1957 komponiert und getextet hat und das nicht nur in Singen, sondern weit darüber hinaus geradezu zum Volkslied geworden ist.
Walter Fröhlich, genannt Wafrö, wurde 1927 in Radolfzell geboren und wuchs in Konstanz auf. Nach einer Lehre zum Bankkaufmann, unterbrochen vom Kriegsdienst, begann er ein Volontariat bei der Konstanzer Wirtschaftsrevue und war anschließend Lokalredakteur der Bodenseezeitung. Nach deren Aus überbrückte er die Zeit als Akkordeonspieler einer Tanzkapelle, bevor er ab 1952 über 32 Jahre bis zu seiner Pensionierung in der Werbeabteilung von Alusingen (heute Constellium) arbeitete. Im Jahre 1954 trat er in die Poppele-Zunft ein und veranstaltete nach Konstanzer Vorbild 1957 erstmals den Narrenspiegel, für den er zehn Jahre lang als Texter und Büttenredner hauptverantwortlich war.
Mundartdichter und Philosoph
Schon seit den 60er Jahren betätigte sich Walter Fröhlich als Kolumnist, zunächst samstags mit „Wafrös würzigem Wochenragout“ im Schwarzwälder Boten, dann ab 1978 im Wochenblatt mit „Alemannisch für Anfänger“ und ab 1980 mit „Urban Klingeles saudummer Gosch“, schließlich mit der „Alemannischen Dialektik“.
Zwölf Bücher hat Walter Fröhlich veröffentlicht, die alle im Dialekt verfasst sind und in denen Walter Fröhlich, wie Dr. Franz Götz einmal formulierte, sich als „weiser Hofnarr“ zeigt, „als Autor tiefsinniger und hintersinniger Betrachtungen, als Löser seelischer Verkrampfungen, als volksverbundener Philosoph, als Patron derer, die nicht meinen, sie wüssten alles, als Prediger auch für solche, die nicht in die Kirche gehen, als menschenfreundlicher Moralist, Humanist und Christ.“ Walter Fröhlich starb am 7. November 2013.
Zahlreiche Ehrungen hat Walter Fröhlich als Mundartdichter wie auch als Fasnetmacher bekommen. So wurde er 1977 zum ersten Alefanz der Langensteiner Cumpanej ernannt. 1993 erhielt er den Kulturpreis der Stadt Singen, 1995 die Johann-Peter-Hebel-Medaille der Muettersprochgsellschaft, 1997 das Bundesverdienstkreuz am Bande und im Jahre 2000 die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg.
Büttenredner
Die Büttenreden, die Walter Fröhlich von 1957 bis 1983 und dann noch einmal 1992 immer am Ende des Narrenspiegels der Poppele-Zunft in der Scheffelhalle gehalten hat, sind ein einmaliges Zeugnis der Singener Stadtgeschichte. Alle wesentlichen Ereignisse des jeweiligen Jahres sind dort genannt, und immer hat Walter Fröhlich einen kritischen, letztendlich aber immer auch versöhnlichen Blick auf die Geschehnisse in der Singener Kommunalpolitik. Dabei erfüllte er immer den Anspruch an einen Alefanz, wie ihn Dr. Franz Götz einmal so formulierte: „Ein Alefanz sich nicht geniert, er irritiert und kollidiert, er kritisiert und opponiert, doch was ganz selten ihm passiert, dass er um Mäuler Honig schmiert.“
Ein von Walter Fröhlich in seinen Büttenreden immer wieder erwähntes Thema ist das schnelle Wachstum von Singen und der damit verbundene Zuzug von Menschen aus anderen Ländern. Und stets ist Walter Fröhlich stolz auf die Tatsache, dass es immer gelungen ist, diese Menschen in der so schnell wachsenden Stadt zu integrieren.
So sagt er am Ende seiner Büttenrede von 1967, es sei „herrlich für jeden, den‘s in die Stadt verschlägt, in der man nichts einem krumm nimmt, weil man Spaß hier erträgt. Ihr Singener, ihr Ostpreußen, Schlesier und Berliner, ihr Rheinländer und Sudetendeutsche, glaubt mir, Schlawiner, mehr als Mainz, wenn es singt und lacht, hat dieses Städtchen mir Freude gemacht. Ich mag unser Singen, und hier bleib ich zeitlebens, wer drauf hofft, dass ich fortgeh‘, der hofft da vergebens.“
Auch die Wirtschaftswunderjahre haben Walter Fröhlich zum Nachdenken gebracht. So hat er 1961 das Fastnachtslied geschrieben: „Hei, ei, ei sind mir e Stadt Z'Singe unterm Hontes. All's isch z'friede, all's isch satt, wer s Rothus sieht, der mont des. Mir lieget uf de Industrie so weich grad wie uf Samt. Kultur und Kunst, guck no mol hi, mir hond sogar e Sau im Standesamt.“
Hier scheint trotz der Bewunderung für das Erreichte durch die Erwähnung der „Sau im Standesamt“ (ein Bezug auf das Wildschwein, das Otto Dix in sein Wandgemälde im Standesamtszimmer integriert hat) die Aufforderung durch, dass Singen trotz seiner großartigen Entwicklung seine Herkunft aus einem kleinen Bauerndorf nicht vergessen möge.
Die Fastnacht und die Freunde des Dialekts haben Walter Fröhlich viel zu verdanken. In seinen Texten und seinen Liedern ist er weiter gegenwärtig.
von Stephan Glunk
Autor:Redaktion aus Singen |
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