4.000 Worte für den Start in Dein Leben

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Nun schaue ich also mitten in der Midlife-Krise (kein Mitleid bitte, so schlimm ist`s nicht) aufs eigene Leben zurück, um nach dem zu suchen, was man jungen Menschen an guten Ideen fürs Leben einmal aufschreiben kann, egal, was sie dann daraus machen.  Unweigerlich denke ich: Aber heute ist doch eine andere Zeit als vor 30 Jahren und dann: Aber manches ist heute so wie früher, weil Menschen Menschen sind. Und vieles ist auch anders. 

Gut, dass ich einiges mitbekomme, wie junge Menschen heute gut oder weniger gut ins berufliche und sonst eigenständige Leben starten, was sie an dieser Schwelle brauchen oder nicht, sowohl im Wochenblatt als auch in anderen Unternehmen. Manchmal reden wir in unserem Verein „Menschen helfen im Hegau e.V.“ mit Menschen, die den Start nicht so gut hinbekommen und schauen, ob wir Ihnen helfen können. Auch daraus lernt man. Und ich stelle fest: Gut, dass man jünger ist, wenn man ins Leben startet, das war schon eine ziemlich emotionsgeladene Zeit, in der ich auch viel Glück hatte.

Wie geht Glück?

Womit schon die erste Idee wächst, mit der ich mich in den letzten Jahren auch ein bisschen aus psychologischer und philosophischer Sicht beschäftigt habe:

Wie geht eigentlich Glück? Hier habe ich eine eindeutige Antwort: Wer Glück haben will, darf nicht das Glück an sich wollen. Sondern: Das Glück stellt sich manchmal unter gewissen Bedingungen von selbst ein. Wer das Glück an sich will, der sucht immer den nächsten Kick und wundert sich, dass er die Dosis immer weiter erhöhen muss und irgendwie das Glück trotzdem  nie gegriffen bekommt. Die Idee ist also so: leben, mit anderen intensiv etwas tun, was sich richtig anfühlt, weil es einen bewegt und weil man es kann und das Glück setzt sich dann oft gerne dazu. Das Glück festhalten kann man übrigens auch nicht.

Wie findet man den richtigen Beruf?

Wenn es richtig ist, sich dem Fluss des Lebens anzuvertrauen und darin zu schwimmen, dann wird einem klar: Der richtige Beruf, der sollte einen schon irgendwie bewegen. Sonst ist es nichts. Und er sollte nicht Lehrer*innen oder Eltern oder Berufsberater*innen bewegen, sondern einem selbst. Wie findet man raus, was einem bewegt? Indem man ausprobiert (Praktika, im Alltag sich selbst beobachten, was einem bewegt, schauen, was dazu passt). Und man sollte darauf achten, dass es immer auch ein paar Herausforderungen gibt, für die man lernen muss, für die man sich anstrengen muss. Allerdings nie so, dass man das Gefühl hat, man ertrinkt im Fluss des Lebens. Dann ist etwas falsch. Also ist es gut, wenn man weiß, was man kann und wenn man die eigenen Grenzen kennt, also auch, was man gar nicht kann. Kann man gut mit Menschen reden, gut zuhören? Ist man eher so ein Machertyp, hat man schon früh die Spielzeugautos auseinandergebaut? Kämpt man gerne für eine gute Sache? Fühlt man sich eher in einer Gruppe wohl oder ist man in Gruppen immer eher der Anführer? Der Ideengeber? Der, der sich um die kümmert, die Sorgen haben? Oder löst man gerne eher ein paar Probleme ohne die anderen und kommt dann stolz zurück? Macht man gerne, was es gerade braucht, damit es der Gruppe gut geht? Ist man eher laut oder eher leise? Das sind wichtige Fragen und die Antworten sind schon in uns in jungen wie in späteren Jahren. Nimm Dir einen Menschen Deines Vertrauens und rede mit ihm darüber.

Die Zeiten, in der Ihr ins Erwachsenenleben geht, sind unübersichtlich, unsicher. Vieles alte wird gehen, wir wissen nicht, wie es politisch so auf der Welt und in diesem Land weitergeht. Was also gibt einem Sicherheit? Eindeutige Antwort: das, was man in sich hat. Das, was einem wirklich wichtig ist. Das, was einem vielleicht schon immer beschäftigt. Weil das ist, nach was man Sehnsucht hat. Und das, was man schon als Kind oder Jugendlicher gut konnte. Weil das spürt man. Fakten sind wichtig. Aber der eigene Wille hat nicht die Fakten der Welt als Quelle, sondern die eigenen Gefühle. Und mit diesem Willen beschäftigen wir uns mit den Fakten und der Welt da draußen.

Sich dem Leben stellen?

Manchmal hört man ja, dass es wichtig ist, sich dem Leben zu stellen. Das hört sich für mich viel zu hart an. Klar, es klingt heldenhaft. Man stellt sich vor, dass man da steht, im Sturm des Lebens, Blätter, Äste fliegen vorbei, es blitzt und donnert, Hagel und man steht da wie eine Actionheldin oder ein Actionheld und trotzt dem Leben. Das Problem dabei: Der Held, der steht, bewegt sich nicht. Das ist blöd. 

Ich glaube, das bessere Bild ist: Sich dem Fluss des Lebens anvertrauen und darin schwimmen lernen, die Strömung nutzen und schauen, wer da noch so schwimmt und mit wem es sich ganz gut anfühlt, aber eben auch immer wieder mal alleine schwimmen, ein paar auch wildere Passagen im Fluss ausprobieren, lernen, noch wildere Passagen ausprobieren und dabei immer wieder auf  das Bauchgefühl hören und Pausen machen: sich ans Ufer setzen, den Fluss, sich selbst darin und die anderen anschauen. Sich  dem Leben anvertrauen ist wichtig, reflektieren auch. Und dass Du da für dich die richtige Mischung findest, ist für ein gutes Leben entscheidend. Und es ist wichtig, in dem Fluss des Lebens zu schwimmen, der da ist und nicht in einem schwimmen zu wollen, den es gar nicht gibt. Das bedeutet es, sich dem Leben anzuvertrauen.

Wenn ich junge Leute beobachte und meine Generation, dann stelle ich einen Unterschied fest: Ihr redet miteinander über das Leben und über viele persönliche Themen, die wichtig sind, mit viel weniger Scham, viel weniger Cool sein wollen als wir früher. Wir wollten 80er-Jahre-mässig ultracool sein und zurückblickend waren wir es gar nicht so. Wir haben viele entscheidenden, auch tiefere
Themen des Lebens einfach ignoriert. Sprecht miteinander über das, was wichtig ist, tauscht Euch weiter aus. Ich glaube, da seid ihr besser als wir.

Wann kommen die harten Fakten? Jetzt gleich. Vorab: Als junger Mensch steht man vor den ersten eigenen Schritten und 
trägt das in sich, was man gelernt hat. Gelernt hat man das meiste von Eltern, Erziehungs- und Lehrkräften. Und gerade Eltern sind auch nur Menschen. Sie hatten auch Eltern, haben manches gekonnt, wahrscheinlich aber auch manches nicht, was für Dich als Kind oder Jugendlicher wichtig gewesen wäre. Und haben wahrscheinlich das Beste daraus gemacht, was sie damals konnten. Die meisten jungen Leute wollen es besser machen. Sie wissen ja, was sich nicht gut angefühlt hat. Und das ist richtig so.  Es besser machen wollen. Wie soll denn sonst die Menschheit lernen? Gleichzeitig ist es auch richtig, das mitzunehmen ins Leben,  was sich gut angefühlt und was auch gut funktioniert hat. Warum sage ich das? Weil Du an der Schwelle zum Erwachsenenleben vor ein paar grundsätzlichen Entscheidungen stehst.

Das Thema Geld

Das Thema Geld ist in unserer Gesellschaft sehr wichtig: Du kannst FDP wählen wollen, die Grünen oder vom weltweiten Kommunismus träumen: In dieser Welt spielt Geld eine ganz wesentliche Rolle. Wenn derzeit viele sich etwas fürchten vor den nächsten Monaten, dann deshalb, weil sie Angst haben, dass das Geld nicht reicht fürs heizen, wenn es ein kalter Winter wird.  Und warum wir gerade in Deutschland etwas Angst davor haben, dass es bergab geht, liegt auch daran, wie wir mit Geld  umgegangen sind, oder besser: Mit Geld und dem Wert, den wir mit Geld bezahlen und wo wir zuviel oder zu wenig bezahlen.
Zurück zu Dir: Geld ist kein Schulfach, das finde ich persönlich eine der schlimmsten Fehler in unserem Schulsystem. Und was wir zum Thema Geld so glauben, nehmen wir größtenteils aus dem eigenen Elternhaus mit. Ich glaube, wenn man sich fragt, warum manche zu Geld kommen und andere nicht und warum manche damit ein selbstbestimmteres Leben führen können als  andere, dann hat das viel damit zu tun, wie junge Menschen damit umgehen, was sie daheim über Geld gelernt haben. Wenn die Eltern das richtig gut konnten und Du als junger Mensch schon die Aufgabe bekommen hast, das auch so zu leben, dann hast Du  Glück: Du wirst in Dir tragen, wie es geht. 

Wenn Deine Eltern wussten, wie man mit Geld umgeht, aber Du immer nur Geld bekommen hast, ohne etwas dafür zu tun, dann wirst Du da etwas ändern müssen und Dich sinnvollerweise einmal fragen: Was haben meine Eltern denn für das Thema Geld getan, vielleicht sprechen Sie mit Dir ja darüber. Vielleicht haben Deine Eltern aber auch so viel geerbt, dass sie sich damit so gut wie gar nicht beschäftigen mussten, dann musst Du vielleicht mal bei Opa und Oma schauen ...

Wenn Deine Eltern nicht viel hatten, aber doch ganz gut über die Runden gekommen sind, dann haben sie vielleicht schwierige Startvoraussetzungen gehabt, aber doch etwas daraus gemacht. Schau es Dir in Ruhe an und rede mit Deinen Eltern  darüber. Gerade in den Sparideen Deiner Eltern können viele kluge und lebensfreundliche Ideen stecken.

Wenn Deine Eltern mit dem Thema Geld gar nicht gut umgehen konnten, dann ist nicht Hopfen und Malz verloren: Es gibt viele gute Bücher zum Thema Geld und ich versuche es mit ein paar Ideen, die ich guten Gewissens geben kann:
1. Ohne Geld… 
Geld ist nicht alles, aber ohne Geld wird es schwierig. Geld ist vor allem ein Tauschmittel: Für Geld kann man sich ein Dach über dem Kopf, Unabhängigkeit von den Eltern, die erste Reise, Bildung, bessere gesundheitliche Versorgung etc. leisten. Wer weiß, er hat Geld auf der hohen Kante, fühlt Sicherheit. Mit Geld kann man sich vieles ins Leben holen, was wichtig ist. Disclaimer: Außer Liebe. Liebe  bekommt man nur mit Liebe.

2. Rechne immer selbst
Die Welt ist voll von Versprechungen, wie Menschen zu viel Geld kommen können. Die meisten davon machen andere reich, aber nicht Dich. Und deshalb ist es wichtig, dass Du Dir fünf Grundrechenarten noch einmal herholst, und alles, was Du anlegst, einnimmst und ausgibst, selbst rechnest. Die Grundrechenarten sind addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren und Prozentrechnen (Zins und Zinseszins). Rechne bei allen Anlagen immer die Gebühren mit ein. Und lasse Dich nie auf  Geldgeschäfte ein, die Du nicht selbst rechnen kannst. 
Mache einen Plan, wieviel Kosten du im Leben hast, wieviel Einnahmen und wieviel übrig ist, führe ein Geldbuch, in dem Du Ausgaben und Einnahmen aufschreibst und immer wieder mal reflektierst. Das hilft auch für die ersten Verhandlungen, wenn es um den Berufseinstieg geht: wenn das Einkommen nicht ordentlich zu Ausgaben wie Miete, Essen, Nebenkosten (inklusive der Steigerungen, die jetzt kommen werden) reicht – vielleicht mit dem Zustupf von Eltern und Bafög oder Stipendium etc. – dann ist es nichts. Es gibt viele Unternehmen, die für junge Leute gute Bedingungen und eine gute Umgebung zum Lernen anbieten. Leider gibt es auch Unternehmen, die bieten monatelange Praktika ohne Bezahlung oder weit unter Mindestlohn an. Wenn Du für das Unternehmen Nutzen bringst, ist das kein guter „Deal“, wie man heute sagt (auf das Thema „Nutzen bringen“ gehe ich noch ein). Für eine oder zwei Wochen schnuppern hingegen ist es schon okay, wenn es mal kein Geld gibt: Da schenken Dir andere mehr Nutzen, als Du selbst bringen könntest. Und Du kannst etwas ausprobieren.

3. Gib (fast) nie mehr aus als Du hast
Die Natur oder der liebe Gott hat einen seltsamen Humor gehabt, als wir Menschen „gemacht“ wurden. Aber wahrscheinlich war  einfach nie geplant, dass wir Menschen mal so leben wie wir es heute tun. Wir haben in uns, dass wir spüren, dass wir etwas wollen und es dann auch sofort haben wollen und oft direkt danach greifen. Das war gut, als wir als Neandertaler durch die Schwäbische Alb oder durch den Hegau gestreift sind und uns jede Brombeere am Wegesrand in den Mund gesteckt haben, damit wir möglichst viele Kohlenhydrate bekommen. Der nächste Supermarkt war schließlich Hunderttausende von Jahren weit weg. Heute ist uns das eher im Weg: Die nächste Reise ist nur zwei Klicks weg, das geile Auto auch und die neue App, die sich gerade richtig anfühlt, kann  einfach runtergeladen werden. Und wenn man das Geld dafür gerade nicht hat, dann kann man einen Kredit aufnehmen oder später bezahlen. Finger weg davon! In unserem Verein Menschen helfen e.V. helfen wir immer wieder Menschen, die sich in den Krediten und Späterbezahl-Angeboten so verstrickt haben, dass sie nur noch von anderen abhängig sind und sich gar nichts mehr leisten können.

Allerdings: Es kann Sinn machen, gute Angebote zu nutzen, um in die eigene Bildung, in Wissen und Erfahrungen zu investieren, die
man später im Leben wieder zu Geld machen kann. Gute Angebote für Ausbildungs- oder Studienfinanzierungen sind die, die Du selbst nachrechnen kannst, vergleichst und eine realistische Idee hast, wie Du damit in deinem weiteren Leben umgehen kannst. Es lohnt sich, sich um Stipendien und um Bafög zu bemühen, auch wenn das viel Formularkram ist. Es lohnt sich, in der erweiterten Familie über Lebenswege und -träume zu sprechen. Manchmal beteiligen sich Menschen gerne am werdenden Weg der  jungen Leute, wenn sie daran irgendwie teilhaben können.

4. Zeit ist Geld?
Wir hatten früher den Spruch „Zeit ist Geld“. Ich glaube nicht, dass der noch so Geltung hat und dass der allzu zukunftsfähig ist. Zeit ist Zeit, Geld ist Geld. Deine Lebenszeit ist wertvoll. Und wie aus Zeit Glück werden kann, steht weiter oben… Geld ist ein Tauschmittel, Zeit nicht. Außer dort, wo sich Menschen gegenseitig gute Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Es lohnt sich darüber  einmal zu sinnieren oder mit Freundinnen und Freunden zu reden.

5. Zinseszinseffekt und der Lohn der Jahre
Als junger Mensch rechnet man, hat viele Wünsche und freut sich total, dass man endlich eigenes Geld hat. Und dann will man leben, man hat ja lange genug mit den Beschränkungen des eigenen Elternhauses gelebt. Und dabei vergessen die meisten etwas Wesentliches. Den Zinseszinseff ekt: wenn Du ab 20 jeden Monat 100 Euro anlegst, in einen guten ETF oder dergleichen, dann hast  Du bei einer jährlichen Rendite von 5 % in 40 Jahren 48.000 Euro angelegt und bekommst 148.856 Euro.

Achtung allerdings: Die Inflation, die ja mal weniger oder mal mehr zuschlägt, ist abzuziehen, wenn es um die Frage geht, wieviel das Geld dann wert ist. Vielleicht ist der Gegenwert dann aus heutiger Sicht eher 90.000 Euro oder 120.000 Euro.

Viele Menschen denken gerade: So unsicher wie die Welt ist, macht Sparen sowieso keinen Sinn. Ich glaube nicht, dass das auf den richtigen Weg führt. Und: Sparen, also Verzicht üben, ist ein gutes Training. Wer das kann, der kann langfristig denken und handeln. Und langfristig denken und handeln ist zwar nicht so Instagram- oder Snapchatfähig wie die Konsumverlockungen, aber: Wer im Alter fitt ist, weiß, dass seine täglichen Gewohnheiten ihn dahin gebracht haben und der Verzicht auf das eine oder andere Genussmittelchen, die erfolgreichsten Unternehmen der Welt sind nicht langfristig erfolgreich wegen einer tollen Idee, nach der „man es geschaft hat“, sondern weil sie die richtigen und zielführenden Gewohnheiten immer gelebt haben. Mit Sparen kannst Du also Deinen entscheidenden Erfolgsmuskel stärken.


Und jetzt der Trotz

So zwischen 12 und 17 oder 18 hilft uns der Trotz, uns von unseren Eltern zu lösen. Erwachsen zu werden. Mit manchem nicht einverstanden zu sein. Raum zu gewinnen, um eigenes auszuprobieren. Und danach? Bleibt der Trotz als Fähigkeit. Als Fähigkeit, nein zu sagen. Zu anderen, aber auch zu Impulsen, die wir selbst haben. Der Trotz ist die Stärke, nein sagen zu können, zur verlockenden Urlaubsreise auf Kredit, zum Jobangebot, was kurzfristig etwas Geld bringt, aber Dich eigentlich von Deinem Weg abbringt, zu verlockenden Angeboten, die Du eigentlich gar nicht willst. Mit Deinem Trotz kannst Du nein sagen, selbst denken und vor allem Zeit gewinnen, um in Ruhe gute Entscheidungen zu treffen. 

Praktiker oder Theoretiker?

In den letzten Jahren habe ich etwas beobachtet, was mich immer mehr befremdet: Euch, den jungen Leuten, wird von ganz vielen empfohlen, doch unbedingt zu studieren. Viele haben so Erfolg und setzen mit dem Studium, was passt, sicher den richtigen Grundstein für eine gute Karriere. Viele von Euch studieren allerdings auch, wissen eigentlich nicht genau was, probieren halt mal was, machen dann einen leidlichen Abschluss und irren von Praktikum zu Praktikum. Das ist schade, macht mich traurig. Viele von Euch sind vielleicht eher praktisch veranlagt, handwerklich. Können eher auf das reagieren, was gerade ist, eher anpacken und zupacken als Theorien zu entwickeln oder Sachverhalte über Wochen hinweg analysieren.

Für die praktisch Veranlagten, die schon immer lieber bastelten als diskutierten, die schon daheim immer schnell mal was repariert haben und nicht die Freunde vieler Worte waren, die Mathe gut fanden, wo es zum Leben dient, aber irgendwann raus  waren, als sie nicht mehr wussten, für was es gut sein soll: Das Handwerk, leider in Sachen Eigenwerbung und attraktiver Eigendarstellung oft etwas zurückhaltend, bietet mittlerweile Hunderte von Ausbildungen an für die, die eben mit den Händen etwas tun wollen. Und Deutschland ist in vielem nicht mehr Weltspitze, aber in einem schon: Wir haben ein Ausbildungssystem, in dem junge Menschen eine Ausbildung machen können, mit dem Meistertitel gleichzeitig Bachelor sind und dazu noch in dieser ganzen Zeit gutes Geld verdienen können. Es lohnt sich, sich damit zu beschäftigen.

Ganz persönlich meine ich dazu: Wir erleben in Deutschland gerade, wie immer mehr Regeln und Ansprüche auf die Realität treffen.  Und wir haben zu viele Regeln und Ansprüche, denen wir gerecht werden wollen, an vielen Stellen bekommen wir gar nicht mehr das,  was wir eigentlich wollten, weil Regeln und Ansprüche sich gegenseitig ausschließen. Es fehlen an allen Ecken und Enden praktisch denkende und veranlagte Menschen, die beurteilen können: geht das oder geht das nicht? Wie geht es? Menschen, die vom Ergebnis her rückwärts denken können. Und die dann auch umsetzen. Mit Ergebnisverantwortung. Das lernt man in der Praxis gut - und eben im Studium eher nicht.

So ein Tisch, der geschreinert werden will, den muss man sich vorher klar vorstellen können, weil alle Arbeitsschritte müssen dann zum Ergebnis führen. Diese Qualität brauchen wir wieder mehr in der Gesellschaft. Das heißt nicht, dass wir nicht Menschen  brauchen, die sich mit Wissenschaft und Theorie beschäftigen. Aber: In der Ausbildung lernst Du, wie man kaufmännisch rechnet, wie man so kommuniziert, dass Verlässlichkeit entsteht, wie man verkauft , wie man Dinge so umsetzt, dass es ein Ergebnis gibt, das man vorher definiert. Und das alles lässt sich auch in Politik, Journalismus, Verwaltungen und Führung hervorragend einsetzen.

In unserem Bildungssystem ist vieles schief: Wie wir mit anderen Menschen gut zurecht kommen, wie das mit Familie und mit Geld geht, lernen wir in der Schule viel zu wenig. Aber das duale Bildungssystem, die Chance, in der Praxis zu beginnen und danach noch zu studieren, und unsere Weitbildungsmöglichkeiten, die sind einzigartig - einzigartig gut. Wer gerne andere Menschen begleitet, sie versteht, und es schön findet, wenn es anderen gut geht, der ist vielleicht in einem sozialen Beruf gut aufgehoben: Pflegekräfte, Erzieherinnen, Hausärzte, Psychologen: Überall fehlen diese Menschen. Das kann ein guter Weg sein, wenn er einem  liegt. Und: Selbst wenn aus heutiger Sicht die Arbeitsbedingungen im einen oder andern sozialen Beruf wirklich nicht gut genug sind: Wer jung ist, der kann für andere Bedingungen kämpfen. Und das Rad der Geschichte dreht sich weiter. Vielleicht kommen,  wenn viele dafür kämpfen, immer mehr Menschen zur Einsicht, dass das sich um Menschen kümmern gut bezahlt sein muss. Die Jugend verändert die Welt – so oder so. 

Studieren

Ich habe nie studiert und manchmal bereue ich das. Meistens aber nicht. Sicher scheint mir: wenn Du studierst, studiere etwas, was dich wirklich interessiert und mit was Du Dir vorstellen kannst, auch etwas anzufangen. Die sichere Karriere gibt es nicht. Als ich jung war, waren die Zeitungen voll davon, dass viele Lehrerinnen und Lehrer arbeitslos sind. Warum? In den 70ern haben sehr viele auf Lehramt studiert und dann waren plötzlich zu viele Lehrer da. In den 90ern brach die Konjunktur ein und viele Ingenieure wurden arbeitslos. Dann gab es weniger Menschen, die ein Ingenieurstudium begonnen haben. Und plötzlich waren in den 2000ern viel zu wenig Ingenieure da. Ich bin mir sicher, dass die am ehesten Erfolg haben, die das studieren, was Sie wirklich interessiert, von dem Sie glauben, dass Sie da etwas können und von dem Sie überzeugt sind, dass es sinnvoll ist. Das Studium ist wie die Ausbildung auch der Anfang, nicht das Ende des Berufsweges. Es sollte also ein guter Anfang sein. Und Lust machen auf das, was auf dem Berufsweg noch kommt und eine Basis sein für das Wissen, was im Lauf des Lebens dazukommt.

Nutzen bringen 

Geld ist ein Tauschmittel. Und in der Arbeitswelt ist Geld das Tauschmittel nicht für Leistung, sondern für Nutzen. Leistung bringen bringt nichts, wenn die Leistung niemand nutzt. Ich finde wichtig, dass man das versteht. Es geht in der Wirtschaft darum,
dass Du das, was Du kannst, so tust, dass es anderen nutzt. Und dabei kann man Chefin, Chef oder die Kollegen auch einmal fragen, was von dem, was man da tut, nutzt und was man besser machen kann. Der Spruch „Wer fragt, führt“, ist richtig. Der führt auch ein besseres eigenes Leben… 

Die, die sich schon jung selbständig machen und Erfolg haben, die sind darin Meister: Sie wissen oft intuitiv, was anderen nutzt. Für alle anderen gilt: Fragen kostet nichts, aber bringt Erfahrung. Und Erfahrung bringt Intuition.

Die erste Wohnung

Die erste Wohnung sollte vor allem bezahlbar sein. Und man muss heute leider einrechnen, dass die Energiekosten steigen werden.  Die sollte so sein, dass man sich darin wohlfühlt. Dass man in der eigenen Wohnung gut Pause machen kann. Die erste Wohnung ist das erste eigene Nest. So ähnlich sollte es sich auch anfühlen. Dabei ist es auch gut, wenn das erste eigene Nest mit anderen geteilt wird. Von kreditfinanzierten Möbelkäufen ist abzuraten. Es gibt erstens günstige Möbel für Ersties und zweitens gibt es viele Menschen, die Möbel übrig haben. Das spart nicht nur Geld, sondern kann, etwas Bastelgeschick vorausgesetzt, auch richtig Spaß machen. Und ist nachhaltig dazu. 

Wen suche ich mir als Mentoren?

Kurz vor dem Schlusswort noch etwas ganz Wichtiges: Ich kenne niemanden, der es ganz alleine geschaft hat, nach oben zu kommen, Erfolg zu haben, im Leben das zu tun, was ihm wirklich wichtig ist. Wenn Menschen ehrlich über ihren Lebensweg reden, dann gibt es da andere Menschen, mit denen sie reden konnten, die sie beobachtet haben, Dinge nachgeahmt haben oder bewusst anders gemacht haben. Das müssen nicht immer Chefin oder Chef sein: das kann auch die Arbeitskollegin, der  Arbeitskollege, Opa, die Oma oder eine Lehrerin oder ein Lehrer sein oder der Fußballtrainer. Man spürt, wenn so ein Mensch ins eigene Leben kommt. Man spürt es, weil man irgendwie spürt, dass das, was der Mensch sagt oder was er tut oder wo er dagegen ist, irgendetwas mit einem selbst zu tun hat. Meine Erfahrung im Leben ist: Es gibt nicht die eine oder den einen Mentor*in im Leben. Es sind mehrere. Für eine Zeit ist die oder der richtig, dann wieder jemand anders. Menschen, die eine gewisse Reife  besitzen, wissen das und pochen nicht darauf, für Dich auf Lebenszeit ein Mentor zu sein oder wollen gar, dass sie exklusiv Deine Lehrerin oder Dein Lehrer sind.

Wenn Du das Gefühl hast, dass Du einer guten Mentorin oder einem Mentor begegnet bist, dann ist es gut, dass Du diesen Menschen mit Respekt begegnest, Interesse zeigst und Neugierde. Und dass Du trotzdem immer wieder reflektierst, was für Dich passt und was nicht. Und es ist gut, wenn Du dafür dankbar sein kannst. Und gleichzeitig weißt: Der Mentor hat auch etwas davon, weil er mal wieder die Gelegenheit hat, das eigene Denken und Fühlen abzugleichen mit einem anderen Menschen, der auf dem Weg ist und es große Freude machen kann, daran teilzuhaben, wie andere Menschen sich im Fluss des Lebens bewegen. Wir Menschen sind soziale Wesen. Alleine schaft es niemand.

Schlusswort

Alle Tipps in diesem Text sind subjektiv, sind meine Meinung. Das wichtigste ist: Bewerte die Tipps selbst, sei anderer Meinung, wenn Du denkst, dass Dich deine andere Meinung zu einem bessere Ergebnis führt, weil: Es ist Dein Leben, für das wir vom Wochenblatt Dir von Herzen alles Gute wünschen.

Autor:

Anatol Hennig aus Singen

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