Imposante Wanderung über den Brenner in der Färbe
Zum Land wo die Zitronen blühn
Singen (of). Einen großartigen Spielzeitauftakt hatte die Färbe in ihrem Jubiläumsjahr mit der Premiere von »111 – Übern Berg«. Denn mit dem Musiktheater, das durch die Kooperation von Starautor Detlef Vetten mit dem in Singen geborenen Komponist Fabian Dobler unter der Regie von Peter Simon zur Uraufführung kam, macht sich das Ensemble mit Milena Weber, Alexander Klages und Elmar F. Kühling auf den Weg über den Brenner. Dies allerdings virtuell, denn das Schauspieler-Trio bewegt sich das ganze Stück über nicht von seinen Stühlen. Die Reise wird zum Abenteuer in den Köpfen der Besucher.
Der Brenner, der wohl meistgenutzte Alpenpass an der Grenze zwischen Österreich und Italien, hinein ins Land »Wo die Zitronen blüh’n«, wie Goethe gern zitiert wird, bietet viele Mythen und Geschichten. Die Besucher der Färbe werden auf eine Nachtwanderung mitgenommen - von Nord nach Süd. Entgegen dem derzeitigen Strom von Menschen, die auf der Flucht ein anderes Land suchen, in dem anderes blüht als Zitronen. Kalt soll es werden. Schnee ist im Anzug, und die Menschen schütteln den Kopf über den Wanderer, der diesen Pass mit einem Gewaltmarsch für sich entdecken will – und der dabei vielen Episoden entdeckt. Auch Flüchtlinge tauchen auf, die ihm in Person eines Grenzers nur indirekt begegnen – aus einer Geschichte, die ihm in dieser Nacht erzählt wird. Die Liebeslust begegnet ihm verführerisch mit einer Wirtin, doch er muss ja weiter. Wanderer soll man schließlich nicht aufhalten.
Und viele Geschichten über den Pass und die Reise gehen ihm durch den Sinn. Ein wirkliches Abenteuer im Kopf ist dieses »111 – Übern Berg«, das sehr effektvoll in den Zweiklang von Klavier (Fabian Dobler) und Akkordeon (Antje Steen) eingewebt wird. Beethovens Klaviersonate 32, op. 111, liefert die Vorlage für die klangliche Reise, mit der der zu dem Zeitpunkt schon taube Komponist sozusagen seine letzte große Reise angetreten hat. Allerdings nicht in das Land, in dem die Zitronen blüh’n.
Ein Meisterwerk ist es geworden. Auch weil sich Theater damit neu erfindet, indem es musikalisch wird und indem die Weite der Klänge in der Basilika ihren neuen Rahmen finden kann. Ein Hörspiel, bei dem man fast die Augen schließen sollte, um sich den virtuellen Abenteuern, die von den Akteuren auf ihren Stühlen gesponnen werden, besser widmen zu können.
»111 – Übern Berg« wird in der Basilika der Färbe gespielt bis zum 20. Oktober, jeweils mittwochs bis samstags um 20.30 Uhr. Kartenreservierungen unter der Telefonnummer 07731/6 46 46.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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