Unternehmen zeigen Flagge gegen die Rezession
Wirtschaft in der Region im Auf und Ab

Rezession oder nicht. Es bewegt sich viel in der Wirtschaft der Region. Im Bild das symbolische Abschalten der Kohlenutzung am Singener Standort von Constellium. Im Bild rechts das Unternehmen Transco, das den Strom vom Dach zum gerne zum Tanken der neuen E-LKW nutzen würde. Unten der Standort von Brooks in Steißlingen, wo noch dieses Jahr mit einer zweiten Fabrik begonnen werden soll, im Bild rechts die Vorstellung der neuen Zentrale der Unternehmens "Kammerer Media Group" | Foto: Fiedler/ Constellium/ Transco
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  • Rezession oder nicht. Es bewegt sich viel in der Wirtschaft der Region. Im Bild das symbolische Abschalten der Kohlenutzung am Singener Standort von Constellium. Im Bild rechts das Unternehmen Transco, das den Strom vom Dach zum gerne zum Tanken der neuen E-LKW nutzen würde. Unten der Standort von Brooks in Steißlingen, wo noch dieses Jahr mit einer zweiten Fabrik begonnen werden soll, im Bild rechts die Vorstellung der neuen Zentrale der Unternehmens "Kammerer Media Group"
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Kreis Konstanz. Das Thema Wirtschaft fühlt sich derzeit an wie eine Achterbahnfahrt, und zwar eine, die auch fährt. Während am Montag, 29. April noch mit "Rezession" in den Medien getitelt wurde, gab es am Dienstag, 30. April, Zahlen vom Statistischen Bundesamt, die nun doch wieder von einem ganz leichten Wachstum von 0,2 Prozent sprechen, als das Thema Rezession dann zum nächsten Quartal wieder aufflammen könnte. Und auch hier in der Region wechseln sich die Aufs und Abs munter ab. Wie es der regionalen Wirtschaft geht, zeigen einige Schlaglichter aus dem Mittelstand hier - die großen Unternehmen mit den meisten Arbeitsplätzen sind da leider zugeknöpft.

Schon der Blick auf den regionalen Arbeitsmarkt zeigt, dass unsere Region ihre eigene Gewichtung hat. „Auch im April entwickelte sich der Arbeitsmarkt am Bodensee und in Oberschwaben vergleichsweise verhalten und blieb hinter den saisonal üblichen Erwartungen zurück“, stellte Mathias Auch, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg am Mittwoch, 1. Mai, in seiner Bilanz fest. Und dass es derzeit zu wenig Bewegung auf dem Arbeitsmarkt gebe.

„Handwerk ist ein sehr heterogener Wirtschaftsbereich. Auch in bewegten Zeiten zeigen sich die Betriebe insgesamt stabil, da sie oft flexibel aufgestellt sind. Was wir jedoch feststellen, ist eine nach wie vor große Unzufriedenheit über die Bürokratie und Verunsicherung auf allen Seiten, die einen echten Aufschwung hemmt“, sagt Werner Rottler, Präsident der Handwerkskammer Konstanz in der Bilanz fürs erste Quartal. „Viele Betriebe gehen auf Nummer sicher und investieren nur bedingt“, so Rottler weiter.

Viele Blickrichtungen

Wie unterschiedlich die Situation der Region ist und dass es durchaus den Willen zur Aufbruchstimmung in der Region trotz mancher Fußfessel gibt, zeigen die Anfragen bei einigen Unternehmen.
In Steißlingen zeigt sich zum Beispiel der Ableger des US-Konzern "Brooks", der dort im neuen Gewerbegebiet "Vor Eichen" das europäische Reparaturzentrum für Kryopumpen und Waferhandhabungsroboter aufgebaut hat, will schon nach vier Jahren hier im Gewerbegebiet einen zweiten Standort errichten, hat dafür das Grundstück bereits erworben und ist im Baugenehmigungsverfahren wie auf Nachfrage des WOCHENBLATTs Johanna Babutzki, Assistentin der Geschäftsleitung, bestätigte. Man wolle auch in diesem Jahr mit Bauen beginnen, denn die Erweiterung der Kapazität werde dringend gebraucht. Die große Aufgabe sei es freilich nun auch, rechtzeitig qualifiziertes Personal zu finden. Der europäische Standort bedeutet laut Medienberichten Rückenwind im Handelskrieg der USA mit China.

Für die Zukunft stellt sich auch das Singener Logistikunternehmen Transco ein: Die Solardächer sind Symbol, nun beginnt das Unternehmen Schritt für Schritt, die Flotte erst mal auf E-LKW umzustellen und investiert dafür ganz schön viel Geld, wie Geschäftsführer Christian Bücheler im Gespräch mit dem WOCHENBLATT sagt. Da geht es tatsächlich auch um die mehrfache Herausforderung: Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage müssen wir schon Geschäftsrückgänge von 10 Prozent in diesem Jahr hinnehmen. Vor allem, weil die Baugewerke derzeit schwächeln und auch der Automobilsektor, der in der Auto-Zulieferstadt Singen ja eine besondere Rolle im wirtschaftlichen Erfolg spielt, stockt. Investieren, heißt hier für Bücheler am Markt bleiben. Die ersten sechs E-LKW sind nun seit Januar unterwegs. Und auf das "E" würden auch Kunden immer mehr bestehen, ist der Transport schließlich auch Teil ihrer CO₂-Bilanz, macht Bücheler die Notwendigkeit des Schritts deutlich, eben noch bevor man Brennstoffzellen als Alternative für längerer Strecken habe. Freilich: Nicht nur in die LKWs muss gewaltig investiert werden, sondern auch in eine sehr starke Ladeinfrastruktur, die Bücheler pro Ladepunkt auf 150.000 Euro schätzt. Das habe man voll zu stemmen. Politisch fehlt ihm die Perspektive: Die E-LKW sind in Deutschland bis Ende 2025 von der Maut befreit, in der Schweiz zum Beispiel bis 2030. Da wisse man, worauf man sich einstellen könne.

Viel Tatendrang ist derzeit auch aus dem Stockacher Gewerbegebiet Himmelreich im Ortsteil Hindelwangen zu verspüren. Dort baut sich gerade das Maschinenbau-Unternehmen "Zorn" einen neuen Standort, um weiter im Markt wachsen zu können. Dort hat sich auch der Medizintechnik-Spezialist "Kammerer Medical Group" aus mehreren Standorten auf eine Zentrale konzentriert, um mit mehr Effizienz weiter zu wachsen. Mit dem bisherigen Tempo ist Uli Kammerer, der das Unternehmen mit seinem Sohn Christopher leitet, hier zufrieden. "Wir haben es geschafft in zwölf Monaten hier von der Grünen Wiese zum ersten Span an den Maschinen zu kommen", sage er bei einem Unternehmertreffen der Wirtschaftsförderung Stockach. Und die "Bürokratie" hat das Unternehmen für die Kunden auf die Hörner genommen, indem es die nötigen Dokumentationen für sie erstellt, mit einem eigens entwickelten Programm, das sozusagen "vollautomatisch" laufe. Und auf solch nachhaltigen Kundenkontakten könne man auf gutem Grund aufbauen, zumal in der Medizin- und Chirurgietechnik der Chancen zum Wachstum im Markt gut sind. Kurzum: zu den drei im letzten Jahr dort erbauten Produktionshallen sollen bald weitere drei dazu kommen können, die planerisch von Anfang an mit vorbereitet wurden, wie bei dem Treffen informiert wurde.

Constellium Singen als Teil eines globalen und börsennotierten Konzern schweigt zwar beharrlich auf Anfragen zur Lage am Standort, lieferte aber doch ein wichtiges Signal zur Zukunft des Werks Singen mit der Meldung, dass das Heizkraftwerk der ALU in Singen von Kohle "ab sofort" auf Gas umgestellt werde. "Dies ist ein wichtiger Meilenstein für Constellium, für unser Werk und für die Stadt", sagte Jochen Chwalisz, Geschäftsführer von Constellium Singen beim symbolischen Abschalttermin letzte Woche. "Mit diesem Schritt schließen wir das Kapitel der Kohlenutzung bei Constellium ab und gehen in die nächste Phase unserer Nachhaltigkeitsreise."

Herrmann Püthe, Geschäftsführer des Unternehmens Inpotron aus Hilzingen nimmt das Wort Rezession aber klar auf in sein Statement zur aktuellen Lage. Das Unternehmen hatte für den April in der Produktion - nur in der Produktion, wie Püthe betont - Kurzarbeit angemeldet gehabt. Im Mai werde man wieder voll arbeiten. "In der Elektro- und Digitalindustrie, die unser Verband ZVEI vertritt, sehen wir seit Monaten eine deutlich rezessive Phase. Die schwächelnde Baukonjunktur trifft das Unternehmen, da die dort genutzte LED-Technik rund 25 Prozent des Umsatzes ausmache. Auch die Investitionsgüterindustrie, wie der Maschinenbau, oder komplexe Messmittel seien stark durch die veränderte Zinslage beeinträchtigt, Investitionen würden aktuell verschoben. Die Großindustrie leidet unter den hohen Energiekosten, die ihre Wettbewerbssituation am globalen Markt schwäche. Püthe fehlt es an politischen Signalen dazu: "Ich glaube, in den Führungsgremien ist noch nicht angekommen, dass die aktuelle Marktlage unbedingt Impulse für einen Gegentrend benötigt", schreibt er dem WOCHENBLATT. Dank hoher Diversifizierung sei Inpotron weniger betroffen als andere Unternehmen der Branche.  "Insgesamt sehen wir bei Inpotron im Vergleich zu 2023 einen aktuellen Rückgang des Umsatzes von fünf Prozent bis zur Jahresmitte. Dies ist jedoch auch ein Stück weit zu relativieren, denn wir hatten zu Beginn 2023 ein sehr gutes Geschäft und daraufhin Personal eingestellt, welches wir sehr gerne halten möchten. Daher auch das Mittel der Kurzarbeit."

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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