Interview mit einem Spaziergänger aus dem Wochenblatt-Land
»Wir sind wie ihr: Menschen mit Angst«

Spaziergänger | Foto: Rund 1.000 Spaziergänger gingen auch am Montagabend wieder in Singen die Straße wie die Polizei auf Anfrage bestätigte jnd wie es das aktuelle Bild zeigt. In Radolfzell wie Konstanz seien es an diesem Abend rund 500 gewesen, in Stockach etwa 400, 100 in E
  • Spaziergänger
  • Foto: Rund 1.000 Spaziergänger gingen auch am Montagabend wieder in Singen die Straße wie die Polizei auf Anfrage bestätigte jnd wie es das aktuelle Bild zeigt. In Radolfzell wie Konstanz seien es an diesem Abend rund 500 gewesen, in Stockach etwa 400, 100 in E
  • hochgeladen von Ute Mucha

Singen/ Region. Die Begegnung war anonym, das Gespräch offen. Der »Spaziergänger«, der der Wochenblatt-Redaktion bekannt ist, stellte sich den Fragen und zeigte auf, warum ihn seine Überzeugung, seine Ängste und Zweifel auf die Straße treiben.
Der 57-jährige Familienvater arbeitet im medizinischen Bereich und gründete vor einigen Monaten in den sozialen Medien eine Gruppe, die mittlerweile 180 Mitglieder zählt. »Wir tauschen uns aus und unterstützen uns gegenseitig«, erzählt er. Für ihn ist es das erste Mal, dass er für eine Sache demonstrieren geht.
Wochenblatt: Wer sind die Menschen in Ihrer Gruppe, die montags »spazieren« gehen?
Spaziergänger: Wir sind kritische BürgerInnen aus der Mitte der Gesellschaft, wir sind parteiunabhängig, informieren uns über das Virus und orientieren uns an Fakten.
Wochenblatt: Was machen Sie, wenn Ihre Gruppe von Rechtsextremen, gewaltbereiten Demonstranten oder Coronaleugner unterwandert wird?
Spaziergänger: Wir würden sofort reagieren und diese aus unserer Gruppe ausschließen. Bei den »Spaziergängen« vor Ort würden ich und andere direkt eingreifen und auch die Polizei auf extreme Teilnehmer hinweisen.
Wochenblatt: Wie gehen Sie damit um, wenn »Spaziergänger« mit Extremisten gleichgesetzt werden?
Spaziergänger: Ich empfinde diese Diskreditierung als richtig heftig. Wir sind keine Rechtsextreme, keine Reichsbürger und keine Coronaleugner. Mit diesem Schubladendenken machen es sich die Leute zu einfach, urteilen pauschal und wollen sich nicht mit einer anderen Meinung auseinandersetzen. Es ist einfacher in der Masse mitzuschwimmen als gegen etwas zu sein. Das ist anstrengend und macht keinen Spaß.
Wochenblatt: Warum machen Sie das dann?
Spaziergänger: Weil ich der Überzeugung bin, dass diese Maßnahmen falsch sind und wir enorm unter Druck gesetzt werden. Das geht so nicht, da muss ich auf die Straße gehen.
Wochenblatt: Gegen was genau demonstrieren die »Spaziergänger« in Ihrer Gruppe?
Spaziergänger: Viele Menschen sind verzweifelt über die Corona-Maßnahmen, die oft medizinisch nicht begründet und logisch nicht nachvollziehbar sind. Viele haben Existenzängste, sorgen sich um ihre Kinder, haben das Vertrauen in die Politik verloren und möchten dies deutlich machen.
Wochenblatt: Die meisten »Spaziergänge« werden nicht angemeldet und es gibt keinen Versammlungsleiter. Auch werden Maskenpflicht und Abstand nicht eingehalten. Warum halten Sie sich nicht an diese demokratischen Grundregeln?
Spaziergänger: Die »Spaziergänge« sind spontane Treffen, man weiß nie, wie viele Menschen daran teilnehmen. Sollte sich weiterhin immer mehr »Spaziergänger« montags treffen, werden wir über die Anmeldung diskutieren. Masken im Freien zu tragen, sehe ich als wenig sinnvoll an, da die Ansteckungsgefahr sehr gering ist, was auch Aerosolforscher bestätigen. Über die »Spaziergänge« nehmen wir ein Grundrecht in Anspruch und dies mit friedlichen Demonstrationen ohne Gewalt. Denn mit Gewalt hat man schon verloren.
Wochenblatt: Was sind Ihre konkreten Forderungen?
Spaziergänger: Wir wollen keine Impfpflicht, sondern wollen über unseren Körper frei verfügen. Viele Menschen stehen der Impfung gegen das Virus kritisch gegenüber und können dies auch mit Studien von Virologen und Medizinern begründen.
Wochenblatt: Aber viele renommierte Mediziner und Virologen befürworten die Impfpflicht als einzigen Weg aus der Pandemie!
Spaziergänger: In den öffentlichen Diskussionen kommen immer dieselben Experten zu Wort. Es gibt aber auch Fachleute, die eine andere Meinung dazu haben. Da würde ich mir kontroverse Diskussionen mit unterschiedlichen Meinungsträgern wünschen.
Wochenblatt: Für oder gegen was gehen Sie noch demonstrieren?
Spaziergänger: Wir wollen einen freien Zugang zur Bildung, der zum Beispiel nicht immunisierten Studenten derzeit verwehrt ist. Warum reicht hier nicht eine 3G-Regelung mit Test? Damit könnte auch der Handel besser leben. Gerade diese Ausgrenzung der Nicht-Geimpften am gesellschaftlichen Leben durch die 2G-Regelung ist ein wichtiger Punkt unseres Protestes. Ungeimpfte werden ausgeschlossen und stigmatisiert. Wo liegt der Unterschied zwischen getesteten Geimpften und getesteten Ungeimpften? Die 2G-Regelung ist in unseren Augen unverhältnismäßig und unmenschlich.
Wochenblatt: Aber sind diese Regelungen als Schutz vor einer Überlastung der Intensivstationen durch nichtgeimpfte Infizierte und aktuell durch die hoch ansteckende Omikron-Variante nicht doch sinnvoll?
Spaziergänger: Die Politik hat sich bisher auch nicht dafür interessiert, wenn das Gesundheitssystem in der Vergangenheit überlastet war. Und die Schließung von Krankenhäusern in Pandemiezeiten bestätigt dies noch.
Wochenblatt: Welche Folgen befürchten Sie durch die Coronaregeln?
Spaziergänger: Durch diese übertriebenen Regeln wie Lockdown, 2G- und 2G-Plus-Regelung entsteht ein Kollateralschaden für die Wirtschaft und für die Zivilgesellschaft, vor allem für Kinder und Jugendliche. Das ist eine ebenso große Gefahr wie die permanente Angst, die seit Monaten in der Bevölkerung verbreitet wird und auch zur Spaltung in der Gesellschaft führt.
Wochenblatt: Wie wollen Sie dem konkret entgegen wirken?
Spaziergänger:
Es ist wichtig, dass man respektvoll miteinander umgeht, auch die Andersdenkenden wahr- und ihre Bedenken ernst nimmt. Wir suchen Antworten und sind diskussionsbereit. Ich verurteile die Impfbefürworter nicht, ich kann mich in ihre Lage versetzen. Für mich sind sie keine Schlafschafe, sondern Menschen, die Angst haben. Wie wir auch. Deshalb müssen wir uns zusammen an einen Tisch setzen und einen Kompromiss finden, der uns wieder zusammenführt. Dazu wäre ich und sicher auch andere Spaziergänger bereit. Und ich hoffe, dass sich durch Omikron die Pandemie in eine Endemie entwickelt und dadurch die Impfpflicht vermieden werden kann.

Autor:

Ute Mucha aus Moos

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.