Interview von Carmen Scheide mit Journalist Oleg Reshetilo in Kobeljaki
"Wir haben bereits seit acht Jahren Krieg"

Kobeljaki | Foto: Dr. Carmen Scheide bei einem früheren Besuch in Kobeljaki in der Klinik, schon zu Zeiten des Ostukraine-Konflikts. swb-Bild: PR
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  • Foto: Dr. Carmen Scheide bei einem früheren Besuch in Kobeljaki in der Klinik, schon zu Zeiten des Ostukraine-Konflikts. swb-Bild: PR
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Singen. Wie ist die Stimmung in der Bevölkerung von Kobeljaki, der ukrainischen Partnerstadt von Singen? Angesichts eines drohenden Angriffs aus Russland auf die Ukraine, der seit Wochen im Raum steht, hat die ehrenamtliche Partnerschaftsbeauftragte, Carmen Scheide, mit dem Journalisten Oleg Reshetilo ein Interview dazu geführt. Reshetilo war früher Landrat des Rayons Kobeljaki und arbeitet heute als Journalist für verschiedene Medien. Zugleich ist er im Stadtrat und betreibt die facebook-Seite „Kobeljaki heute“ (https://www.facebook.com/groups/kobelyaky). Seine spontane Antwort war eindeutig: „Wir haben hier in der Ukraine bereits seit acht Jahren Krieg.“

Damit verweist er auf den bisher ungelösten Konflikt in der Ostukraine, der 2014 begann und wo nach wie vor gekämpft wird und Menschen immer wieder durch Waffengewalt sterben. Auch auf dem Friedhof von Kobeljaki gibt es einige Gräber von Gefallenen. Oleg Reshetilo erzählt, dass das Leben im Gebiet Kobeljaki bislang ruhig verlaufe und es keine Anzeichen von Panik gäbe. Sorgen würden sich die Menschen aber schon. Jedoch sei die Ukraine heute besser militärisch aufgestellt als 2014, da es seither mehr als sechs Mobilisierungswellen für den Wehrdienst gegeben habe. Dadurch seien über 300.000 wehrfähige Ukrainer militärisch ausgebildet. Ein Kontingent von einigen Tausend sei aktiv an der umkämpften Kontaktlinie in der Ostukraine im Einsatz.

Dennoch hoffe man auf eine diplomatische Lösung. Und Oleg Reshetilo betont, dass die Menschen in der Ukraine Vertrauen in den Präsidenten Wolodymyr Selenskij und die Regierung haben, dass die Verantwortlichen eine Verhandlungslösung finden.

Seine Worte zur politischen Rolle Deutschlands sind sehr deutlich: „Von der jetzigen Regierung sind wir tief enttäuscht. Sie helfen uns nicht, sondern sind Freunde von Russland. Sie wurden mit russischem Gas gekauft. Die 5000 Helme, die in die Ukraine geschickt wurden, sind ein Witz. Uns helfen die Engländer, Kanadier und Amerikaner mit Waffen. Aber nicht nur Deutschland sondern auch die EU sind eine herbe Enttäuschung. Wieder ist die Ukraine ein Spielball der Großmächte, die Geschichte wiederholt sich. Leider.“

Für ihn geht es bei dem derzeitigen Konflikt um Geopolitik. Aber die Ukraine dürfe nicht zerteilt werden, weshalb die besetzten Gebiete in der Ostukraine, die „Separatistengebiete“ auch nicht anerkannt werden dürften. Denn dann seien sie für die Ukraine verloren. Im Alltag sei das Miteinander von Russen und Ukrainern ganz normal, da habe sich auch durch das neue Sprachengesetz, das keine rein russischsprachigen Medien mehr erlaubt, auch nichts geändert.

Was die Städtepartnerschaft anbelangt, wünscht er sich mehr gegenseitige Informationen. Er fragt nach, wie der Singener Oberbürgermeister zu der Freundschaft zwischen Singen und Kobeljaki stehe. Und will seinerseits mit dem Stadtoberhaut von Kobeljaki, Oleksandr Kopelez, über Ideen für eine aktivere Partnerschaft sprechen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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