Trauer um Singens Gedächtnis
Wilhelm Waibel ist im Alter von 89 Jahren verstorben

Wilhelm Waibel im Jahr 2022 bei einer Kundgebung nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. | Foto: Fiedler/Archiv
  • Wilhelm Waibel im Jahr 2022 bei einer Kundgebung nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine.
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Singen. Der Historiker Wilhelm Waibel ist tot. Der Ehrenbürger der Stadt Singen ist in der Nacht auf Samstag, wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag, verstorben, wie aus Familienkreisen bekannt wurde. Mit ihm geht ein Mann, der sich unermüdlich für die Aufarbeitung der Nazi-Zeit in Singen, für die Erinnerung an das Schicksal der Zwangsarbeiter, für deren Entschädigung und für Versöhnung eingesetzt hat.

Als "Gedächtnis der Stadt" wurde er bezeichnet. EIn Titel, den er sich redlich verdient hatte. Denn die Philosophie des Singener Geschichtsforschers war Aufarbeitung und Erinnerung statt Vergessen und Schweigen. 1934 geboren erlebte Wilhelm Waibel die Schrecken des Krieges selbst mit. Er erlebte, wie am Weihnachtstag 1944 Bomben niedergingen. Dazu sagte er viele Jahre später: "Ich sah zum ersten Mal in meinem jungen Leben eine Leiche. Es war eine polnische Zwangsarbeiterin."

Er machte eine Ausbildung zum Industriekaufmann und war später als leitender Angestellter bei Georg Fischer in Singen und Byk Gulden in Konstanz tätig. 1997 ging er in den Ruhestand. Seit 1961 beschäftigte er sich mit der Geschichte des Zweiten Weltkriegs in Singen, wobei er oft auf verschlossene Türen und Abweisung traf.

Das stoppte den Heimatforscher allerdings nicht in seinem Bestreben. Im Gegenteil: "Umso intensiver wurde dann mein Suchen nach der Wahrheit", sagte er 2016 in seiner Rede zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde. Sein Einsatz für Aussöhnung spiegelte sich dabei nicht nur in seinen Nachforschungen wider, sondern ebenso in seinem Handeln. So initiierte er die Städtepartnerschaft zwischen Singen und der ukrainischen Stadt Kobeljaky, die 1993 eingegangen wurde.

Auch in seien späteren Lebensjahren wurde Wilhelm Waibel nicht müde, sich für Frieden und das Miteinander einzusetzen. Er war Gast bei Lesungen und Diskussionsrunden in der Region und darüber hinaus. 2019 erschien der Dokumentarfilm "Der Chronist" von Marcus Welsch über das Wirken des Historikers. Und nach der Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wirkte Waibel bei Solidaritätskundgebungen mit.

Autor:

Tobias Lange aus Singen

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