Erfahrungsbericht zum virtuellen Stadtlauf
Wenn das eigene Hobby dem Gemeinwohl zugutekommt
Singen. Ein Lauf steht an und man selbst kann nicht mit dabei sein. Bei manchen solcher Veranstaltungen wäre es so, dass man dann einfach Pech hatte und all der Trainingsaufwand umsonst war. Nicht jedoch beim ersten gemeinsamen Stadtlauf der Lebenshilfe Hegau-Bodensee und der Volksbank – Die Gestalterbank. So boten die Veranstalter hier einen sogenannten virtuellen Lauf als Alternative an, bei dem man vom 1. April bis 5. Mai egal wie, ob mit Rollschuhen, mit dem Rad oder den Wanderstöcken Kilometer für den guten Zweck sammeln und dies dann zu Hause eintragen konnte. Für mich war dies auch eine Gelegenheit, nach langer Zeit der Trainingsabstinenz etwas für den eigenen Körper zu tun.
Ich muss zugeben, dass ich relativ spät auf die Idee kam, bei dieser Version mitzumachen. Erst durch ein Telefonat mit Simone Monné, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Hegau-Bodensee, habe ich wieder diese Lust darauf bekommen, endlich wieder das zu tun, was ich privat neben Filme schauen am liebsten mache. Die Laufschuhe waren dann beim ersten Mal nach gut acht Monaten ohne Training schneller geschnürt als ich dachte. Und doch fragte ich mich, warum ich so lange gewartet habe. Alles Fragen half hier aber nicht, sondern mein eigener Wille, das jetzt durchzuziehen – für die gute Sache und für mich.
See-Ausblick als Belohnung
Für meine ersten 10,8 Kilometer setzte ich mir gleich zu Beginn das Ziel: belohne dich, wenn du ankommst. So war der Entschluss gefasst, von meiner Wohnung aus in das nahegelegene Radolfzell zu laufen. Bei etwas Wind und Sonnenschein ging es am Radolfzeller Aachried die Bundesstraße entlang an die Stadt am See – besser und schöner geht es nicht. Die Belohnung erhielt ich dann nach der Hälfte der Strecke, als ich am Seeufer ankam: einen wunderschönen Ausblick auf den Bodensee! Nach einer kurzen Pause ging es dann die selbe Strecke wieder zurück bei der ich zwei Kilometer vor dem Ziel merkte, wie stark mein Oberschenkel brannte. Der Fehler war schnell gefunden und zwar bin ich die Sache zu rapide angegangen. Also kurz Tempo rausgenommen und weiter ging es. Der Spruch „Ich brenne für diese Sache“ wurde in diesem Moment für gut 25 Minuten knallharte Wirklichkeit.
Mit viel Fokus zum Ziel
Der zweite Lauf führte mich aus spontaner Entscheidung heraus an die Stadt unterm Hohentwiel und zurück. Auf einer Strecke mit gut 90 Prozent Asphalt fand ich zwar gut in meinen Laufrhythmus sowie meine Durchschnittszeit pro Kilometer, fühlte mich jedoch als alter Geländeliebhaber sehr unwohl auf dem Belag. Jammern half hier jedoch nicht, so lief ich bei meinen zwei Halbmarathon-Teilnahmen in Freiburg 2014 und 2016 auch überwiegend auf Asphalt. Ablenkung über diese Bedingung gab mir mein Köpfhörer mit Rock/Pop-Laufmusik auf den Ohren. Zu „Human“ von der Band „The Killers“ lief es dann auch viel besser und fokussierter.
Wanderungen als Lauf-Alternative
Am selben Wochenende kam schließlich der Mann zu Besuch, der mich damals neben meiner Mutter stets zum (Ausdauer-)Lauf motivierte: mein Vater. Da dieser jedoch seine Laufsachen vergaß, ich nichts Passendes für ihn da hatte und man beim virtuellen Lauf wie bereits erwähnt auch andere Dinge als Laufen machen kann, wanderten wir – und zwar von Moos entlang des Strandbades sowie des Iznanger Yachthafens und auf dem Höhenrücken „Blatt“ an der Bürgermeister-Eiche für Alois Keller vorbei, gelangten wir über Bankholzen und deren Torkel wieder zurück zum Mooser Rathaus. Insgesamt bewältigten wir hierbei 11,5 Kilometer, worauf wir zu Hause mit einem Gläschen Wein anstießen.
Ein Tag später war dann Maifeiertag. Die Aussichten waren nicht prickelnd und doch beschlossen wir, eine traditionelle wenn auch leicht unkonventionelle Wanderung zu unternehmen. So führte unser Weg bei leicht regnerischem Wetter durch Böhringen-Rickelshausen und der Stadt Radolfzell nach Markelfingen, wo wir eigentlich den Maihock am Parkplatz zum Mindelsee besuchen wollten. Gut 2,5 Kilometer vor dem Ziel wurden wir durch ein Schild des Veranstalters darauf hingewiesen, dass der Hock abgesagt wurde. Umplanung war somit angesagt und somit war nun, nach einigen Schlenkern durch das Neubaugebiet, wo wir dem Musikverein beim Maispielen folgten, der Mindelsee selbst das Ziel. Nach gut 12,5 Kilometern machten wir auf einem Bänkle Platz und verzehrten unser „Maiverschper“. Das Wetter war zu diesem Zeitpunkt besser und die Sicht auf den See somit auch. Zurück ging es, dann wiederum aus Witterungsgründen, mit dem Zug und eine kurze Strecke zu Fuß wieder nach Überlingen am Ried.
Zum Endspurt nochmal nach Moos
„Finale, oooh“ hieß es für mich dann am 3. Mai. An diesem Tag beschloss ich sehr spontan nach der Arbeit, doch noch ein paar Kilometer für den Lauf zu drehen – schließlich spielte dankenswerter Weise das Wetter wieder mit und ich brannte wieder vor Vorfreude. Aus „ein paar“ Kilometern wurden jedoch mit 12,4 Kilometer etwas mehr als eingeplant – aber hey, was tut man nicht alles für den guten Zweck! Am Radolfzeller Aachried durch größtenteils zu meiner Freude Geländeweg führte der Weg wieder nach Moos – diesmal zum Aussichtspunkt kurz vor dem Strandbad. Auch hier wurde ich wieder mit einem wundervollen Ausblick mit Radolfzell in der Ferne belohnt, ehe ich wieder den Rückweg antrat, welcher mich an der Strecke entlang über Bohlingen über einen kleinen Stich nach Überlingen am Ried führte – der selbe Weg, den mein Vater und ich drei Tage zuvor noch mit dessen Auto zurückgefahren sind. Diesmal brannte jedoch mein Oberschenkel nicht und ich konnte den Lauf sehr genießen – ganz ohne Kopfhörer, nur die Natur, ein paar Vögel und ich! Zuhause wieder angekommen hieß es, wie bei den anderen Ausdauerläufen auch, ausdehnen und erstmal ein Glas Magnesium, um dem potenziellen Schmerz entgegenzuwirken, was auch, im Gegensatz zur Kyttasalbe, wirklich hilft. Ein (Lauf-)Indianer kennt nun mal keinen Schmerz!
Was nehme ich nun, nach insgesamt 57,4 gelaufenen Kilometern für die Lebenshilfe Hegau-Bodensee mit aus dieser Erfahrung? Zunächst einmal, dass ich nach sehr langer Zeit mal wieder das Gefühl hatte, für mindestens eine Stunde meines Lebens alles um mich herum vergessen und mich auf das konzentrieren zu können, was ich liebe – das Laufen! Zum anderen soll dies nicht nur eine Erfahrung bleiben, sondern wieder zur Regelmäßigkeit werden. So habe ich durch den guten Zweck im Sinne des Gemeinwohls gemerkt, wie schön und abwechslungsreich diese Aktivität ist sowie welche Grenzen sie einem aufzeigen kann, will man am Ende doch zu viel. Und wenn man schlussendlich durchhält und die Grenzen überwindet, dann nur, weil es stets tief in einem selbst eine bestimmte Motivation gibt, welche einen Menschen am Ende zu seiner Belohnung führt.
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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