Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine spaltet auch hierzulande
»Was, wenn es dann einfach heißt, du musst da hin?«

Symbolbild Gratwanderung | Foto: Viele der etwa drei Millionen hier lebenden Russlanddeutschen finden sich durch das Geschehen in der Ukraine in einem inneren Konflikt. // swb-Bild: Fotomontage swb mit Bildern von zhukovvvlad/monticellllo/alexandarilich@stock.adobe.com
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Landkreis Konstanz. Von dem Konflikt gespalten ist nicht nur die Ukraine selbst, sondern auch eine Vielzahl an Menschen hierzulande - egal wie end die Verbindung zum Osten ist. Über genau diese Zerrissenheit habe ich am Samstag mit einer Freundin gesprochen, die aktuell Bundeswehrsoldatin der Reserve ist und Wurzeln in Russland hat:

Wie geht es dir, wenn du etwas über die aktuellen Geschehnisse mitbekommst?

Ich bin immer ein wenig genervt, da meistens sofort eine Wertung dabei ist, sowohl in Gesprächen, als auch in den Nachrichten. Allgemein ist das Schwierige momentan, dass man nicht wirklich weiß, wo das Alles hinführt und was in Wahrheit hinter alldem steckt. Da sind zu viele Parteien in dem Ganzen und ich finde es schwierig, deutsche Nachrichten zu schauen. Da ist die NATO immer »der einzige Retter«, Russland und Putin aber das absolut Böse. Neutrale Berichterstattung sieht anders aus.

Du stehst da aktuell ziemlich zwischen den Fronten. Hast du trotzdem eine eigene Meinung zu dem Ganzen?

Nein, eine klare Meinung habe ich, wie wohl meine gesamte Generation, nicht. Wenn man sich meine Eltern ansieht, sind die noch mehr in Richtung Russland verbunden und schauen viel russische Nachrichten. Dort wird alles ganz anders dargestellt, was eine Diskussion schwierig macht. Meine Generation hält sich da eher raus. Wir kriegen alles mit, stehen zwischen den Fronten, wissen nicht, wohin wir tendieren wollen. Oder ob wir überhaupt irgendwohin tendieren wollen. Und ich finde das... einfach nur blöd.

Wird in deiner Familie überhaupt darüber geredet?

Ich habe diese Woche mal mit meinen Eltern telefoniert, um deren Meinung einzuholen, auch wenn die eine komplett andere ist. Für sie ist es schwer, meine Mutter hat zum Beispiel Verwandtschaft in der Ukraine. Ein Teil konnte vor einiger Zeit nach Russland »fliehen«, sie wurden von der ukrainischen Regierung gefragt, ob sie das Land verlassen möchten. Aber man macht sich Sorgen um die Menschen, die vor Ort geblieben sind. Auch wenn es dort momentan noch ruhig ist, sind die Leute angespannt. Das Problem ist eigentlich, dass keiner zu den Waffen greifen oder dem Anderen Schaden zufügen möchte, denn man fühlt sich wie Brüder und Schwestern. Dadurch, dass meine Eltern noch mehr Bezugspunkte zum Volk haben, nimmt die das schon mit. Und die Mediendarstellung ist im russischen Fernsehen komplett anders.

Ich kann mir vorstellen, dass es für deine Eltern schwer ist, etwas, womit sie ja aufgewachsen sind, in Frage zu stellen. Gerade wenn es die Medien eines kompletten Landes betrifft, die dort beeinflusst werden.

Die Frage ist, warum sollten unsere Informationen nicht auch manipuliert werden? In Russland zum Beispiel wurde beim Krieg im Kosovo von Aktionen der USA und deren Soldaten berichtet, die bei uns komplett geblockt werden. Das wirft auch in der aktuellen Situation Fragen auf, was von welcher Seite berichtet wird. Im deutschen Fernsehen ist da ziemlich viel Panikmache, es gibt Talkshows, Diskussionsrunden, Liveticker und alles Mögliche. Bei den russischen Sendern wird weniger darüber diskutiert und berichtet.

Hier wird wirklich sehr viel darüber berichtet und da ist auch sehr viel Meinung dabei. Und man weiß trotzdem nicht, was hinter den Kulissen abgeht. Hat die Berichterstattung überhaupt eine Chance, da was zu verändern?

Nicht wirklich, glaube ich. Die vertreten ja letztendlich die Interessen des eigenen Landes. Ja, die NATO informiert Deutschland, aber es ist die Frage, welches Ziel dahintersteckt. Die NATO propagiert einen Krieg und wartet, irgendwie reagieren zu können. Putin redet davon, die Regierung abzusetzen und der NATO Grenzen aufzuweisen. Ich glaube nicht, dass eine der beiden Medienseiten etwas daran ändern will. Es ist schwierig, neutrale Grundlagen und Infomaterial zu bekommen, das nicht schon mit Meinung vermischt wurde.

Mir ist es wichtig zu versuchen, beide Seiten zu verstehen, aber es fällt mir persönlich schwer, Putins Aussagen und das Extrem seines Handelns nachzuvollziehen. Wie ist das für dich?

Seine Ansprachen sind ziemlich aggressiv und direkt. In dem Sinne hat er eine Drohung an die ganze Welt ausgesprochen und das ist natürlich sehr überheblich. Ich weiß nicht, ob er in dem Sinn eine Eskalation provozieren will. Ich versuche, nicht jede Kleinigkeit naczuverfolgen, aber manche Sachen kriegt man einfach mit... ich weiß auch nicht, ich bin teilweise echt überfordert mit der Situation! Weil natürlich besteht auch die Gefahr, dass ich als Soldatin dorthin abgezogen werde. In der jetzigen Lage ist das noch sehr sehr unwahrscheinlich, aber im schlimmsten Fall denkt man natürlich schon nach, ja was wäre wenn, was ist, wenn es dann einfach heißt, du musst da hin?

Wohin führen diese Gedanken dann bei dir?

Dass ich eigentlich nicht hin will. Und auch nicht die Waffe gegen eine Nation erheben möchte, die in dem Sinn nichts falsch gemacht hat. Es steckt eine Person dahinter, die eine Agenda gegen eine andere Person führt. Ich meine, der Konflikt ist auch nicht von gestern auf heute entstanden, sondern geht schon fast jahrzehntelang. Du weißt nie, wer will was daraus haben, wer hat welche Vorteile dadurch? Das ist natürlich belastend, aber ich versuche es neutral zu halten und diskutiere nicht gerne mit Anderen darüber.

Aber ist es besser, die Anderen ihre Meinung haben zu lassen und die eigene für sich zu behalten oder zu versuchen, ihnen die eigene Meinung näher zu bringen?

Es ist schwierig Leute zu finden, die andere Meinungen akzeptieren, was mit Corona glaube ich auch zugenommen hat. Ich habe das Gefühl, du kannst nicht mehr mit den Leuten diskutieren, weil die teilweise so festgefahren sind in vielerlei Dingen.

Fragen: Anja Kurz

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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