Die Geschichte des Kreises
Was archäologische Funde für die Region und darüber hinaus bedeuten
Landkreis Konstanz. Der Fund des ursprünglichen Höhleneingangs vom Drexlerloch bei Engen hat vor wenigen Wochen für Schlagzeilen gesorgt. Anlässlich dieses Fundes hat sich das WOCHENBLATT mit Kreisarchäologe Jürgen Hald zusammengesetzt und mit ihm über archäologische Funde im Kreis und dessen Bedeutung darüber hinaus gesprochen.
Die Archäologie decke den Bereich ab, für den es keine bis wenige schriftliche Quellen gibt, erklärt Kreisarchäologe Hald. Das ist einerseits die Zeit vor dem Mittelalter, kann aber bis in die Neuzeit reichen, wenn Schriftquellen fehlen - etwa bei Kriegsgefangenenlagern im Zweiten Weltkrieg. "Immer dann, wenn man andere Quellen braucht." Im Kreis Konstanz liege der Schwerpunkt zwischen der Altsteinzeit und der frühen Neuzeit - ein Zeitraum von etwa 16.000 Jahren.
In den letzten Jahren aufgeholt
"In den Epochen haben wir unterschiedliche Wissensstände. Für die Altsteinzeit, was mit dem Drexlerloch momentan aktuell ist, haben wir keinen schlechten Wissensstand, weil es schon einige Grabungen gab", sagt Hald. Bei anderen Zeitaltern gebe es aber noch Lücken, die sich allerdings in den vergangenen Jahren immer weiter geschlossen hätten. "Gerade in den letzten zwei Jahrzehnten haben wir durch die immer zunehmende Bautätigkeit zwangsläufig viele Bodenquellen erschlossen, die zutage getreten sind." Dadurch füllen sich Bereiche, in denen man bisher wenige Funde hatte. So habe es im Hegaubecken zwischen Engen, Singen und Radolfzell immer viele Funde gegeben. Aber im Raum Stockach habe es "bis vor nicht allzu langer Zeit große Bereiche mit weißen Flecken" gegeben.
Auch aus den Ortskernen, wo immer die alemannischen Siedlungen vermutet werden, habe es bis vor wenigen Jahren nur wenige Funde gegeben. Doch in den vergangenen vier bis fünf Jahren habe es viele Untersuchungen in den Zentren gegeben. "Wir finden da sehr oft hochmittelalterliche Siedlungen aus dem elften bis zwölften Jahrhundert nach Christus. Aber eben nicht die alemannischen Siedlungen, die man da immer vermutet." Das bedeute, dass die Siedlungsgeschichte offensichtlich doch anders war.
Nicht nur für den Kreis von Bedeutung
Funde im Kreis haben aber nicht immer nur Bedeutung für die Region. Das trifft auch auf das Drexlerloch zu, das mit dem Fund des Höhleneingangs für den Kreisarchäologen noch spannender geworden ist. "Es ist für den süddeutschen Raum eine sehr wichtige Fundstelle mit einem sehr hohen wissenschaftlichen Potenzial", sagt er. "Ich bin gespannt, wie es weitergeht."
Das Drexlerloch ist nicht die einzige Entdeckung von regionaler und überregionaler Bedeutung. So wurde 2020 bei Allensbach eine Richtstätte ausgegraben, die zu einem bundesweiten Medienecho führte, erzählt Jürgen Hald. "Das ist eine wichtige Fundstelle, weil es wenige komplett untersuchte Richtstätten gibt." Sie gehöre zu den "Top 5 in Mitteleuropa". Auch ein steinzeitliches Dorf, das beim Bau der B33 bei der Reichenauer Waldsiedlung gefunden wurde, zählt der Kreisarchäologe zu den bedeutendsten Funden der jüngeren Vergangenheit. "Diese Siedlung - gemeinsam mit einem ähnlichen Fund aus Bodman - war wichtig, weil sie zeigt, dass sich die Menschen schon vor den Pfahlbauten am See angesiedelt haben", so der Kreisarchäologe.
Nicht zuletzt gibt es noch die Kiesgrube Kohler bei Welschingen, die den Kreisarchäologen seit vielen Jahren beschäftige. "Dort haben wir auf zehn Hektar eine riesige keltische Siedlung untersucht. Dort gibt es aber auch Römer, da gibt es Bronzezeit, da gibt es auch seltene, jungsteinzeitliche Gräber", zählt Hald auf. "Wir haben in diesem Jahr ein Stück keltischen Weg gefunden und das ist ein toller Fund, weil er sehr viel aussagt über die Organisation und Struktur der frühen Kelten."
Autor:Tobias Lange aus Singen |
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