Interview mit dem Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler
»Von einem Lockdown in den nächsten geht nicht«

Bernd Häusler | Foto: Der Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler spricht im Interview mit dem Wochenblatt über das, was er an der Coronapolitik nicht verstehen kann und berichtet, warum er Singen für gut aufgestellt hält um wieder gut aus der Krise herauszukommen. swb-Bild:
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Singen. Der Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler spricht im Interview mit dem Wochenblatt über die Aspekte der Corona-Politik, für die er kein Verständnis hat und erklärt, warum er Singen gut gewappnet sieht, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.

Wochenblatt: Durch die Corona-Pandemie ist im Moment vieles eingeschränkt. Gilt das auch für die Gestaltungsspielräume die der Singener OB und der Gemeinderat haben?
Bernd Häusler: So stark eingeengt wurde unser Gestaltungsspielraum bisher nicht. Natürlich hat uns das Thema Finanzen nachhaltig getroffen. Wir wissen nicht genau, wie sich das in den nächsten ein bis zwei Jahren entwickeln wird, gerade auch was Steuern und Finanzzuweisungen angeht. Wenn da weniger Geld eingenommen wird, wovon auszugehen ist, dann kann es durchaus sein, dass der Gestaltungsspielraum bei größeren Investitionen beeinträchtigt wird. Aber es gibt ja viele Möglichkeiten zu gestalten, sei es im kulturellen oder sozialen Bereich, wo man etwas mit Bürgern zusammen gestalten kann, ohne große Beträge auszugeben. Viele große Projekte haben wir in den vergangenen Jahren ja schon umgesetzt, wie die Umgestaltung der Fußgängerzone oder den neuen ZOB. Ich denke also, dass wir als Stadt auch in Zukunft noch einen großen Gestaltungsspielraum haben, auch wenn größere Investitionen sich dann vielleicht etwas länger hinziehen werden.

Wochenblatt: Sie haben gerade die Umgestaltung der Innenstadt angesprochen. Da hat sich Singen in den letzten Jahren ja sehr herausgeputzt. Haben Sie die Befürchtung, dass es dort nach dem Lockdown trotzdem plötzlich viele Leerstände gibt?
Bernd Häusler: Ich mache mir schon Sorgen um den Singener Einzelhandel, auch wenn ich glaube, dass Singen als großer Einzelhandelsstandort mit vielen Leuchttürmen wie Karstadt, Cano, aber auch großen Playern wie Heikorn, Zinser, Sport-Müller und Sport-Schweizer und natürlich den vielen kleineren Geschäften auch nach dem Lockdown wieder die Menschen aus dem Umland anziehen wird. Auch wenn der Ein- oder Andere gemerkt hat, dass es bequem sein kann im Internet zu bestellen. Die Entwicklung, die die Stadt genommen hat, gemeinsam mit Investoren, Händlern und den Unternehmerinnen und Unternehmern, hat dazu geführt, dass das Thema Wohlfühlatmosphäre und Einkaufen als Erlebnisfaktor deutlich verstärkt wurden. Damit wollen wir auch weiter punkten und das wollen wir mit der Stadt und Singen aktiv weiter stärken. Natürlich gehört zum reichhaltigen Angebot von Singen aber auch unsere Südstadt mit ihren vielen Fachmärkten. All das sorgt dafür, dass Singen ein Anziehungspunkt ist, wenn es um das Thema Einkaufen geht.

Wochenblatt: Wenn Sie das Thema Onlinehändler grade ansprechen: Was halten Sie von einer Paketabgabe für die großen Online-Riesen, wie sie letztes Jahr im Gespräch war?
Bernd Häusler: Ich fände gut, wenn so etwas kommen würde. Der Ein- oder Andere würde sich dann sicher überlegen, ob er fünf Hosen zum anprobieren bestellt und vier wieder zurückschickt. Denn man muss auch sehen, dass dieses ganze Konzept in keinerlei Hinsicht nachhaltig ist. Deshalb fände ich richtig, wenn es hier Abgaben gäbe, um das Ganze ein bisschen zu steuern. Solang jeder versandkostenfrei bestellen und zurückschicken kann, wird sich nichts tun. Internethandel an sich ist ja richtig, es ist Teil unserer Zeit und viele stationäre Händler vor Ort bieten es ja auch an, aber gerade im Hinblick auf die großen, die, wie man hört nicht mal bei uns Steuern zahlen, wäre eine gewisse Lenkung sehr wichtig, denn sonst fließt Geld ab, dass auch uns als Kommunen wieder fehlt um Dinge für unsere Bürgerinnen und Bürger umzusetzen.

Wochenblatt: Gibt es, abgesehen von dem was in den letzten Jahren schon getan wurde, um das Einkaufserlebnis in der Innenstadt zu verbessern, sonst noch etwas, das die Stadt tun kann, um den wirtschaftlichen Neustart nach dem Lockdown zu erleichtern?
Bernd Häusler: Dahingehend sind für uns als Kommune die Möglichkeiten sehr eingeschränkt. Wir haben ja letztes Jahr bereits die Sondernutzungsgebühren für unsere Innenstadtbetriebe, sowohl Handel als auch Gastronomie erlassen. Singen Aktiv ist jetzt dabei für den Neustart eine Kampagne zu starten um den Handel zu unterstützen. Was wir allerdings nicht tun können, ist Geld in den Handel zu pumpen, um Gewinnausfälle auszugleichen. Das ist die Sache von Land und Bund.

Wochenblatt: Vor Ostern war ja die Bewerbung als Modellkommune für weitergehende Öffnungsschritte ein Thema, bei der sich auch Singen beteiligt hat. Kam inzwischen dazu mal eine Antwort aus Stuttgart?
Bernd Häusler: Es kam keine spezielle Antwort an uns. Wir haben ja dann auch gesagt, dass wir uns bei der Bewerbung des Landkreises beteiligen, damit wir gemeinschaftlich in der Region wieder vorankommen. Insgesamt haben die steigenden Zahlen vor Ostern dann aber dazu geführt, dass das Land erstmal alle Modellprojekte auf Eis gelegt hat. Jetzt warten wir ab, wie es die nächsten Wochen weitergeht.

Wochenblatt: Wie müsste es Ihrer Meinung nach denn jetzt im Hinblick auf Öffnungen oder Modellprojekte weitergehen?
Bernd Häusler: Das ist eine schwere Frage. Ich maße mir nicht an, eine Entscheidung treffen zu können, wie es jetzt weitergehen soll. Dazu fehlen mir einfach auch zu viele Informationen. Da gibt es Experten aus dem Bereich der Virologie oder vom Robert-Koch Institut, die die Lage deutlich besser einschätzen können. Was ich aber schwierig finde, ist das Thema Handel. Ich ganz persönlich kann nicht verstehen, warum ich ganz normal in den Supermarkt, ins Gartencenter oder den Baumarkt gehen kann, aber keine Hosen kaufen darf. Klar ist eine Begründung, dass man vermeiden möchte, dass viel los ist in den Innenstädten, aber ob das der Weisheit letzter Schluss ist um die Pandemie in den Griff zu bekommen, das halte ich persönlich für fraglich. Ich fände es gut, wenn der Einzelhandel zumindest Click & Meet anbieten dürfte. Schwieriger ist es bei der Gastronomie, da müsste auf jeden Fall getestet werden. Das Ziel muss sein, eine Strategie für ein Leben mit dem Virus zu finden. Von einem Lockdown in den nächsten, das geht nicht! Auch hier werden neben dem Impfen neue Ansätze benötigt, die allen eine Perspektive eröffnen. Soviel Normalität wie möglich mit soviel Sicherheit wie möglich!

Wochenblatt: In Singen steht dieses Jahr ja auch noch eine Oberbürgermeisterwahl an. Wie schwer glauben sie, wird ein Wahlkampf in Corona-Zeiten?
Bernd Häusler: Das ist natürlich die große Frage, wie man Wahlkampf macht, wenn man nicht den gewohnten Rahmen nutzen kann. Normalerweise ist gerade das das schöne am Wahlkampf, dass man viel unterwegs ist und mit vielen Leuten ins Gespräch kommt, dass man diskutieren und Fragen beantworten kann. Das ist unter Corona-Gesichtspunkten natürlich außerordentlich schwierig. Man muss dafür also wahrscheinlich größtenteils auf Online-Formate ausweichen, aber das ist einfach nicht das selbe wie direkter Kontakt. Es wird also spannend, aber andere haben es auch geschafft, das hat man ja jetzt auch bei der Landtagswahl gesehen. Auch da gab es spannende Formate. Die Frage ist natürlich immer, wie viele Leute man damit erreichen kann.

Wochenblatt: Die Krise hat uns ja viele neue Worte gebracht, eines davon ist »mütend«, eine Mischung aus müde und wütend. Es soll die Stimmung ausdrücken, die sich nach Monaten im Lockdown immer mehr ausbreitet. Sind Sie auch mütend oder überwiegt nach wie vor der Optimismus?
Bernd Häusler: (lacht) Ich bin nicht müde und auch nicht wütend. Aber manchmal durchaus ein bisschen angefressen. Nicht zuletzt deshalb, weil man keine richtige Verlässlichkeit mehr hat. Das macht auch uns das Arbeiten sehr schwer. Vieles muss man einfach aus dem Ärmel schütteln. Ich bin aber nach wie vor optimistisch. Wir haben sehr schnell Impfstoffe gefunden und ich hoffe, dass das Impfen jetzt noch stärker anläuft. Wir bekommen auch mit, dass das Tempo drüben im Impfzentrum anzieht. Deshalb denke ich, dass wir zum Ende des Sommers wieder in eine gewisse Normalität hinein kommen. Darauf freue ich mich sehr, denn im Moment fehlt einfach vieles.

- Dominique Hahn

Autor:

Redaktion aus Singen

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