"Alice hinter den Spiegeln" in der Basilika
Träume einen kleinen Traum von mir..
Singen. Was ist Fantasie und was ist noch real? Unter anderem diese Frage stellte sich Lewis Carroll, als er mit "Alice in den Spiegeln" die Fortsetzung zu den Geschichten des jungen Mädchens schrieb. Oder war es am Ende doch Alice selbst, die sich das alles ausdachte? Dies und vieles mehr erfuhr das Publikum bei der umjubelten Premiere des Stücks vom Färbe-Ballett in Kooperation mit dem Theater am 24. April in der Basilika.
Manchmal, so hatte man auch an diesem Abend das Gefühl, ist das Leben doch irgendwie wie ein Schachspiel. Entweder man ist mit seinem Zug erfolgreich und kommt voran oder man bleibt stehen und wird zum "Bauernopfer". So oder so fasziniert "Alice in den Spiegeln", das nicht umsonst zu einer der bedeutendsten Kinderromane der Literaturgeschichte zählt und Alice Lidell, die Tochter des Dekans des Christ Church College von Oxoford, Henry George Lidell zum Vorbild hat. Dabei erzählt es die Geschichte der gleichnamigen Titelheldin, welche sich in die Welt hinter den Spiegeln des Kaminzimmers begibt und dort neben einem sprechenden Ei und tanzenden Fahrkarten auf die verrücktesten Figuren trifft.
Auf diesem Weg, während dessen sie sich, oft umgeben von überdimensionalen Schachfiguren, von der kleinen, weißen Bauernfigur zur Königin entwickelt, stellte Choreografin Ines Kuhlicke die Zuschauer tatsächlich nicht selten vor die Frage, was den nun echt ist und was sich Alice Lidell, die als Vorbild der Buchvorlage gilt, ausgemalt hat. Dabei sprach und agierte die "echte" Alice, gespielt von Alexandra Born, meist auch direkt mit der "fantastischen" Alice, getanzt von Emilie Ende und Amelie Hausam, vor und in den Spiegeln, was im Endeffekt zu einem nahtlosen Übergang zwischen den spielerischen Sequenzen und den perfekten wie wundervoll gestalteten Tanzelementen beitrug. Gerade hier konnte man vor allem den Allerkleinsten unter der Leitung von Jazz Illing den Spaß am Tanzen förmlich aus dem Gesicht lesen, zauberte deren Leistung nicht nur bei OB Bernd Häusler ein Lächeln auf die Lippen.
Dabei folgte dieser Übergang nicht grundlos, wie Kuhlicke gegenüber dem Wochenblatt verriet: "Die gezeigten Tanzszenen spiegeln auch eins zu eins die jeweilige Passage aus dem Buch wider, was hier wiederum wichtig war, um die gesamte Handlung voranzutreiben."
Und wenn gespielte Abschnitte aufpoppten, wussten auch die Akteure dort, mit ihrem Spiel zu überzeugen. Dies zeigte sich wunderbar bei Dina Roos und Magdalena Herzberg, denen man vor allem bei der wahrscheinlich unterhaltsamsten Szene des ganzen Stücks, der "Zugfahrt über das Schachfeld", ihre große Spielfreude anmerkte. Doch ob man wirklich 1.000 Pfund pro Wolke oder dem Schaffner denselben Betrag pro Minute zahlen muss, blieb danach im Unklaren.
Auch das vielschichtig interpretierbare Ende zwischen den Rittern und Alice kurz vor dem Erreichen des achten Feldes und somit ihrer Krönung, die sichtliche Verwirrung von der tanzenden Alice inmitten aller seltsamer Wesen, der sie auf dem großen Schachfeld begegnete, sowie das glückliche Zuklappen der literarischen Vorlage von der realen Alice neben dem kleineren Schachbrett ließ die Frage nach Realität und Fantasie erneut in den Vordergrund rücken. So hatte genau dieses Finale den Anschein, als dass wirklich Lidell selbst das Werk, für welches sie als Vorbild diente und wie ihre Schwestern von Lewis Carroll in die Geheimnisse des Schachspiels eingeweiht wurde, zu Papier brachte. Vielleicht sind es eben diese Geheimnisse, welche Alice in diesem Moment zur Flucht aus den Spiegeln trieb und dem Publikum nach diesem Schachspiel des Lebens das Gefühl gab, nun wirklich den Spiegel vorgehoben zu bekommen, nur um ihnen dadurch zu vermitteln: Ihr alle träumt gerade meinen kleinen Traum.
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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