Eine neue Aktion gegen das Vergessen
Sieben neue "Stolpersteine" für Singen
Singen. Am kommenden Sonntag, 19. März, ab 13 Uhr, sollen in Singen weitere sieben Stolpersteine verlegt werden durch die Singener Initiative Stolpersteine. Bereits 89 solcher Stolpersteine wurden in Singen für die Opfer der Nazi-Diktatur durch den Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt, rund 80 seien aktuell hier noch für spätere Aktionen auf der Liste, sagte Hans-Peter Storz von der Initiative Stolpersteine im Rahmen eines Mediengesprächs am Montag.
„So ein Verbrechen darf nicht mehr geschehen“, meint Hans-Peter Storz als Vorsitzender der Initiative Stolpersteine Singen, und das aus gutem Grund. Denn aktuell hätten sich die Zeiten wieder in die Richtung Hass und Diskriminierung gewandelt, wenn man das Geschehen in sozialen Netzwerken betrachte, und die steigende Zahl an Vorfällen, die andere Menschen ausgrenzen.
„Uns als Stadt war es schon vor der Initiative immer schon wichtig, an diese schreckliche Zeit zu erinnern“, machte OB Bernd Häusler deutlich. Man stelle sich als Stadtgesellschaft der Geschichte.
Axel Huber, eigentlich Mobilitätsbeauftragter in der Stadtverwaltung, kümmert sich als geschichtsinteressierter Mensch und studierter Historiker hier immer wieder um die Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit in der Stadt, in der es trotz der Bücher der ehemaligen Stadtarchivarin Reinhild Kappes und von Willi Waibel zu diesem Thema noch viel aufzuarbeiten gibt. Trotz der Listen tauchen tatsächlich auch immer wieder neue Namen auf. Vor allem aus dem Bereich der politisch Verfolgten wie auch der von „T4“-Betroffenen (Euthanasie von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen).
Durch einen Zufall war man da auf die Familie Schatz gekommen. Durch familieninterne Recherchen im Stadtarchiv wurde der Name für die Initiative bekannt: Johann Nepomuk Schatz, der damals in der Radolfzeller Straße 24 wohnte, wurde als Epileptiker mit psychischen Ausnahmezuständen von den Nazis zwangssterilisiert und starb zum Kriegsende nach dem Aufenthalt in verschiedenen „Heilanstalten“ den Hungertot. Ihm soll, auch im Namen der Familie, am Sonntag, 19. März, 13 Uhr, an der Radolfzeller Straße 24 gedacht werden, wo die diesjährige Aktion startet.
In der Bahnhofstraße 33 soll ein weiterer Stolperstein für Olga Rigling verlegt werden. Sie kam 1943 in die Heilanstalt Emmendingen und starb im November 1944 in der Tötungsanstalt Hadamar angeblich an „Altersirrsinn“. In der Anstalt kamen alleine rund 15.000 Menschen mit psychischen Auffälligkeiten ums Leben, weiß Axel Huber.
Fünf Stolpersteine sollen für die Familie Kless dann zum Abschuss ganz draussen in der Schaffhauser Straße 107 geben. Ein „Rotfront Gruß“ an einem bierseligen Abend am 1. Mai 1933 habe den Familienvater ins Visier der Schergen gebracht, da wurde die ganze Familie mit hineingezogen, konnte sich aber noch dem tödlichen Griff der Machthaber entziehen. Trotzdem ist das ein Beispiel für Axel Huber, wie hier Nachbarn durch ihre Hinweise eigentlich relativ unbescholtene Personen in die Arme der Nazi-Justiz trieben.
Der Verein selbst macht gerade einen Generationenwechsel durch. Der stellvertretende Vorsitzende Dr. Heinz Kapp ist ja bekannterweise viel zu früh verstorben und die Gründer werden langsam älter. Deshalb wäre die Initiative sehr froh, wenn sich neue Geschichtsinteressierte als neue Mitstreiter gewonnen werden könnten. Die Verlegung am kommenden Sonntag wäre eine gute Gelegenheit zum Kennenlernen, meint Hans-Peter Storz.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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