Zur Umsetzung der Istanbuler Konvention
Schulungskonzept soll Behörden für Gewalt an Frauen sensibilisieren

Von links: Torsten Kalb (Fachbereich Jugend, Soziales und Ordnung Stadt Singen), Linda Kelmendi (Integrationsbeauftragte Stadt Singen), Harald Fischer (Polizei Singen), Thomas Pöppel (Ortspolizeibehörde Singen) und Claudia Zwiebel (Frauen- und Kinderschutz Singen). | Foto: Philipp Findling
  • Von links: Torsten Kalb (Fachbereich Jugend, Soziales und Ordnung Stadt Singen), Linda Kelmendi (Integrationsbeauftragte Stadt Singen), Harald Fischer (Polizei Singen), Thomas Pöppel (Ortspolizeibehörde Singen) und Claudia Zwiebel (Frauen- und Kinderschutz Singen).
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Singen. Einige Behördenmitarbeiter kommen nicht selten in Kontakt mit Frauen, die unmittelbar von Gewalt betroffen sind. In naher Zukunft bietet der Verein Frauen und Kinderschutz Singen diesen Mitarbeitern Schulungen, um Betroffene besser unterstützen zu können.

Hierzu wurde in Kooperation mit dem Rechts- und Ordnungsamt der Stadt Singen ein Konzept ausgearbeitet, welches die Umsetzung der mittlerweile gesetzlich ratifizierten Istanbuler Konvention, dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, vorsieht. "Die Gewalt soll durch diese Art von Prävention von den Mitarbeitenden erkannt und diese besser für das Thema sensibilisiert werden", erklärte Claudia Zwiebel, Vorstandsmitglied beim Frauen- und Kinderschutz Singen. 

Förderung von "Demokratie leben"

Singen sei in dieser Sache dabei sogar Vorreiter für Schulungen von Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, so Zwiebel. Das Schulungskonzept wird laut Torsten Kalb, Fachbereichsleiter für Jugend, Soziales und Ordnung der Stadt Singen, bei Kosten von 10.000 Euro zu 80 Prozent vom Bundesprogramm "Demokratie leben" finanziert, den Rest stemmt der Verein. Die im nächsten Jahr vorgesehenen Schulungen werden über Landesmittel finanziert, wodurch für die Stadt Singen keine weiteren Kosten entstehen.
Bei den Schulungen werde unterschieden zwischen Basisschulungen, worin die BehördenmitarbeiterInnen unter anderem über die verschiedensten Gewaltformen sowie die Istanbuler Konvention aufgeklärt werden, und Bedarfsschulungen, worin bei kurzfristigen Anfragen der jeweilige Fall erstmal konkreter betrachtet wird und danach dann handelt.

Häusliche Gewalt immer brutaler

Gewalt, so Zwiebel, begegne MitarbeiterInnen in Behörden nahezu überall. Dies zeigen unter anderem auch aktuelle Zahlen der Kriminalstatistik, wonach die Gewalt an Frauen bundesweit im Vergleich zum Vorjahr um 6,5 Prozent zugenommen hat. "Die häusliche Gewalt wird immer brutaler", erzählt Harald Fischer, Sachbearbeiter für häusliche Gewalt bei der Polizei Singen. Vor allem geflüchtete Frauen seien in letzter Zeit massiver davon betroffen als zuvor. Neben versuchten Tötungsdelikten oder auch der Androhung einer Tötung gehöre laut Claudia Zwiebel dabei auch psychische Gewalt zu den häufigeren Fällen. "Auch digitale Gewalt sind hier keine Seltenheit, so ist die heutige Technik mittlerweile so weit, dass die Männer Handys oder Laptops der Opfer problemlos orten können", zeigte Thomas Pöppel von der Ortspolizeibehörde Singen auf. "Zudem erhalten wir auch oft Anrufe von Kindern und Jugendlichen, deren Mütter unmittelbar betroffen sind", so Harald Fischer.
Eine Möglichkeit, betroffene Frauen vor ihren Peinigern zu schützen, sei der sogenannte "Platzverweis", wie Thomas Pöppel erläuterte. "Hierbei identifiziert die Polizei bei Alarmierung der Frau selbst vor Ort den Aggressor und setzt diesen vier Tage vor die Tür." In dieser Zeit wird mit den Behörden die Situation geklärt und die Betroffene hat die Möglichkeit, für einen Antrag auf Wohnungszuweisung gemäß dem Gewaltschutzgesetz zu stellen sowie den Platzverweis hierfür um zwei Wochen zu verlängern. "Da das Amtsgericht dies meist nicht einhalten kann, erfolgt meist eine erneute Fristverlängerung", so Pöppel. "Viele Betroffene", so Thomas Pöppel, "wollen nicht ins Frauenhaus, da sie meist nicht über die Möglichkeit Bescheid wissen und ein möglicher Platzverweis des Mannes ein Umbruch ihrer Existenz bedeuten kann." Durch die Schulungen der Behörden soll ihm zufolge eine bessere Aufklärungsarbeit für die Behörden erfolgen.

Gute Vernetzung

Die Vernetzung, so Harald Fischer, sei mittlerweile so gut, dass man seitens der Verwaltung des Konstanzer Polizeipräsidiums Fälle im ganzen Landkreis vermitteln könne. Man möchte zudem laut Linda Kelmendi, Integrationsbeauftragte der Stadt Singen, auch völlig isolierten Frauen helfen, Unterstützung gibt es hierbei von Lisa Burmeister, die als mobile Sozialarbeiterin mit dem Projekt "Migrantinnen stärken" der Deutschen Angestellten-Akademie unterwegs ist.
Für die Schulungen sollen laut Torsten Kalb unter anderem die Familienberatung mit einbezogen werden. "Auch Mitarbeitende im Jugendmigrationsdienst oder auch der Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte sollen hieran teilnehmen", ergänzt Linda Kelmendi. Die Schulsozialarbeit wurde bereits für die im Frühjahr 2025 geplanten Schulungen Kalb zufolge bereits angefragt, bei weiteren Abteilungen werde man noch nachhaken, um das Angebot so niederschwellig wie möglich zu halten.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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