Zuversicht in der Suchthilfe
„Man muss sich in Erinnerung rufen, was gut gelingt.“

Jana Schneider und Lars Kiefer arbeiten eng mit Suchtkranken und deren Angehörigen zusammen. Für beide spielt dabei Zuversicht eine wichtige Rolle.  | Foto: Tobias Lange
  • Jana Schneider und Lars Kiefer arbeiten eng mit Suchtkranken und deren Angehörigen zusammen. Für beide spielt dabei Zuversicht eine wichtige Rolle.
  • Foto: Tobias Lange
  • hochgeladen von Tobias Lange

Singen. Lars Kiefer und Jana Schneider von der Fachstelle Sucht arbeiten täglich mit suchtkranken Menschen und deren Angehörigen. Sie erzählen, wie wichtig Zuversicht für ihre Arbeit ist.

WOCHENBLATT: Bei Aufwind geht es grob gesagt um Unterstützung für Kinder von Suchtkranken. Aber erzählen Sie doch man, was da dahintersteckt.

Lars Kiefer: Das ist ein Angebot, das seit über 23 Jahren im Landkreis etabliert ist, in dem Kinder von suchtbelasteten Familien Unterstützung erfahren. Der Blick der Suchthilfe war früher nur klientelorientiert. Dass Kinder und Jugendlichen auch Unterstützung brauchen, rückte erst vor 20 Jahren in den Fokus.
Beim Start der Kindergruppe vor 23 Jahren finanzierte die Landesstiftung Baden-Württemberg, neben sechs weiteren Beratungsstellen, auch unseren Standort mit Projektmitteln. Das Angebot stieß auf konstant große Resonanz und etablierte sich zu einem festen Arbeitsfeld, welches aber weiterhin über Spenden und Projektmittel finanziert wurde. 2018 haben wir dann von der Herzenssache eine Förderung über drei Jahre bekommen, die dann coronabedingt sogar verlängert wurde. Damit konnten wir dann eine 50-Prozent-Stelle finanzieren.

WOCHENBLATT: Die Förderung lief dann aber auch irgendwann aus.

Lars Kiefer: Ja. Der Landkreis hat jetzt für drei Jahre diese Finanzierung übernommen. Das Herzenssache-Projekt endete im August 2023. Wir haben eine Anschlussfinanzierung beantragt, die wir höher positioniert haben, weil der Bedarf gestiegen war.

Jana Schneider: Da war es nicht immer einfach, zuversichtlich zu sein. Wir wurden dann aber kurz vor Weihnachten richtig überrascht.

Lars Kiefer: Also hatten wir eine 75-Prozent-Stelle beantragt und dann auch bis 2026 genehmigt bekommen. Das war für uns ein großes Glück, dass es trotz Haushaltslage und dem Thema Klinikneubau geklappt hat. Da haben wir schon ein bisschen gebibbert.

WOCHENBLATT: Wie sieht denn eigentlich die Arbeit in den Gruppen aus?

Jana Schneider: Wir treffen uns in drei Gruppen. Eine in Radolfzell, die anderen in Singen. Die Radolfzeller Gruppe ist eine altersgemischte Gruppe und in Singen hat es sich so ergeben, dass es jetzt eine reine Mädchengruppe und eine reine Jungengruppe gibt. Da gibt es dann auch unterschiedliche Bedürfnisse und auch verschiedene Zugänge.
Die Mädchen chillen gerne. Da kann ich einen Impuls reingeben und das schiebt sich dann quasi von selber an. In meiner Jungengruppe ist viel Action, da ist viel Bewegung. Wir sind viel draußen unterwegs. Da gibt es auch mal den Raum, sich zu messen. Jede Gruppe ist unterschiedlich. Und trotzdem gibt es Zusammentreffen, bei denen alle Kinder auch zusammenkommen. Das ist, glaube ich, etwas, was sie dann auch genießen.

WOCHENBLATT: Kommen wir zum Thema Zuversicht. Welche Rolle spielt Zuversicht bei Ihrer Arbeit für Sie? Und welche Rolle spielt sie bei Ihren Schützlingen?

Lars Kiefer: Die Ratsuchenden kommen manchmal sehr gebrochen hierher. Wir versuchen diesen Menschen ein Wegbegleiter zu sein in gesünderes Leben und auch zu zeigen, dass es immer eine Lösung gibt. Wir versuchen, für alle da zu sein. Für die Angehörigen und für die Betroffenen.
Es ist ja auch so, dass immer über die Probleme gesprochen wird: über das Flugzeug, das abgestürzt ist. Aber es wird nie über die Flugzeuge, die alle gelandet sind, geredet. Wir sprechen auch öfters über die Rückfälle, als über die gelungenen Therapieerfolge. Man muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, was alles gut gelingt. Das gilt auch für uns als Team, wir brauchen für uns immer wieder den Zuspruch und die Zuversicht, dass unsere Arbeit auch eine Wertigkeit hat.

Jana Schneider: Ich glaube, Zuversicht ist sowohl wichtig in der Arbeit mit unseren Klienten sowie für uns selber. Es läuft nicht immer alles wie am Schnürchen. Manchmal gibt es viele Umwege. Und trotzdem muss die Hoffnung bleiben, Hoffnung, um den Menschen auch Zuversicht zu zeigen. Für unsere Kinder bedeutet es eben, diese Zuversicht zu haben, dass ich mich auch anders entwickeln kann, als ich es vorgelebt bekommen habe.

WOCHENBLATT: Fällt es Ihnen manchmal schwer, zuversichtlich zu bleiben?

Lars Kiefer: Die Zuversicht wird dann geringer, wenn man merkt, dass immer wieder Produkte den Markt schwemmen. Ich bin jetzt seit zwölf Jahren dabei. Vor zwölf Jahren hat man noch nicht über Mango oder Apfel-Chili in Vapes gesprochen. Nikotin-Produkte, die süß schmecken und lecker sind. Damit werden Zwölf-, Dreizehnjährige angeregt und der Zugang ist so einfach.

Jana Schneider: Ich finde es wichtig, zuversichtlich zu bleiben, auch wenn wir Menschen haben, die uns häufiger begegnen. Wir sind über jeden froh, der sich nach einem Rückfall auch wieder meldet und sich nicht in Rückzug und Scham begibt. Da kann man dann gemeinsam schauen, was man anders machen kann. Zuversicht ist wichtig. Für unsere Klienten, aber auch für uns selber.

Autor:

Tobias Lange aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.