Dr. Michael Klinger wird in einem verbalen Schlagabtausch entmachtet
»Lichtgestalt mit Urgewalt«
Gottmadingen (rab). Eine Woche lang kein Rathaus? Einmal ausspannen von den Diskussionen im Gemeinderat? Ein paar Tage lang mal nicht den Kopf hinhalten müssen für die Schulsituation, die unfertige Bahnbrücke, und und und... Klingt doch gar nicht schlecht! Und so wirkte Bürgermeister Dr. Michael Klinger auch nicht allzu bekümmert, als die Mitglieder der Narrenzunft Gerstensack am Schmotzigen Dunschtig das Rathaus stürmten und ihn kurzerhand seiner Macht beraubten. »Wir erlösen euch von Klingers Tyrannei!« riefen die Zunftmitglieder Markus Bruderhofer und Cedric Baur im Chor.
Mit spitzer Zunge nahmen sie das kommunale Geschehen aufs Korn. Ins närrische Licht gerückt wurden dabei unter anderem das Höhenfreibad oder die Verkehrssituation im Ort. »S'neue Bad an sich wär genial, doch die Schwimmbahn isch leider viel zu schmal«, spotteten sie. »Des wundert mich it bei euren Ranzen!«, hielt Klinger dagegen. Das ließ die Narren jedoch kalt. »Wir haben uns g'frogt, wie isch des so kumme, mir glaubed, die hond den Klinger als Maßstab g'numme«, reimten sie. »Einen Klinger als Maßstab, wo kommt man da hin. So ein Schmalspurschwimmer ist einfach kein Gewinn. Mir saget drum: Siehst du den Klinger im Becken winken, winke zurück und lass ihn sinken!« Die »Ampelmeile« im Dorf stößt denn Narren ebenso übel auf: »Mit üs wär des sicher it passiert!«
Ungeduldig zeigten sich die Gerstensäcke, als sie sich beschwerten, dass die Villa, die die Gemeinde von den Erben einer wohlhabenden Bürgerin erworben hat, immer »no leersteht«. Möglich wäre doch die Nutzung als Sexbasar, höhnten Bruderhofer und Baur: »Mit dem Klinger als Inventar«! Und auch die kauffreudigen Nachbarn aus der Schweiz bekamen ihr Fett weg: »Willsch bloß kaufen eine Flasche Wein, kannsch sicher sein: Es steht vor dir einer mit nem grünen Schein!«
Bei all diesen Klagen verging dem Rathauschef das Lachen jedoch nicht – Im Gegenteil! Klinger holte in puncto Spott und Hohn zum Gegenangriff aus – und ließ die Ohren der Narren klingeln. Und eine Entmachtung auf Zeit – na bitte! Jedoch zweifelte er stark daran, ob die Gersrtensäcke so ein guter Ersatz für ihn sind: »Jetzt schaut euch an die Narrentruppe, und so was spuckt mir in die Suppe! Ich jedenfalls hätt kein Vertrauen in diesen Trupp von Oberschlauen.« Doch der Schultes nahm es gelassen. Und rief den Anwesenden ins Gedächtnis: »Ich baute für euch ein großes Nass, mit Rutschen für der Kinder Spaß, und zwischendurch, mir ischs kein Graus, bau ich noch schnell mein eignes Haus.»
Und genau für letzteres habe er jetzt eben ein paar Tage Zeit – sowie zum »beten und hoffen«, wie Klinger betonte. Worauf er hofft, verriet er jedoch nicht. Vielleicht darauf, dass der Gemeinderat künftig ein bisschen weniger ausufernd berät? Man könnte es fast meinen, wenn man Klingers Abschiedsworte auf die Goldwaage legt. Denn der entmachtete Rathauschef meinte im Hinblick auf seinen »Nachfolger«, Zunftmeister John Weber, den er als »Lichtgestalt mit Manneskraft und Urgewalt« bezeichnete: »Der Kerle könnt des doch noch schaffen! Unser John schafft ohne Päusle, s’goht schneller, glaubt mir, in der Tat, weil ohne den Gemeinderat!«
- Nicole Rabanser
Autor:Redaktion aus Singen |
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