Wechsel und Kontinuität im Geschichtsverein
Kreisarchivar Friedemann Scheck löst Vorsitzenden Wolfgang Kramer ab
Singen. Unter dem Motto »Zukunft braucht Herkunft« stand die diesjährige 66. Mitgliederversammlung des Hegauer Geschichtsvereins am vergangenen Samstag in der Singener Stadthalle, zu der der »Noch«-VorsitzendeWolfgang Kramer eingeladen hatte.
Vereinspräsident Manfred Sailer übernahm die Begrüßung der zahlreich erschienenen Gäste. Lobende Worte für den Verein fand Bürgermeisterin Ute Seifried. »Der Hegauer Geschichtsverein ist ein besonderes Aushängeschild für Singen.« Dabei lobte sie vor allem die solide Geschichtsforschung und verständliche Vermittlung auch für interessierte Laien. Die vielen Vorträge und Exkursionen, die der Verein Jahr für Jahr durchführe, seien ein großartiges Angebot. »Ihr jährlich erscheinendes Jahrbuch weiß jedes Jahr Spannendes über den Hegau zu berichten«, hob sie hervor.
Der Geschäftsbericht für das Jahr 2022, den anschließend der Vorsitzende Wolfgang Kramer vortrug, bestand überwiegend aus einem Rückblick der zahlreichen durchgeführten Aktionen. Insgesamt seien 48 Programmpunkte im vergangenen Jahr angeboten worden. Exemplarisch griff er einige davon heraus, allen voran den Vortrag von Dr. Michael Losse - der leider allzufrüh verstorben ist- über den »Frühen Burgen Tourismus im Hegau«, den Informationsnachmittag mit Johannes Waldschütz und Dr. Fredy Meyer oder die Vorstellung des Online-Zeitungsportals von Dr. Friedemann Scheck. Weitere zahlreiche Vorträge folgten in seiner Aufzählung sowie die Erinnerung an durchgeführte Exkursionen, wie die Wanderung auf der Höri mit Prof. Luick oder die Busexkursion nach Tübingen und Rottenburg mit Holger Starzmann.
Stimme gegen Windkraft
Der Verein habe inzwischen knapp 1.000 Mitglieder und sei somit einer der mitgliederstärksten Vereine in Singen. Zwar habe 2022 der Verein 27 neue Mitglieder begrüßen dürfen, doch sei auch ein Rückgang von 41 Mitgliedern zu verbuchen gewesen.
Emotional wurde Wolfgang Kramer, als er auf das Thema Windkraft zu sprechen kam. »Wir sind keine Windkraftgegner, aber wir sprechen uns gegen den Standort zwischen dem Neuhewen und dem Hewen aus«, sagte er und benannte zugleich Standortalternativen, die es aus Vereinssicht in Richtung Tengen gäbe.
Emotional wurde Wolfgang Kramer, als er sich im zweiten Teil seiner Rede als Vorsitzender verabschiedete: »Man muss aufhören, bevor das Amt zur Sucht wird«, mahnte er und bekräftigte, dass man spätestens dann aufhören müsse, wenn ein geeigneter Nachfolger gefunden wird, der »mit frischen Karten, anderen Taktiken und erfolgreicheren und moderneren Zügen« das Spiel weiterspielen könne.
Schatzmeister Bernd Eisenhardt zeigte sich in seinem Kassenbericht recht zufrieden. Zwar sei ein Fehlbestand vorhanden, dieser konnte im Vergleich zum Vorjahr deutlich reduziert werden. Für die Projekte der nächsten Jahre sei genug Geld in der Kasse, gab er sich zuversichtlich. Zugleich machte er deutlich, dass er sich dem Amt des Kassenwarts noch einmal zur Verfügung stellen werde, bis nächstes Jahr jedoch ein Nachfolger gefunden werden müsse.
Kräfte der Archive bündeln
Großen Applaus verdiente sich Dr. Friedemann Scheck, der sich im Zuge der Vorstandswahl als Kandidat vorstellte. Der seit fünf Jahren amtierende vierzigjährige Leiter des Kreisarchivs Konstanz erzählte, dass er in Heidelberg und Tübingen Geschichte studiert hatte und seit langer Zeit in zahlreichen Vereinen tätig sei. »Weshalb sollten Sie mich heute als Vorsitzenden wählen?«, stellte er die rhetorische Frage, die er sogleich damit beantwortete, dass er sich der Tradition verbunden fühle, dass der Verein von Kreisarchivaren vorgestanden werde. »Das ist seit der Gründung des Vereins so«, betonte er und machte deutlich, dass die Zusammenarbeit des Kreisarchivs und des Vereins besonders eng sein muss. Er stellte heraus, dass er sowohl den Verein als auch das Kreisarchiv mit den Stadtarchiven als historische Kompetenzzentren sehe und es gelte, die Kräfte zu bündeln, um Bildungsarbeit leisten zu können.
Mit großer Begeisterung wurde Dr. Friedemann Scheck von den Anwesenden einstimmig zum neuen Vorsitzenden gewählt.
Vereinspräsident Manfred Sailer übernahm anschließend die Vereinsehrungen. Freuen durfte sich Schatzmeister Bernd Eisenhardt, der das Amt 37 Jahre innehatte. Er wurde zum Ehrenmitglied gewählt. Manfred Sailer hob das außerordentliche Engagement von Bernd Eisenhardt hervor. »Du hast nicht nur 37 Jahresberichte erstellt und in der Corona-Zeit unsere Homepage zeitgemäß dargestellt. Unter deiner Regie fanden 25 Online-Vorträge statt, darunter bis zu 100 Zuhörer. Du bist ein Pfundskerl von Schatzmeister«.
Neuer Ehrenvorsitzender
Schließlich wurde Wolfgang Kramer, der den Vorsitz seit 2003 innegehabt hatte, geehrt und einstimmig zum Ehrenvorsoitzenden gewählt. Präsident Manfred Sailer hob dabei die großartige Leistung von Wolfgang Kramer hervor. Dabei betonte er, dass Wolfgang Kramer nie stehengeblieben oder rückwärtsgewandt war, stets sei er vorangeschritten. So seien durch ihn im Verein auch neue Themenschwerpunkte entstanden, wie beispielsweise der Nellenburger-Kreis, der sich dem Schutz der Hegau-Burgen widmet. Der Verein habe sich lebendig weiterentwickelt und sei nach vorne gerichtet. Das Angebot werde ständig erweitert. Inzwischen würden jährlich bis zu 60 Vorträge sowie Exkursionen angeboten. »In den letzten 20 Jahren kamen wir bestimmt auf 1.000 Veranstaltungen«, schätzte Manfred Sailer. Auch lobte er Wolfgang Kramer als Autor und Herausgeber. Seine Publikationen seien stets kenntnisreich und faktensicher. Viel zu schmunzeln gab es für die Anwesenden, als der Geehrte als der Erbauer und erster Direktor des Freilichtmuseums Neuhausen ob Eck genannt wurde und seine wahrlich abenteuerlichen Bemühungen, dort das eigentlich heimische »Baldinger Tigerschwein« zu züchten.
Der informative Nachmittag wurde mit einem sinnlichen Klavierkonzert der Pianistin Dr. Henriette Gärtner und einem Kurzvortrag – wie sollte es auch anders sein – von Wolfgang Kramer zum Thema »Wolfgang Amadeus Mozart und der Hegau« abgerundet.
Autor:Uwe Johnen aus Singen |
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