Gegen das Vergessen
Jeder Stolperstein ein Schicksal
Singen. Die Singener Stolpersteininitiative mahnt und erinnert weiterhin an die Opfer der Nazi-Diktatur und an Menschen, die unter dem Terror litten. »Wir wollen vor den damaligen Geschehnissen nicht die Augen verschließen, sondern öffnen«, so Singens OB Bernd Häusler. MdL Hans-Peter Storz sieht dies ähnlich, denn auch für ihn ist es immer wieder ein ergreifender Moment, wenn er vor der Verlegung den ersten Stolperstein in den Händen hält.
Im April wird Gunter Demnig seinen 100.000 Stolperstein irgendwo in Deutschland verlegen, so der Künstler.
Mit den sieben neuen Mahnmalen wurden jetzt aktuell 87 Stolpersteine in Singen verlegt, die an die Gräueltaten im Nationalsozialismus erinnern. Axel Huber, Historiker und geschichtsinteressiert, hat etliche historische Dokumente gesichtet und Berichte von Überlebenden ausgewertet sowie Quellen abgeglichen. Durch die Geschichtsbewahrung und deren Erinnerungskultur kam man etlichen Schicksalen auf die Spur. So beispielsweise der von Johann Nepomuk Schatz, der in der Radolfzeller Straße 24 lebte, dessen Enkel Christoph und Johannes Schatz bei den Recherchearbeiten mithalfen. »Unserer Familie ist es gelungen, Licht ins Dunkel zu bringen und wir sind der Initiative Stolpersteine sehr dankbar«, so Johannes Schatz.
Johann Nepomuk Schatz, der wegen seiner Epilepsieanfälle unter dem Gesichtspunkt »Rassenhygiene« zwangssterilisiert und 1933 in eine Heil- und Pflegeanstalt bei Konstanz »deportiert« wurde, starb 1945 den Hungertod.
In der Bahnhofstraße 33 lebte einst Olga Rigling, Jahrgang 1881. 1943 wurde sie aufgrund der Diagnose Altersdepression in eine Heilanstalt in Emmendingen gebracht, 1944 verstarb sie an »Altersblödsinn und Altersschwäche«.
An Michael Kless und seine vierköpfige Familie erinnern nun in der Schaffhauser Straße 107 fünf weitere Stolpersteine. »Die Mitglieder der Familie Kless waren in Singen aktive Kommunisten in den letzten wilden Jahren der noch jungen Weimarer Republik, die 1933 von den Nationalsozialisten zerschlagen wurde«, erläuterte Axel Huber. Michael Kless, denunziert von einem »aufmerksamen« Nachbarn, der die geballte rechte Faust sowie Kless' Ausruf »Rot-Front« als Anlass sah, ihn anzuzeigen, und der 1933 von der Gestapo abgeführt wurde. Die gesamte Familie litt während der Nazizeit unter dem Regime, überlebte zwar, jedoch hatte sie das Erlebte wesentlich mitgenommen, auch weil zeitweise alle drei Söhne und der Ehemann in Haft waren.
Die Mahnmale gegen das Vergessen werden weiter verlegt, die ergreifenden Berichte der Nachfahren nehmen kein Ende, schon gar nicht über die Gräueltaten der Nationalsozialisten. Jeder Stolperstein zeigt ein Schicksal auf. Stolpersteine: ein Kunstprojekt.
Mehr Impressionen zur Stolpersteinverlegung in Singen gibt es unter https://www.wochenblatt.net/singen/c-mediathek/mahnen-und-erinnern_a103962.
Infos unter: stolpersteine-singen.de.
Autor:Karin Leyhe-Schröpfer aus Singen |
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