Politischer Aschermittwoch des WOCHENBLATTs zur Zukunft der ehrenamtlichen Kommunalpolitik
»In Konkurrenz zu Heidi Klum und Dieter Bohlen«
Singen. Die ehrenamtliche Kommunalpolitik hat eine Zukunft. In welcher Form jedoch, darüber lohnt es sich nachzudenken. Das ist zumindest das Fazit, das die Besucher des Politischen Aschermittwochs in der Scheffelhalle ziehen konnten. Zur Diskussion über die Frage ob ehrenamtliche Kommunal-Parlamente ein Auslaufmodell sind hatte das WOCHENBLATT eingeladen und rund 300 Besucher waren gekommen.
Das Thema ist in diesem Jahr brandaktuell, denn am 26. März stehen die Kommunalwahlen an, das heißt, dass in den Baden-Württembergischen Städten und Gemeinden die Gemeinde- und Kreisräte neu gewählt werden. Viele Parteien und Wählergruppierungen stehen deshalb momentan noch vor der schwierigen Aufgabe die Kandidatenlisten zu füllen. Walter Studer, der die Diskussionsrunde zusammen mit WOCHENBLATT-Chefredakteur Oliver Fiedler moderierte verortete das Thema direkt passend zum Termin am Beginn der Fastenzeit: »Auch das politische Ehrenamt erlebt eine Fastenzeit, denn viele enthalten sich seiner«, erklärte er mit einem Augenzwinkern.
Singens Oberbürgermeister, der zusammen mit Tim Strobel, dem Vorsitzenden der Engener SPD, Michael Sommer, Projektleiter am Institut für Demoskopie Allensbach, Martin Müller, dem Geschäftsführer der »LebensWerke« GmbH und Wolf Dieter Karle, dem Ortsvorsteher von Hindelwangen und Stockacher Gemeinderat, auf dem Podium saß, konnte bestätigen, »es wird von Wahlperiode zu Wahlperiode schwieriger, Kandidaten für den Gemeinderat zu finden. Besonders in Anbetracht dessen, dass die Listen ja auch einen Querschnitt der Gesellschaft abbilden sollen«.
Wolf Dieter Karle gab dem Singener Rathauschef in diesem Punkt recht. Besonders wünschenswert sei es, dass sich mehr Frauen für politische Ehrenämter finden würden. Bei der Kandidatensuche habe man viele Frauen angesprochen aber auch viele Absagen bekommen. Für ihn wäre es wichtig den potentiellen Kandidatinnen Mut zuzusprechen und die Frauen in der Politik allgemein mehr Wertschätzung erfahren zu lassen. »Da tun sich manche in der Männerwirtschaft noch schwer«, bemerkt Karle und erntete dafür tosenden Beifall.
Für Martin Müller, der hauptberuflich Bürgerbeteiligungsprozesse moderiert und begleitet, liegt das Hauptproblem bei den Strukturen der Kommunalpolitik »Junge Leute haben keine Lust auf Gemeinderatssitzungen, die fünf oder sechs Stunden dauern«. Außerdem falle es vielen Menschen heutzutage schwer, sich für fünf Jahre auf ein Amt oder eine politische Richtung festzulegen, erklärt Müller und bekommt dabei Schützenhilfe von Michael Sommer, der Aufgrund vieler Umfragen zum Thema Lebenswelten des IfD weiß: »Die Individualisierungstendenzen in der Bevölkerung sorgen dafür, dass sich niemand mehr lange binden will. Auch nicht an ein politisches Ehrenamt.«
Die Politikverdrossenheit, die Wolf Dieter Karle als einen Grund für die schwierige Kandidatensuche ausgemacht hat, sehen Müller und Sommer indes nicht. Ob es nicht besser wäre auf projektbezogene Arbeit zu setzten, wenn »Strukturverdrossenheit«, das war der von den beiden genutzte Begriff, ein so großes Problem sei, fragte Moderator Studer in die Runde. OB Häusler widersprach. Er sieht projektbezogenes Arbeiten eher kritisch, schließlich seien viele Themen, mit denen man sich heute im Kreistag und Gemeinderat auseinandersetzen müsse, so komplex, dass man auch über einen längeren Zeitraum in der Thematik drinnen sein müsse um fundierte Entscheidungen treffen zu können.
Für Tim Strobel ist es wichtig die Leute da abzuholen, wo ihre Interessenschwerpunkte liegen. »Das muss also schon bei Schülern in Bezug auf die Schule los gehen«. Ähnlich sieht es Bernd Häusler. »Wir haben erst vor kurzem wieder ein Jugendforum hier in der Scheffelhalle abgehalten, bei dem von den Schülern sehr viele gute Ideen eingebracht wurden. Jetzt ist es an uns, das umzusetzen, was umsetzbar ist, damit die Jungen Menschen auch merken, dass sie etwas bewegen können, wenn sie sich einsetzen«, so Häusler.
Martin Müller ist sich trotzdem sicher dass die Strukturen auf Dauer nicht bestehen bleiben können und die Politik mehr auf Menschen zugehen muss, vor allem auf junge Menschen. »Wir stehen bei den jungen Leuten schließlich in Konkurrenz zu Heidi Klum und Dieter Bohlen«.
Die Fragen aus dem Publikum und die Suche nach Wegen in die Zukunft wurden von vielen Besuchern als sehr spannend empfunden, wie sich nach der Veranstaltung in vielen Einzelgesprächen zeigte. Interessant werde, was von den hier diskutierten Ideen dann bei den nun beginnenden Wahlkämpfen als Anregung zu mehr »Ohr am Bürger« aufgenommen werden, so ein Gast aus Radolfzell.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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