Gewalt gegen Frauen
"Es ist eiskalter Mord"

Claudia Zwiebel (links) und Susanne Biskoping vom Verein Frauen- und Kinderschutz beraten Frauen, die Gewalt erlebt haben. swb-Bild: Tobias Lange
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Singen. Jede vierte Frau wird laut Sozialministerium Baden-Württemberg in ihrem Leben Opfer von Gewalt durch den Partner. Statistisch gesehen macht das in unserem Bundesland rund 1,4 Millionen Frauen, denen Gewalt zuteilwird. Während es für die meisten Menschen bei der Statistik bleibt, ist es für die Mitarbeiter des Frauenhauses in Singen trauriger Alltag.

"Wir waren nicht sicher, ob wir an die Öffentlichkeit gehen sollen", berichtet Susanne Biskoping vom Verein Frauen- und Kinderschutz Singen. Der Verein ist Träger des Frauenhauses in Singen, der Beratungsstelle, des Wohnprojekts Else und der mobilen Beratung.

Sie berichtet von einem erschütternden Fall: Eine in einem anderen Bundesland wohnhafte Frau flüchtete sich mit ihrem Sohn dort in ein Frauenhaus. "Es war klar, der Ehemann suchte sie." Er habe zudem damit gedroht, sie zu töten. Zum Schutz der Frau wurde sie in das Frauenhaus nach Singen verlegt. Zehn Tage später stand ihr Peiniger dann dort vor der Tür.

Ende Oktober musste die Frau mit ihrem Sohn deshalb erneut umziehen. Elektronische Geräte, mit denen sie ihr Verfolger eventuell hätte aufspüren können, blieben in Singen. Ebenso die offizielle Kontaktadresse. "Wir haben getan, was in unserer Macht stand", sagt Susanne Biskoping deutlich mitgenommen. Auch die Polizei sei involviert gewesen.

Doch aller Bemühungen zum Trotz fand der Mann sein Opfer wieder. Am 31. Oktober 2022 erschoss er sie vor den Augen des Sohnes und stellte sich dann der Polizei. "Das ist kein Beziehungsdrama, es ist eiskalter Mord."

Claudia Zwiebel, Geschäftsführerin und Vorständin des Vereins Frauen- und Kinderschutz, berichtet von einem anderen Fall, bei dem eine Frau aus langjähriger Kontrolle durch den Partner ausbrach. "Er ist sie nie körperlich angegangen." Die Gewalt sei stattdessen psychologischer Natur gewesen: Kontaktverbote zur Familie und zu Bekannten, Kontrolle über das Geld.

Als sie sich endlich befreien konnte, habe der Mann angefangen, Verwandte und Bekannte zu kontaktieren und zu terrorisieren. "Der Mann ist unberechenbar", sagt Claudia Zwiebel. "Wir wissen nicht, was er als Nächstes tut." Das Problem: Für das Jugendamt ginge es dem Mann nur darum, seine Kinder zu sehen.

Diese Fälle und mehr sind Zeichen einer ernster werdenden Veränderung. Männer haben, so Claudia Zwiebel, weniger Hemmungen, die Frauenhäuser zu suchen, Kontakt aufzunehmen und vor der Tür zu stehen. "Wir sind alarmiert. Wir müssen noch achtsamer sein, was den Schutz angeht." Susanne Biskoping appelliert an die Öffentlichkeit: "Schaut her, das passiert in unserer Gesellschaft!"

Gleichzeitig kommt das Frauenhaus an seine Kapazitätsgrenzen. 19 Frauen und 29 Kinder nahm die Einrichtung laut Jahresbericht 2021 auf. Aktuell sei das Haus zu 120 Prozent ausgelastet. "Wir sind voll, ohne Ende", sagt Susanne Biskoping.

Sorgen bereitet dem Verein aber auch ein Problem finanzieller Art: Während der Coronazeit gab es Gelder vom Land, mit dem eine 20-Prozent-Stelle für Sprechstunden in ländlicheren Gemeinden bezahlt wurde. Für Betroffene bedeutete das, dass sie nicht direkt nach Singen kommen mussten und die Hemmschwelle so niedriger war. "Das ist auch sehr gut angenommen worden."

Nun werden die Landesmittel aber halbiert und der Verein muss sich – weil er das Angebot aufrechterhalten will – nach einem anderen Geldgeber umsehen. "Wir hoffen, dass der Landkreis das Portmonee aufmacht", sagt Susanne Biskoping. "Denn das ist Gewaltschutz." Claudia Zwiebel ergänzt: "Der Bedarf an diesen Beratungen, gerade im ländlichen Raum, ist enorm."

Dementsprechend wird der Verein Frauen- und Kinderschutz am Tag gegen Gewalt an Frauen am kommenden Freitag, 25. November, dann auch in der etwas kleineren Landstadt Tengen zugegen sein. Am dortigen Rathaus startet um 11 Uhr in Zusammenarbeit mit örtlichen Bäckereien eine unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Marian Schreier stehende "Bäckertütenaktion". Ziel ist es, das Thema in die Haushalte, an den Frühstückstisch zu bringen. Das Motto: "Gewalt gegen Frauen kommt nicht in die Tüte."

Informationen für von Gewalt betroffene Frauen gibt es im Internet auf www.frauenhaus-singen.de, per Mail an frauenhaus-singen@t-online.de oder telefonisch unter 07731/31244.

Informationen für betroffene Frauen gibt es im Internet, per Mail an frauenhaus-singen@t-online.de oder telefonisch unter 07731/31244.

Autor:

Tobias Lange aus Singen

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