SPD-Landesvorsitzender diskutiert mit Lehrern und Lokalpolitikern in der Singener Beethovenschule
Ein „Bypass“ reicht nicht fürs krisenfeste Klassenzimmer

Stoch Beethoven | Foto: Bei der Diskussion in der Singener Beethovenschule (von hinten): Rektor Oliver Schmohl, Kandidat Hans-Peter Storz, Moderator Walafried Schrott, SPD-Landesvorsitzender Andreas Stoch und der Singener Gesamtelternbeiratsvorsitzende Marc Neininger. swb-Bild:
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  • Foto: Bei der Diskussion in der Singener Beethovenschule (von hinten): Rektor Oliver Schmohl, Kandidat Hans-Peter Storz, Moderator Walafried Schrott, SPD-Landesvorsitzender Andreas Stoch und der Singener Gesamtelternbeiratsvorsitzende Marc Neininger. swb-Bild:
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Singen. Ein Wahlkampfauftritt war es auf der einen Seite, als letzten Mittwoch der Landesvorsitzende und Fraktionssprecher der SPD im Landtag und ehemalige Kultusminister Andreas Stoch zur Diskussion zum Thema „Krisenfestes Klassenzimmer“ einlud. Die Diskussion zeigte, dass die Corona-Krise viele Probleme im aktuellen Bildungssystem offenbarte, an denen man nun freilich grundlegend arbeiten müsse. „Ein Bypass reicht nicht aus , um die Schulen Zukunftsfit zu machen“, unterstrich Stoch.

Wie Schulen mit der Krise umgehen müssen, konnte der Rektor der Beethovenschule gleich an der aktuellen Lage schildern. Man habe aufregende Tage gehabt durch eine positiv getestete Schülerin was für zwei Klassen erst mal daheimbleiben bedeutete und die Notwendigkeit von Tests für SchülerInnen wie LehrerInnen, die mit dem Mädchen der 7. Klasse in Kontakt waren. Für die Lehrer bedeute es, nach ihrem Unterricht auf Homeschooling umzusteigen und die Bereitschaft zum Engagement für sie SchülerInnen sei da, zumal nach der langen Schulpause viele Anschlussprobleme hätten. Überhaupt habe man in der Zeit des Lockdown auf sehr viel Empathie der Lehrer setzen können, die auf dem Schulhof Bänke aufgebaut hatten für Freiluft-Sprechstunden, um den Kontakt zu Eltern und den SchülerInnen zu halten, einfach weil Schüler eben jemand Fragen stellen können müssten. Ein Dauerzustand könne das freilich nicht sein, denn so wie die Beethovenschule werde das wohl in den nächsten Wochen die meisten Schulen treffen, sagte Schmohl, was sich ja auch schon deutlich durch die weiteren Fälle in der Region abzeichnet. Man müsse sich für die nächsten zwei bis drei Jahre auf eine ganz andere Zeit einstellen.

Ungerechtigkeit verstärkt

Die Ungerechtigkeit des Bildungssystems habe sich in der Zeit geschlossener Schulen verstärkt, meinte der Singener Gemeinderat und Religionslehrer Hans-Peter Storz. Die Stockacher Gemeinde- und Kreisrätin Claudia Weber-Bastong , die auch darauf abhob, wie sehr der Einsatz der meisten Lehrer half, den Lockdown zu überbrücken, meinte dass Bildungsgerechtigkeit im ländlichen Raum mit der fehlenden Breitbandversorgung aufhöre. Den Schülern seien durch das Homeschooling Exkursionen, Ausflüge bis zum Sportunterricht oder gar Bundesjugendspiele vorenthalten geblieben. Und für Video-Tools, bei denen im Übrigen die Schulen und Lehrer relativ alleine auf sich gestellt blieben, könne man schlichtweg nicht mit einer Klasse von 30 Schülerinnen bewältigen. Die Hoffnung auf einen niedrigeren Klassenteiler musste Stoch aber auch dämpfen. Um den um eine/n SchülerIn herabzusetzen brauche man 1.400 zusätzliche Lehrkräfte, die man gar nicht habe in dem Umfang. „Sie haben da auf ein ganz schön großes Fass geklopft“, so Stoch zu den vielen Vorschlägen zur Stärkung des Schulsystems.

Und dass es bei der Gerechtigkeit um viel mehr geht als Digitalisierung, unterstrich in der Diskussion Marc Neininger als Vorsitzender des Gesamtelternbeirats: in Singen mit seinen 18 Schulen stehe Integration ganz ober auf der Agenda, das gelinge aber nur, wenn die Kinder so früh wie möglich in einer Schule kämen – aber im letzten halben Jahr auch nicht ging.

Braucht auch Plan B und C

Man könne dem Kultusministerium nicht vorwerfen, dass es keinen Plan hatte als der Lockdown im März durch die Politik ausgelöst wurde. Auf der einen Seite habe man dadurch erfahren, wie wichtig Schulen und Bildungseinrichtungen sind, aber noch nicht viel dazu gelernt. Es sei ein Unding gewesen, wenn die Schulleiter und Lehrer in dieser Zeit aus der Presse erfahren mussten, wie es nun weitergeht. Der Singener OB Bernd Häusler wie sein Rielasinger Kollege Ralf Baumert kritisierten die Kurzfristigkeit vieler Anordnungen und ein schlechtes Krisenmanagement – und die Bürokratie für die aktuell endlich diskutierten Medienentwicklungspläne. Bei den Kindergärten seien die Schnellschüsse aber noch schlimmer gewesen, so Baumert. OB Bernd Häusler meinte, dass eine Beschleunigung der Digitalisierung bis zu Ende durchdacht gehöre. Es gehe ja längst nicht nur um technische Ausstattung, sondern auch im einen Plan B oder C, zum Beispiel meinte Andreas Stoch. Die Schulen müssten multiprofessionell aufgestellt werden, durch Kompetenzvermittlung bei den Lehrkräften wie auch mit Planstellen für Informatiker.

Verantwortung bündeln

Als ohnehin sehr reformbedürftig wurde die aktuelle Struktur des Bildungswesens von vielen Seiten aus gesehen. Es gebe ja noch nicht mal Schulbücher in einer Online-Version, kritisierte Stoch. Und nicht nur Bildungspläne gehörten entrümpelt, wie die Rielasinger Gemeinderätin Jana Akyildiz forderte. Die Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen könnten so nicht in den alten Bahnen bleiben: Derzeit bezahl t das Land die Lehrer zum Beispiel, die Nicht-Lehrkräfte aber sind den Städten zugeordnet. Diese sind auch für die Schulbau zuständig aber dafür wiederum auf Zuwendungen von Land angewiesen. Die Frage von Ralf Baumert an die Politik: „Was macht ihr in Zukunft?“ wurde mal mitgenommen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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