Nachfolgerin wird Saskia Frank
Dorothea Wehinger will ihr Landtagsmandat im August niederlegen
Singen. Die Einladung zum Medientermin kam sehr kurzfristig, die Entscheidung von der Grünen-LandtagsabgeordnetenDorothea Wehinger ist freilich wohlüberlegt. "Ich habe mich dazu entschieden, mein Landtagsmandat zum 31. August niederzulegen", informierte sie in ihrem Wahlkreisbüro am Donnerstagmorgen. Die Formalität ist relativ einfach: Da sie bereits 71 Jahre alt ist, kann sie sogar ohne Angabe von Gründen bei der Landtagspräsidentin kündigen. Doch Gründe gibt es freilich viele.
"Ein Auslöser war auch die Geburt unseres vierten Enkelkinds vor einigen Wochen und das Bewusstsein, dass nach acht Jahren als Abgeordnete, die sehr viel Präsenz forderten, nun auch wieder Familie eine stärkere Rolle spielen muss", macht sie an ihrem Kaffeetisch im Büro deutlich. "Es geht da schon ganz grundsätzlich um die Frage, was ich mit der Zeit machen kann, die mir noch im Leben bleibt", ergänzt sie. Diese Frage habe sie sich in den letzten Monaten immer mehr gestellt, zumal die Enkel zum Beispiel in Berlin und Karlsruhe sind, also der Kontakt schon mit einem Zeitaufwand verbunden ist. Zeit, die als Abgeordnete kaum abgeknapst werden konnte.
Karriere war nicht im Plan
Die Landtagskarriere stand eigentlich gar nicht in ihrer Lebensplanung, sagt Wehinger bei der Ankündigung ihres Rückzugs. Vor der Landtagswahl war eigentlich der Tafel-Vorsitzende Udo Engelhardt schon als Kandidat gesetzt, der dann aus gesundheitlichen Gründen passen musste. So kam Dorothea Wehinger, als Mitglied des Kreistages und auch durch ihr Berufsleben im Bereich Familie und Frauen verortet, ins Spiel und wurde - auch zu ihrer eigenen Überraschung - gewählt, weil Grün damals viel Rückenwind hatte. Und auch bei der zweiten Wahl, damals unter harten Corona-Kontaktbeschränkungen, wurde sie mit einem starken Ergebnis hier im Wahlkreis bestätigt. Schon damals stand die Frage im Raum, ob es angesichts des Alters noch die ganze Legislaturperiode sein sollte oder ob nicht zur Halbzeit eine Übergabe an eine Nachfolgerin ein guter Weg sein könnte.
Etwas später ist es geworden, aber nun steht dieser Schritt für sie an, den sie doch auch mit einigen Emotionen verbindet. Denn obwohl sie damals als "Politikneuling" angetreten war, habe ihr bereits der erste Wahlkampf durch die vielen Begegnungen viel Spaß gemacht. Das sei heute auch noch so - wenn sie nicht gerade wie Anfang des Jahres auf den Kundgebungen der Landwirte ausgebuht und ausgepfiffen wird, ohne dass man ihr zuhört, was sie als schmerzlich erlebte.
Dass es ein Einsatz mit vielen Opfer war, zeigte ihr auch eine Fußverletzung, nach der sie sich von ihrem Mann zu den Terminen bringen lassen musste, weil Pause machen zu dieser Zeit eben nicht drin war.
Flagge für Frauen und Familie gezeigt
Durch ihren früheren Beruf als Erzieherin war der Sozialbereich schnell Schwerpunkt ihrer Arbeit, sie wurde auch gleich in den Sozialausschuss des Landtags gewählt. Dass Singen mit seinem Verein "Kinderchancen" als Flaggschiff der Arbeit in sozialen Brennpunkten gilt, schreibt sie sich mit auf die Fahne, weil es ja um wichtige Fördergelder dafür ging. Da war der direkte Draht zu Sozialminister Manne Lucha Gold wert gewesen. Auch der Einsatz für die Frauenhäuser und für die Frauenrechte insgesamt war ihr wichtig, wie sie beim Medientermin betonte. Und dann der Bereich frühkindliche Bildung, zu dem sie eine regelmäßige Austauschrunde für den Wahlkreis etablierte. Insgesamt 62 Schulbesuche hatte die klare Befürworterin der Gemeinschaftsschule absolviert, und das wurde in ihrer Bilanz genauso dokumentiert, wie die Besuche bei allen Bürgermeistern, auch wenn es um Zuschüsse ging, die sie alle in einer Liste zusammengefasst hatte.
Der Corona-Wahlkampf, der in 2021 wegen Lockdown und Kontaktbeschränkungen eigentlich vor Bildschirmen geführt werden musste, wird ihr immer in Erinnerung bleiben. Aber: "Ich bin sehr dankbar, dass die Menschen aus dem Wahlkreis mir das Vertrauen geschenkt haben", blickt sie schon in Richtung Abschied, für den sie gar Hermann Hesses "Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe /Bereit zum Abschied sein und Neubeginne" zitiert.
Die förmliche Übergabe des Mandats an Saskia Franz, die als Zweitbewerberin nominiert war, soll schon Ende Juli, vor den politischen Sommerferien im Landtag vollzogen werden, kündige Dorothea Wehinger an.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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