Der Hegau hilft Afghanistan
»Die größte Katastrophe ist das Vergessen«

Auf dem Bild von links: Ajmal Farmann (Vorsitzender vom Verein »Unser buntes Engen«), Bernhard Grunewald (Vorsitzender des Integrationsvereins »inSi e.V. Integration in Singen«), Mohammad Yusefi und Zainab Hussaini (Geflüchtete aus Afghanistan), Wolfgang Heintschel (Vorstand des Caritasverband Singen-Hegau) und Beatrix Gabele (stellvertretende Vorsitzende von »inSi e.V.«) | Foto: ak
  • Auf dem Bild von links: Ajmal Farmann (Vorsitzender vom Verein »Unser buntes Engen«), Bernhard Grunewald (Vorsitzender des Integrationsvereins »inSi e.V. Integration in Singen«), Mohammad Yusefi und Zainab Hussaini (Geflüchtete aus Afghanistan), Wolfgang Heintschel (Vorstand des Caritasverband Singen-Hegau) und Beatrix Gabele (stellvertretende Vorsitzende von »inSi e.V.«)
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Singen. Neben (inter)nationalen Brandherden wie dem Ukrainekrieg und seinen Folgen gerät eine weitere schwelende Krise zunehmend in Vergessenheit: Mehr als ein Jahr ist seit der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan bereits vergangen und die Lebensumstände dort verschlechtern sich Tag für Tag. Durch einen Spendenaufruf, dessen Erlös Hebammen in Kabul unterstützen wird, wollen der Caritasverband Singen-Hegau sowie die Vereine »inSi e.V. Integration in Singen« und »Unser buntes Engen« hier wirksam werden.

Teil der Runde, um das angepeilte Projekt vorzustellen, waren Vertreter der drei regionalen Organisationen: Der erste Vorsitzende von inSi Bernhard Grunewald, seine Stellvertreterin Beatrix Gabele, Ajmal Farmann, erster Vorsitzender von Unser buntes Engen und der Vorstand der Caritas Singen-Hegau, Wolfgang Heintschel. Eindrücklich waren am Donnerstagnachmittag auch die Schilderungen zweier Menschen, die erst kürzlich aus Afghanistan entkommen sind, Zainab Hussaini und Mohammad Yusefi.

»Jeden Tag verschlechtert sich die Lage dort, Frauen mit und ohne Ausbildung können nicht arbeiten«, erzählt etwa Zainab Hussaini, die vor etwa sechs Monaten über ein Programm zur Rückholung von Ortskräften nach Deutschland kam, auf englisch. Denn insbesondere Frauen werden vom afghanischen Regime unterdrückt und fürchten permanent um ihr Leben. »Sie hungern und müssen ihre Kinder verkaufen.« Dabei wissen die Mütter nie genau was ihre Kinder erwartet, ob sie überleben und falls ja unter welchen Umständen - ob sie etwa »sexually harassed«, also von ihren Käufern unter anderem sexuell belästigt werden. Sie jemals wiederzusehen scheint unmöglich. Doch Hussaini macht klar, dass den afghanischen Müttern keine Alternative bleibt: »Die Taliban verhaften und töten Frauen, die arbeiten wollen.«

»Frauen müssen sich im Grunde genommen im Alltag komplett verstecken«, unterstreicht auch Ajmal Farmann, Vorsitzender von »Unser buntes Engen.« Erst kürzlich kamen etwa 50 junge Frauen und Mädchen bei einem Anschlag auf eine Bildungseinrichtung in Kabul um. Etwa die Hälfte der gesamten Bevölkerung ist unterversorgt, zudem hat Afghanistan die weltweit höchste Kindersterblichkeit und dabei eine niedrige durchschnittliche Lebenserwartung, insbesondere in den vielen sporadischen Lagern um die Großstädte herum. Eine Stabilisierung sei unmöglich, so Farmann, nicht erst seit der Übernahme der Taliban.
Denn das Land befindet sich seit mehr als 40 Jahren permanent im Krieg. Das verdeutlicht auch Mohammad Yusefi, demzufolge es die andauernden Konflikte verhindern, internationale Beziehungen zu knüpfen oder Bereiche wie Bildung und Gesundheitsversorgung zu stärken. Jeder, der sich engagieren wolle, riskiere sein Leben und könne nur im Geheimen unterstützen.

Hier setzen nun die Caritas Singen-Hegau, der Engener Verein »Unser Buntes Engen« und der Singener Integrationsverein »inSi e.V.« an. Bei der Caritas international fand Wolfgang Heintschel mit »Afghanistan: Gesundheit für Mutter und Kind« ein Projekt in Kabul, das gut in die Vorstellungen der drei Organisationen passt. Die direkte Wirkung der Spenden vor Ort ergänzt so sinnvoll die Integrationsarbeit hier in der Region.

Konkret ist das Ziel Hebammen in Kabul, die vermehrt aus dem Umland dorthin geflüchtet sind, zu bestärken. Die Caritas liefert dazu den »Rohstoff Geld«, wie Bernhard Grunewald die finanziellen Spenden bezeichnet, um wiederum dringend benötigte Materialien beschaffen zu können. Die Hebammen werden bezahlt und ausgebildet, ihre Fahrten in die umliegenden Orte finanziert und Medikamente beschafft, wodurch wiederum die Betreuung von (werdenden) Müttern und deren Kindern vor, während und nach der Schwangerschaft gewährleistet ist. Für den inSi-Vorsitzenden Grunewald ist das ein zentraler Beitrag, da die Hebammen so mithelfen, fremde Familien zu bilden und ihre eigene ernähren können.

Die Spendenden bekommen, sofern sie Name und Adresse angeben, automatisch eine Spendenbescheinigung ausgestellt. Der komplette Betrag wird an die Caritas international weitergereicht und gelangt von hier »über informelle Geldstraßen« an sein Ziel, erläutert Bernhard Grunewald. »Darauf ist die Caritas international inzwischen spezialisiert.« Die Empfänger in Kabul seien zudem als Nichtregierungsorganisationen (NGOs = non-governmental organisations) hinterlegt und werden von den Taliban geduldet - um eine Tür in internationale Gefilde offenzuhalten, obwohl das afghanische »Regime« als solches nicht anerkannt wird.

Spendenkonto:

Caritasverband Singen-Hegau e.V.
IBAN: DE89 6925 0035 0004 5863 27
Verwendungszweck: »Der Hegau hilft Afghanistan«

Weitere Informationen zu dem Projekt sind zu finden unter www.caritas-singen-hegau.de oder www.caritas-international.de

Politisch soll eine zwölfköpfige Untersuchungskommission auf Staatsebene eingerichtet werden, um die genauen Umstände und Hintergründe des Rückzugs aus Afghanistan zu klären, die FDP-Bundestagsabgeordnete der Region, Dr. Ann-Veruschka Jurisch, ist Teil dieser Runde. Dabei wünscht sich der inSi-Vorsitzende Grunewald, dass der Blick der Kommission auch »nach vorne gerichtet« ist.

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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