Spannendes Podium zum Politischen Aschermittwoch des WOCHENBLATT
Die Demokratie braucht wache und starke Medien

Politischer Aschermittwoch | Foto: Wie wichtig kritische und wache Medien für unsere Demokratie sind, wurde in der Diskussion zum Politischen Aschermittwoch des WOCHENBLATT auf der Bühne der Scheffelhalle aus vielen verschiedenen Blickwinkeln unterstrichen. swb-Bild: mu
  • Politischer Aschermittwoch
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Singen. Der inzwischen 7. Politische Aschermittwoch des WOCHENBLATT in der Scheffelhalle sollte ein deutliches Zeichen setzen: Denn „Macht oder Ohnmacht der Medien“ war als Thema gesetzt, im Jahr des 50. Geburtstags, der großen Wochenzeitung für die Region zwischen Bodensee und Hegau. Denn die aktuelle Lage steht unter dem Eindruck so manchen Angriffs auf das Selbstverständnis der Medien als vierte Kraft im Staat, wie der Zensur durch allmächtige Herrscher und „Fake-News“ aus sozialen Medien.

Zeichen gab es dabei gleich zu Anfang: auf einer Plakatwand wurden Unterschriften gesammelt, mit denen gegen die Inhaftierung des Korrespondenten der »Welt«, Deniz Yücel, in der Türkei protestiert wird. Diese Unterschriften sollen dem Springer-Verlag, der die »Welt« herausgibt, weitergegeben werden als Dokument der Solidarität.

Auf dem Podium diskutierten mit Journalist Wolfgang Messner Ex-Minister Peter Friedrich, Michael Simon als Geschäftsführer des Münchener Wochenanzeigers und Mitglied im Präsidium des Bundesverbands der Deutschen Anzeigenblätter (BVDA), Krimi-Autor Wolfgang Schorlau und ARD-Sprecher Steffen Grimberg. Aus gesundheitlichen Gründen konnten Lokaljournalistin Barbara Fülle aus Friedrichshafen und Josef Otto Freudenreich von der Kontext-Wochenzeitung (Stuttgart) nicht teilnehmen. Dafür war auf dem Podium Markus Wiegand vom Branchenmagazin „Kress pro“ eingesprungen, der auch das Publikum mit einem kurzen Referat begrüßte: Früher sei er, wenn er auf einem Grillfest erschien, mit Bewunderung begrüßt worden. Heute werde ihm erzählt, was die Journalisten so alles verbrochen hätten und rückten ihn schon in die Nähe von Versicherungsvertretern. Dabei sei heute, gegenüber allen Unkenrufen, eigentlich in Sachen Information alles besser. Doch: Die Medienmacher seien für ihn auch „zu weit weg“ von den Menschen. „Haben Sie irgendwo einmal gelesen, dass ein neues Auto nichts taugt“, hinterfragte Wiegand die Unabhängigkeit vieler Informations- und Unterhaltungsmedien. Für ihn geht es dabei auch um die Verantwortung der Leser und Verbraucher. „So lange wir für eine Latte Macchiato drei Euro ausgeben, die wir in fünf Minuten getrunken haben und eine Zeitung, die das gleich kosten würde, als teuer empfinden, haben wir ein Problem“, schloss Wiegand.

An Steffen Grimberg ging die erste Frage, ob den Journalisten wirklich in einer „Blase“ leben: „Bei uns ist letztlich durch den Erfolg der AfD doch ein unsanftes Erwachen entstanden, mit der Frage, ob die „normalen“ Leute in der Berichterstattung vielleicht zu kurz gekommen sind“, räumte der ARD-Mann ein. Michael Simon als Vertreter des Lokaljournalismus bekannte, dass man Begriffen wie Flüchtlingswelle anfangs vielleicht etwas unsensibel umgegangen sei. Peter Friedrich sieht eine enorme Informationsflut und einen immer breiteren Zugang zu Informationen. Die Kehrseite: »Ich muss immer mehr in immer kürzerer Aufmerksamkeitsspanne unterbringen.« Es komme immer öfter die Rückmeldung, das Menschen trotzdem das Gefühl hätten, es werde ihnen etwas vorenthalten, weil alles immer kürzer und schneller gegen müsse.

Wolfgang Schorlau findet, dass viele entscheidende Fragen von Medien nicht aufgegriffen würden. Wie sehe es zum Beispiel aus hinter den Kulissen hinter der Wasserindustrie aus, war seine Frage. Dazu müsse man zuuweilen Krimiautor sein, um dahinter zu schauen. Auch zum Gesundheitswesen werde für ihn zu wenig durch die Medien recherchiert, meinte er.

"Bestimmt Politik die Medien?", war eine weitere Frage von Messner. Für Peter Friedrich hat sich hier in der letzten Zeit der Modus verändert. Politiker gingen inzwischen verstärkt dazu über selbst Öffentlichkeitsarbeit zu machen, Medien würden das oft nicht hinterfragen. Die Tendenz sei freilich, dass Kritik schnell als „Fake-News“ abgetan werde. Markus Wiegand: Während die FAZ oder das Singener Wochenblatt verantwortlich für das sind was sie veröffentlichen, sieht sich „Facebook“ nicht in dieser Rolle, vor allem was darüber transportiert wird. Wolfgang Messner sieht freilich im öffentlich rechtlichen TV die kritischen Politmagazine im Rückzug, weil immer mehr Gesundheitsmagazine gesendet würden. Michael Simon beschwor alte Zeiten: Meine Eltern haben in einer Legislaturperiode tausende Seiten Zeitung gelesen und brauchten keinen Wahl-O-Mat vier Tage vor der Wahl. Wolfgang Schorlau: Wenn die AfD ein Lügenpresse kritisiert, dann meint sie je eigenlich die Medien, die sie kritisieren. Überhaupt immer wieder die Frage nach den sozialen Medien. Die Medien müssen eine kritischere Haltung gegen der Politik einnehmen als sie die gegenwärtig tun“, bemerkte er. Peter Friedrich sieht ein Problem der Medien, mit sich selbst selbstkritisch umzugehen.

Wie schwer hat es da der Lokaljournalismus. Tun die lokalen Blätter genug, um hier für fundierte Information zu sorgen, die nicht von der Politik bestimmt ist? Gerade im Lokalbereich wurde da doch immer eine spürbare Nähe zwischen der Politik und den Journalisten attestiert und zuweilen auch der lokalen Wirschaft, was durch nicht von der Hand zu weisende Abhängigkeiten gegeben ist. Warum hat Wolfgang Schorlau als Krimiautor ein Buch über Stuttgart 21 geschrieben, wo es doch jede Menge Berichterstattung gab? Schorlau befindet den Bahnhof als Irrsinn und viel zu klein. Dass das so möglich war, hängt für ihn mit den Medien zusammen, die sich mit ihren Spitzen hinter das Projekt gestellt hätten. »Sie tragen einen großen Anteil daran, dass Stuttgart diesem Wahnsinn überlassen wurde, der uns noch viel Geld kosten wird.“ Nicht umsonst habe das dazu geführt, dass eine eigenständige neue Publizistik zum Beispiel die „Kontex-Wochenzeitung“ entstanden seien, die auf Unabhängigkeit poche.

Peter Friedrich befand, dass es sich Medien per „Boulevardisierung“ leicht machten, indem sie einfach ihre Leser zu komplexen Themen wie TTIP sprechen ließen, was den Prozess eigentlich nicht wiedergeben könnte. Das habe fachlich keinen Bestand gehabt.

„Journalismus hat gerne gemeckert, aber wenig Ansätze für Lösungen gezeigt“, warf Wigand ein. Er verwies auf die neue in Dänemark gestartete Initiative eines „konstruktiven Journalismus“, der auch Lösungsansätze aufzeige. Es gebe das Gefühl, das alles immer Schlimmer werde, da müsse ein Journalismus einfach gegensteuern. Steffen Grimberg sieht wiederum eine Reform der öffentlich rechtlichen Medien für notwendig an. „Wir müssen im Netz mehr machen können, denn da sehe ich auch die Zukunft.“ Auch dort wolle mab verlässliche Qualität bieten.

„Die Demoktraie wird im Augenblick in Frage gestellt, da brauchen wir wache Medien, um diese Demokratie zu verteidigen“, pochte Wolfgang Schorlau zum Abschluss. Das gab ausdrücklichen Applaus.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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