Kaisers »Spieldose« in der Färbe
Der Krieg ist da
Singen. Der erste Weltkrieg war weit weg von den Klippen der französischen Atantikküste, doch er kam immer dann ganz nah heran, wenn einer jener, die weit weg in diesen Krieg zogen, nicht mehr wiederkehren würde. So war das mit Paul (Ben Ossen), dessen Todesnachricht durch den Bürgermeister Parmelin (Elmar F. Kühling) an seinen Vater Pierre (Patrick Hellenbrand) und seine Verlobte Noelle (Milena Weber) überbracht wurde. Doch Beiden ging die Nachricht gar nicht so nahe: die Prozedur des Lesens der immer selben Briefe aus den Gräben des fernen Stellungskriegs zu den Klängen der »Spieldose«, die dem Stück von Georg Kaiser von 1943 seinen Namen gab, hatte die beiden längst sich näher gebracht - so nahe, dass die Todesnachricht beinahe schon als Befreiung empfunden wurde, denn schnell wird aus den Zurückgebliebenen ein Ehepaar - wenn auch ohne Hochzeitstanz - mit einem Sohn, der der neue Paul werden soll - ganz weit weg vom Krieg.
Doch dann ist der Krieg plötzlich wieder nah: denn der erste Paul ist nicht tot, wurde in den Wirren eines schrecklichen Gemetzels verwechselt, hat aber sein Gedächtnis verloren, kehrt sogar ins Dorf zurück von einer Stunde auf die andere, wird als Knecht beim Vater und seiner ehemaligen Verlobten verdingt. Eine Konfrontation, die grotesker nicht sein könnte.
Die Spieldose führt den gedächtnislosen Paul freilich in die Erinnerung zurück, doch mit dem was dann geschieht, ist sein Leben endgültig verspielt - das expressionistische Drama kennt keine Schonung im Showdown, denn nun ist er ganz da dieser Krieg bei dem es keinen Unterschied mehr gibt zwischen denen, die ihr Leben verlieren und denen, die dem Tod noch ein Schnippchen zu schlagen meinten. Peter Simon hat hier den Start in 2017 mit einem starken Ausrufezeichen begonnen.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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