Auftakt mit vielen Verbesserungsvorschlägen
Das 9-Euro-Ticket zeigt viele Mängel auf
Landkreis Konstanz. Ob Zufall oder nicht, dass das 9-Euro-Ticket als Rezept gegen steigende Energiepreise und die galoppierende Inflation gerade zu den Pfingstferien gestartet wurde. Für den Freizeitverkehr hat es auch gut eingeschlagen und die Züge waren voll, für die Schlagzeilen sorgen die wenigen Züge, die dann zu voll waren. Während die Bahn und das Verkehrsministerium noch am Nachrüsten sind, um mehr Material auf die Schiene zu bringen, muss es jetzt freilich schon um die Zeit nach dem »9-Euro-Ticket« gehen.
»Das 9-Euro-Ticket bringt mehr Fahrgäste in unsere Züge. Das ist - gerade nach den Corona-Jahren - erfreulich, aber nicht verwunderlich«, meint der Landtagsabgeordnete Hans-Peter Storz in einem Statement vom Sonntag zum Abschluss der Pfingstferien. Denn der starke Preisnachlass schaffe kurzzeitig eine neue, vor allem touristische Nachfrage. »Unsere Bahnunternehmen und Verkehrsverbünde haben ihre erste Bewährungsprobe weitgehend bestanden. Unternehmungslustige Reisende nehmen es vielleicht hin, wenn vereinzelt Züge wegen Überfüllung Fahrgäste an den Bahnsteigen zurücklassen müssen. Für Berufspendler ist dies jedoch untragbar«, sieht Storz die Verkehrsverantwortlichen vor dringenden Aufgaben.
Das Land hat kurzfristig zusätzliche Zugkilometer bestellt, um die höhere Nachfrage zu decken. Als Sofortmaßnahme möge das genügen, doch langfristig benötige man mehr Züge, die häufiger fahren. Mit dem Ausbau der Kapazitäten auf der Schiene dürfe man nicht zögern, sondern müsse heute beginnen, so Storz weiter. Doch die Landesregierung wolle sich bis 2024 Zeit lassen, um zunächst ihre Angebotskonzeption zu überarbeiten. Das dauert zu lange und blockiert bis dahin mögliche Verbesserungen, zum Beispiel im Landkreis Konstanz.
»Wann fahren mehr Züge, um die hohe Nachfrage aufgrund des 9-Euro-Tickets zu decken. Warum wird in Baden-Württemberg wegen des 9-Euro-Tickets die Grundsicherung für Hartz-IV-Empfänger gekürzt?« Fragen, wie diese, betreffen unmittelbar die Landespolitik. Storz, als verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, war bislang übrigens der einzige Abgeordnete aus der Region, der sich zu dem Thema gemeldet hatte.
Das Land hatte nach dem chaotischen Pfingstwochenende bald reagiert, und manchen alten Zug von privaten Betreibern engagiert, um mehr Züge vor allem für die touristische Nutzung am Wochenende im Einsatz zu haben. Die Schweizer Bundesbahnen helfen schon bald mit mehreren Zugpaaren aus, um die seit einigen Monaten klaffenden Lücken im Fahrplan der Schwarzwaldbahn zu stopfen, wie letzte Woche noch mitgeteilt werden konnte.
Auch das »Southside-Festival« am letzten Wochenende wurde da zur Bewährungsprobe, bei der sogar die erst kürzlich reaktivierte Ablachtalbahn eine Rolle spielen durfte. Züge aus München fuhren bis Meßkirch zum Bustransfer. Auch das dank des 9-Euro-Tickets.
Für viele, die im Bahnfahren eher ungeübt sind, brachten die Tests mit dem 9-Euro-Ticket viele ganz neue Erfahrungen und das Gefühl, dass »Ankommen« zur Glückssache werden kann, angesichts von Verkehrssystemen, die schon vor den Sparpreisen nicht funktionierten.
Die Angst immer irgendwo zu »stranden«
Das 9-Euro-Ticket hätte sich Anfang des Jahres wohl niemand zu erträumen gewagt. Ein Schnellschuss der Politik nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs und der damit verbundenen Energiepreissteigerungen wegen der »knappen Ware« machte ein Angebot möglich, mit dem sich tatsächlich eine Menge Geld sparen lässt, auch wenn wohl erst viel später als nach den drei Monaten »9-Euro-Ticket« klar wird, was das letztlich den Staat kostet, was er davon durch neue Kunden zurück erwirtschaften könnte, und was am Schluss doch wieder bei den Steuerzahlern hängen bleiben wird.
Auf jeden Fall ermöglicht das 9-Euro-Ticket ganz andere Blickwinkel zum Thema Mobilität.
Also an Fronleichnam von Gottmadingen nach Basel mit dem Billigfahrschein. Ob das geht, war gleich die erste Frage, die zu klären war. Es geht, weil deutsche Strecke. Es ginge nur nicht, wenn man von Schaffhausen die S-Bahn nach Erzingen nutzen wollte, denn die wird von der Schweizer Bahn betrieben, war die Antwort. Dann nach der elektronischen Fahrplanauskunft auf zum Bahnhof. Und da gehts schon los: »Der Zug fährt heute leider nicht«, wird wenige Minuten vor Ankunft über Lautsprecher bekannt gegeben. Grollen regt sich bei den Wartenden, die ja alle nicht nur aus Spaß wohin wollten. Zum Beispiel eine frisch entlassene Patientin der Kliniken Schmieder, noch mit Gehilfe bewaffnet. Da zeigte sich schnell der »Bahn-Amateur« entblößt. Andere Wartende hatten gleich das Handy gezückt und zauberten aus irgendwelchen Apps die Information heraus, dass der Regionalexpress, in den man hätte eigentlich in Schaffhausen zusteigen müssen, ausnahmsweise hier in Gottmadingen halten würde. Diese Durchsage kam dann übrigens vielleicht zwei Minuten vor dem Eintreffen des Zugs tatsächlich auch noch - als kleine Überraschung. Aber danach klappte tatsächlich fast alles bis zur Ankunft. Und mit diesem Zug ist man auch wirklich viel schneller in Basel drin, wie sicher alle beipflichten, die sich hier schon den Hochrhein entlang gequält haben.
Zurück wurde es dann etwas ambitionierter am Abend. Beim Knipsen des personalisierten Tickets trübte der Schaffner (beziehungsweise Zugbegleiter) die Hoffnung auf eine problemlose Rückfahrt. Denn der Zug, auf den man wiederum in Schaffhausen umsteigen sollte, fahre auch in der Abendverbindung nicht »wegen Reparaturarbeiten«. »Fahren Sie nach Singen und nehmen dann den Zug zurück«, rät er. Das ist zwar eine halbe Stunde mehr, aber klang mal überzeugt. Mit Bahn-Realitäten wurde man dann beim Aussteigen in Singen konfrontiert: "Fällt heute aus" stand in der Anzeige. Und für die nachfolgenden Verbindungen wird das gleiche auch noch angezeigt.
Wie jetzt heimkommen, ist eine spannende Frage. Schließlich wartet ja noch ein Arbeitstag am nächsten Morgen. Also erst mal zum Busbahnhof, der verheißungsvoll die Linie 301 nach Gailingen um 21.35 Uhr und noch mal eine Stunde später ankündigt. Doch der Bus kommt nicht. Das hatte er gar nicht vor. Die Leuchtanzeige am ZOB kündigt die nächste Verbindung erst im 5.03 Uhr am nächsten Morgen an. Die Nachschau auf den zwei Blättern dort mit Taschenlampe ergibt: einer der Pläne ist sogar noch von 2020, und das im neuen Busbahnhof. Der andere führt das Wort »Ferienfahrplan« auf, ohne wirklich kund zu tun, welche Verbindungen dann wegfallen, weil sie nur von SchülerInnen benutzt wird. Das ist schon ein herber Augenblick und die Begleitung ruft schon laut nach einem Taxi. Wie durch Zufall sieht man doch wieder einen der roten Triebwagen in den Singener Bahnhof einfahren und folgert, dass man damit doch noch irgendwann an den Heimatbahnhof kommen könne. Und tatsächlich wendet sich das Blatt wieder zum Guten. Im Zug treffe ich eine Gruppe Skater wieder. Die waren auf der Hinfahrt auch schon im Zug gewesen, auf der Fahrt nach Freiburg zu einem Contest. Und auf der Rückfahrt waren sie auch wieder im Zug, nun auch froh endlich nach Hause zu kommen. Die wussten allerdings mit ihren Apps besser Bescheid und, dass da doch noch ein Zug kommen würde und waren cool geblieben.
Mit dem Auto wäre einem das nicht passiert. Vielleicht wäre es aber einfach langweiliger gewesen.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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