Tanja Heiß gibt ihren Job für eine Ausbildung im väterlichen Betrieb auf
Dann doch zu Schusters Leisten
Singen. Das Handwerk liegt schon lange in der Familie. In der Schuhwerkstatt von Hermann Heiß in der Singener Scheffelstraße sind einige Schuhe ausgestellt, die sichtbar aus früheren Zeiten kommen. „Die hat mein Großvater noch gefertigt, die Schuhe sind so gut erhalten, weil der Auftraggeber damals vor plötzlich gestorben war und die Schuhe gar nicht mehr anziehen konnte“, erzählt Hermann Heiß. Es sind die typischen Schuhe vom Land, die auch viel aushalten müssen, also beste Qualität.
Dass Herrmann Heiß auch dieses Handwerk fortführte war für ihn keine Frage, auch wenn sein Weg etwas anders verlief. Viele Jahre war er in einem Unternehmen beschäftigt, das viele Filialen für Schuhreparaturen unterhielt und dort in der Blitzausbildung für die bald selbständigen Täten Menschen tätig, bis er sich wieder auf sein Handwerk besann und vor 17 Jahren seinen Schuh-Service in der Singener Scheffelstraße eröffnete. Dort ist er eine heiß begehrte Adresse, für alle Menschen die mehr oder weniger dringend einen „Schuhdoktor“ benötigen weil der Absatz ab ist, oder die Schuhe sonstige Leiden haben, die die Trägerinnen und Träger alsbald beseitige haben wollen, weil sie wieder Freude an ihrem Schuh haben möchten. Auch bei Handtaschen ist die Schuh-Werkstatt eine sehr stark frequentierte Adresse. Diese Ära hat für Hermann Heiß ein baldiges Ende denn das Rentenalter ist erreicht.
Doch da stellte sich eine kniffelige Frage: Sollte er nach 45 Berufsjahren tatsächlich der letzte seiner Familie sein, der dieses Handwerk ausführen würde? Seine Tochter Tanja hatte sich schon vor 20 Jahren anders entschieden gehabt, als er noch Angestellter des großen Unternehmens war. Das war ja damals auch keine Perspektive gewesen. Tanja hatte für sich den Weg in einer kaufmännischen Karriere gewählt. „Ich war für 20 Jahren als Assistentin der Geschäftsleitung in einem Singener Baustoffunternehmen tätig, und dieses Unternehmen ist mit mir auch groß und erfolgreich geworden“, erzählt sie stolz. Und das hätte auch so weiter gehen können.
Wenn da nicht doch die Frage von ihrem Vater gekommen wäre, was denn nun aus der Schuh-Werkstatt werden sollte. Man kann sich denken was da für Herzblut drin steckt. Also dicht machen, die Geräte verkaufen, die Familientradition abschließen? Natürlich hat Hermann Heiß doch seine Tochter gefragt. „Das Herz hat nach einigen Wochen entschieden, dass das einfach nicht aufhören soll“, sagt Tanja Heiß. „Es ging viel schneller als ich dachte.“ Ihr Lächeln verrät, dass diese Entscheidung im Nachhinein eine Menge ausgelöst hat. Zum 1. Oktober hat sie die Schuhwerkstatt übernommen, und gleichzeitig ist sie bei ihrem Vater noch in der Ausbildung, um das Handwerk auch wirklich einmal genau so gut zu beherrschen wie ihr Vater. „Es war schon so, dass ich hier im Grunde genommen noch mal von vorne anfangen musste“, gesteht sie, aber auch schon mit einem herzlichen Lächeln. Denn der Beruf machte ihr auf Anhieb jede Menge Spaß, jetzt ist es das Handwerk, das sie als Kind schon bei ihrem Vater erlebt hat. „Jeden Tag lerne ich dazu, auch wenn die Meßlatte natürlich hoch hängt“- bei den 45 Jahren Berufserfahrung ihres Vaters. „Viele unterschätzen das Handwerk einfach“, fügt sie hinzu, denn gerade bei der Reparatur von Taschen ist Handwerkskunst wirklich gefragt. Ihr Vater ist glücklich. Als „Ruheständler“ ist der nun im Geschäft seiner Tochter um sein Handwerk weiter zu geben. Eben: wahrscheinlich geht die Tradition noch weiter zurück als bis zum Großvater. Und nun bleibt sie in der Familie.
Oliver Fiedler
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Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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