Aktionstag der Kliniken gegen Kahlschlag-Politik
"Alarmstufe Rot" auch beim Gesundheitsverbund ausgerufen

Ein Bild aus einem Übungsszenario des Gesundheitsverbunds im Landkreis. Auch der Verbund sieht sich bedroht, wenn die Politik nicht endlich einen Kurswechsel zu mehr Wertschätzung für die Krankenhäuser kommt. | Foto: Fiedler/ Archiv
  • Ein Bild aus einem Übungsszenario des Gesundheitsverbunds im Landkreis. Auch der Verbund sieht sich bedroht, wenn die Politik nicht endlich einen Kurswechsel zu mehr Wertschätzung für die Krankenhäuser kommt.
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Kreis Konstanz. „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ lautet das Motto des heutigen bundesweiten Aktionstages, mit dem die Kliniken in ganz Deutschland auf ihre dramatische wirtschaftliche Situation aufmerksam machen. In Baden-Württemberg haben sich BWKG, Marburger Bund und ver.di angesichts der äußerst schwierigen Lage zu einem Bündnis zusammengeschlossen und fordern schnelle Hilfen. Sie kritisieren die Bundesregierung: Bedarfsgerechte Patientenversorgung und Löhne der Beschäftigten müssen finanziert werden. Der Gesundheitsverbund des Landkreises hat sich dem Bündnis nach seinen Angaben angeschlossen.

Für das Land wurde folgende gemeinsame Medienmitteilung gesetzt: „Wie ernst die finanzielle Situation der Krankenhäuser im Land ist, hat der Krankenhaus Rating Report erst in der vergangenen Woche erneut deutlich gemacht. Danach sind 29 Prozent der baden-württembergischen Krankenhäuser von einer Insolvenz bedroht“, macht der darin Vorstandsvorsitzende der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Heiner Scheffold, deutlich. Dass so viele Krankenhäuser von Insolvenz bedroht sind, ist eine direkte Folge der jahrelangen Sparpolitik auf dem Rücken der Krankenhäuser.

„Die Einnahmen steigen durchschnittlich, die Kosten weit überdurchschnittlich. Dass sich das nicht rechnen kann, ist schlicht logisch“, so Scheffold weiter. Denn die überdurchschnittlich hohen Personalkosten im Land werden nach wie vor genauso wenig finanziert wie das nachhaltig gestiegene Preisniveau. Auch die vollständige Finanzierung der Investitionskosten lasse weiter auf sich warten. „Wenn nichts passiert, werden den Krankenhäusern im Land im Jahr 2023 mindestens 620 Millionen Euro fehlen. Die Bundesregierung müsse hier schnell handeln und die finanzielle Situation der Krankenhäuser durch ein Vorschaltgesetz schnell stabilisieren. Auf jeden Fall noch vor der geplanten Krankenhausreform“, unterstreicht Scheffold. Ohne vorherige Stabilisierung der Krankenhausfinanzen mache die geplante Reform keinen Sinn.

„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern stellen an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr die Versorgung der Patientinnen und Patienten sicher. Doch ihre Arbeit beschreiben viele Ärztinnen und Ärzte so: Steigende Arbeitsbelastung, unzureichende Personalausstattung, Dokumentationswahn, kaum Zeit für Gespräche und fehlende Wertschätzung für die ärztliche Arbeit“, so Sylvia Ottmüller, die 1. Landesvorsitzende des Marburger Bundes Baden-Württemberg. Gerade in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels müssten die Krankenhäuser ihrem hochqualifizierten Personal aber konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen bieten können. Dazu gehörten natürlich auch gute Gehälter, deren Finanzierung von der Politik in vollem Umfang sichergestellt werden müsse

„Ganz entscheidend für gute Arbeitsbedingungen ist aber auch, dass die Bürokratie auf ein erträgliches Maß reduziert wird. Bislang hat sich hier nichts bewegt und hier geht wertvolle Arbeitszeit zur Versorgung der Patientinnen und Patienten verloren“, macht Ottmüller deutlich und verweist auf eine Umfrage des Marburger Bundes Baden-Württemberg unter seinen Mitgliedern im Südwesten: Fast 60 Prozent der Ärztinnen und Ärzte sind im Durchschnitt pro Arbeitstag bis zu 30% mit nicht-ärztlichen Verwaltungstätigkeiten beschäftigt.

„Dass die Krankenhäuser in Baden-Württemberg im Vergleich hohe Personalkosten haben, kommt nicht von ungefähr“, unterstreicht Irene Gölz, Landesfachbereichsleiterin Gesundheit des ver.di Landesbezirks Baden-Württemberg. „34,6 Prozent der Krankenhäuser mit 67,4 Prozent aller Betten sind in Baden- Württemberg in öffentlicher Hand und damit an Tarife wie den TVöD oder den TV-UK gebunden. Das ist gut so. 21,5 Prozent der Krankenhäuser mit 18,2 Prozent der Betten sind in freigemeinnütziger Trägerschaft und bezahlen auf TVöD-Niveau. In den letzten Jahren haben wir es geschafft, dass sich auch die privaten Klinikkonzerne diesem Niveau annähern. Damit bezahlen fast alle Krankenhäuser im Land nach einem Tarif. Diese ordentliche Tarifbindung darf aber kein Nachteil sein und muss zwingend refinanziert werden“, so Gölz. Weitere Tarifsteigerungen dürften nicht über Personalabbau oder Leistungsausweitung refinanziert werden müssen. Noch mehr Belastung beim Personal sei nicht akzeptabel.

„Was die Beschäftigten brauchen, ist weniger Arbeitsverdichtung und mehr Kolleginnen und Kollegen. Dazu gehört die rasche Einführung bedarfsgerechter Personalvorgaben mit der von ver.di, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat entwickelten PPR 2.0 für die Pflege im Krankenhaus“, macht Gölz deutlich. Außerdem müsse das Land seiner Verpflichtung zur Finanzierung der notwendigen Krankenhausinvestitionen endlich vollständig nachkommen. Versichertenbeiträge, die für die Krankenversorgung und das Personal gedacht seien, dürften nicht länger für Investitionen in Gebäude und Geräte zweckentfremdet werden.

Scheffold, Ottmüller und Gölz sind sich einig: Die Bundesregierung muss durch ein Vorschaltgesetz umgehend eine verlässliche und faire Krankenhausfinanzierung sicherstellen. Nur so können die Kliniken ihren Versorgungsauftrag erfüllen, attraktive Arbeitgeber bleiben und finanziell über die Runden kommen. Mit der bundesweiten Aktion „Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Not“ wird die schwierige wirtschaftliche Lage der einzelnen Krankenhäuser deutlich gemacht und schnelle Lösungsvorschläge von der Politik gefordert. An der Aktion beteiligen sich auch viele baden-württembergische Krankenhäuser.

Die Bündnispartner haben am 20. Juni auch eine Online-Petition gestartet und bitten damit die Bevölkerung um Unterstützung für eine leistungsfähige wohnortnahe Gesundheitsversorgung.

Quelle: Gemeinsame Mitteilung BWKG, Marburger Bund und ver.di

Autor:

Presseinfo aus Singen

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