Hallo und guten Tag
Ostern wird ein Fest der Bettelbrief

Es sind ja nur noch wenige Tage bis Ostern und bei unseren Nachbarn war es in den letzten Tagen verdächtig ruhig. Die fünf Buben und Mädchen schienen vom Erdboden verschluckt; kein Lachen, kein Streit, kein Fußballspiel, nichts, rein gar nichts. Das war direkt unheimlich. Struppi hat die ganze Bande schließlich entdeckt und gemeinsam schlichen wir um das Haus und beobachteten ihr Treiben. Farbstifte, Filz, Geschenkbänder, Konfetti, und sonstiges Material lag fein sortiert auf dem Regal. Die Rasselbande hantierte mit Zwiebeln, Teeblättern, Blüten, und Eiern. Gemeinsam fabrizierten sie Ostereier jeglicher Art. Bei der Kleinsten glichen die Eier modernen Kunstwerken. Hemmungslos hatte sie die Eier mit Konfetti und Geschenkbändern beklebt. Picasso war ein Waisenknabe daneben. Die größeren Geschwister färbten die Eier mit Zwiebelschalen und Teeblättern. Die Ältesten waren schon richtige Meister. Kunstvoll beklebten sie die Produkte aus dem Hühnerstall mit verschiedenen Blättern und Blüten. Nach Färben und Trocknen wurden Blüten und Blätter entfernt; ich konnte nur noch staunen, liebe WOCHENBLATT - Leserinnen und - Leser, das waren richtige Kunstwerke. Die Kinder waren so beschäftigt, dass sie uns gar nicht bemerkten und ich kannte den Grund für die ungewohnte Ruhe. Michael, der Älteste, zählte die Eier durch. Für die Ostergeschenke fehlen noch 10 Eier und 3 Osterkörbe, so seine Feststellung. Da durfte also nicht gestört werden, die waren noch eine Weile beschäftigt. Das ist doch eine feine Sache, wenn Kinder so eine Osterbastelei durchziehen um den Erwachsenen eine Freude zu machen. Bei mir zu Hause verliefen die letzten Wochen und Tage nicht so ruhig. Meine Chefin, die allerbeste Ehefrau und Leibköchin bekam fast täglich Post. Die Briefe enthielten immer irgendwelche Geschenke und ich wartete täglich mit Spannung auf den Briefträger. Nein, ich hatte es nicht auf dessen Hosenbeine abgesehen. Viel spannender war die Frage nach den neu eintreffenden Geschenken. Mit Adressaufklebern ist sie nach meinem Dafürhalten für die nächsten zwei Jahre versorgt. Meine Leibköchin könnte auch ein Museum mit solchen Aufklebern eröffnen. Ich für meinen Teil habe das Museum schon geplant; es gäbe die Abteilung »Spartanisch«. Die Zettelchen sind nur mit der Adresse meiner Chefin bedruckt und unterscheiden sich durch die verschiedenen Farben. Die Abteilung »Kunst« wäre in die Bereiche 19., 20.und 21. Jahrhundert eingeteilt; zusätzlich gäbe es die Gruppe Kitsch. Ehrlich, da flatterten Dinger ins Haus, die kann man keinem zumuten. Eine weitere Abteilung meines Museums stünde unter dem Motto »Natur«. Nicht vergessen dürfte ich die Abteilung Postkarten - ebenfalls jeglicher Art und jeglichen Stils -. Was für Zweibeiner sind das nur, die die allerbeste Ehefrau mit Briefen und Geschenken eindecken, das fragte ich mich schon. Da tauchte ihre Freundin Marlene auf und meine Chefin erzählte von den vielen Briefen. Die Freundin tippte sofort richtig. Bettelbriefe en masse und für einhunderttausend verschiedene Projekte. Meine Leibköchin verstand das nicht. Sie hatte seit vielen Jahren immer die gleichen Einrichtungen mit Spenden unterstützt, es war aber nie zu solchen Massen von Bettelbriefen gekommen. Erst in letzter Zeit wurde es immer schlimmer und jetzt vor Ostern hat das kein Ende genommen. Sie wurde von Organisationen und Einrichtungen angeschrieben mit denen sie noch nie zu tun hatte und ganz langsam wurde sie richtig sauer. Marlene erklärte das Geschäft mit dem Adressenhandel. Darunter hätten viele seriöse Einrichtungen zu leiden, weil die mit Bettelbriefen überfluteten Zweibeiner irgendwann entnervt aufgäben und gar nicht mehr spenden würden. Wissen diese Anschriftenhändler eigentlich was sie anrichten? Oder geht es den Herrschaften nur um die Kohle und an einem gewissen Körperteil vorbei? Falls Sie so einen Typen ausfindig machen, melde ich mich gerne als Wadenbeißer. Meine Chefin hatte am letzten Wochenende einen Sortiertag für Bettelbriefe eingelegt. Maßstab war das Prüf - Siegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen. Zufrieden hat sie ihre Spenden überwiesen, weil das Prüf - Siegel Qualität garantiert.

Jetzt wünsche ich Ihnen schöne Osterfeiertage und bleibe bis zum nächsten Mal, Ihr bunter Hund

Autor:

Redaktion aus Singen

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