Liebe Leserinnen und Leser,

das Thema Vertrauen hat sich uns für diese Woche tatsächlich fast aufgezwungen. Was müssen wir tun, dass wir uns in dieser Krise weiter vertrauen können? Etwas, glauben wir, müssen wir tun, damit wir uns zutrauen, wieder einen Weg aus dieser Krise zu finden. Es schwant uns: In jedem Fall nicht so weitermachen:

Vertrauen I: Huawai sponsort den CDU-Landesparteitag und die Rede von Armin Laschet, das ist eine Schlagzeile, die man erst einmal verdauen muss. Letztlich muss man es tiefer hängen, aber auch ein paar tiefergehende Fragen stellen: Manuel Hagel, Generalsekretär der CDU Baden-Württemberg, erklärt dazu, dass der chinesische Technologiekonzern seit Jahren Aussteller sei bei Parteitagen, nicht nur bei der CDU, sondern auch bei der SPD. Ja, klar, das dient der Finanzierung der Parteien, die es, das hören wir von Wahlkämpfern der Region, gar nicht einfach haben, überhaupt noch ihre Wahlkämpfe zu finanzieren. Demokratie braucht eben Unterstützung. Und wir alle dürfen uns die Frage stellen, ob wir uns nicht anders, vor allem intensiver, engagieren könnten und müssten in dieser Demokratie. Oder ob wir lieber zulassen, dass ein Techkonzern aus dem Land, in dem die Digitalisierung schon lange zum Überwachungsstaat geführt hat, die demokratische Bühne nutzt, um sich sozial bei den Konsumenten reinzuwaschen. Fazit: Vertrauen braucht Engagement und persönlichen Einsatz von uns allen oder zumindest wieder von mehr von uns. Es reicht eben nicht, nur seinen Job zu machen und ansonsten das Privatleben zu genießen, um eine Gesellschaft am Laufen zu halten. Wenn wir glauben, dass wir einfach bequem auf der Couch liegen können, dann werden andere sich engagieren mit Geld, mit Zeit – und infolgedessen auch Machtansprüche erheben.

Vertrauen II: Die Stimmung in der Bevölkerung kippt langsam und das ist nicht gut: Die Querdenkerbewegung ist zu Teilen als Geschäftsmodell enttarnt und viele Menschen sehen die Coronapolitik zwar durchaus im Detail kritisch, kritisieren unklare und wenig produktive Hilfeprogramme und das Fehlen einer klaren Perspektive und Strategie, aber letztlich haben Großteile der Bevölkerung die Coronapolitik mit AHA-Regeln und Lockdown mitgetragen und es gibt immer noch eine absolute Mehrheit in der Bevölkerung, die für die Lockdown-Maßnahmen sind. Jetzt allerdings erleben die, denen gesagt wurde, dass sie als erstes mit Impfen dran sind, ihren persönlichen Alptraum: Stundenlang hängen viele Senioren am Telefon, um einen Impftermin zu bekommen, ohne jeden Erfolg. Arbeitnehmer in den Pflegeberufen, die eigentlich erwarten könnten, dass ihre Arbeitgeber Impftermine organisieren können, müssen sich selbst um Impftermine kümmern und schaffen es, genau wie viele Senioren nur mit viel Vitamin B (also gute Beziehungen) an die begehrte Spritze zu kommen. Und so fahren dann Menschen durch die Lande, weil sie irgendwo anders irgendwie an einen Impftermin gekommen sind. Solcherlei Chaos war beim Berliner Flughafen irgendwie schräg und teuer, aber letztlich harmlos. Wenn es dann um Menschenleben geht, will man kein Verständnis mehr dafür haben und man muss sich ernsthaft fragen, was in unserem System da falsch läuft. Und das tun gerade viele und drohen letztlich das Vertrauen in den Staat zu verlieren, weil sie ohnmächtig alleine gelassen werden.

Vertrauen III: »Die Bazooka hat Ladehemmungen«, immerhin hat Susanne Eisenmann, Spitzenkandidatin der CDU für die Landtagswahl, in einer Runde mit den Einzelhändlern der Region am vergangenen Freitag klar geäußert, dass sie die Verärgerung der anwesenden Händler in der Zoomkonferenz versteht. Und sie hat sich Zeit genommen für die Belange der Händler, unter anderem gesagt, die Händler seien keine Bittsteller. Die Realität allerdings ist leider, dass sich die Händler wie Bittsteller fühlen. Bis heute werden Hilfen nicht ausgezahlt. Für die Überbrückungshilfe III können die Anträge nicht einmal ausgefüllt werden, weil die Software nicht funktioniere, wie Reiner Wöhrstein, Fotohändler aus Singen, in der Runde sagte. Die Händler, so viel ist klar, sie vermissen Perspektiven. Wir waren jetzt bei mehreren Zoomkonferenzen oder haben sie im Nachhinein angeschaut, in denen den Einzelhänd-lern von Parteivertreterinnen und Parteivertretern geraten wurde, eben mehr Druck zu machen in Richtung Berlin oder Stuttgart. Zuletzt ist das bei einer Zoomkonferenz geschehen, zu der die Grünen in Singen Händler und Handelsvertreter geladen haben. Und da stellt man sich unweigerlich die Frage: Ist die Kommunikation in den Parteien so schlecht? Wäre es nicht Aufgabe aller hier gewählten Volksvertreter, diesen Druck aufzubauen? Der Druck auf jeden Fall, der in der Wirtschaft für Unternehmer*innen, Führungskräfte und Arbeitnehmer*innen bereits existiert, wird gesundheitliche Folgewirkungen haben. Wer genau hinschaut, stellt fest, dass das bereits der Fall ist, die Statistiken dazu werden leider zu spät kommen.

Und dann ist da noch das Thema Solidarität: wenn Teile der Gesellschaft für andere Teile verzichten müssen auf Umsätze, im Extremfall auf ihren sicheren Arbeitsplatz, auf wirtschaftliche Existenz etc., dann haben wir auch die Verantwortung, denen konsequent zu helfen, die gerade verzichten, und sie von der Politik aus nicht zu Bittstellern zu degradieren und sie einfach im Regen stehen lassen. »Wir« sind aber nicht nur die Politik. Es ist mehr als unfair, wenn zum Beispiel der Handel jetzt geschlossen lässt, um unsere Leben zu retten und wir dafür bei Amazon bestellen … Das ist übrigens eines der Motive hinter unserer mittlerweile seit rund acht Wochen laufenden Kampagne (alles darüber unter www.wochenblatt.net/deineregion/).

Vertrauen IV:
Wenn junge Menschen an morgen denken in dieser Zeit, dann geht es ihnen anders als beispielsweise Mittfünfzigern in ihrer Jugendzeit. Die jungen Leute sind deutlich verunsichert. Nach einer Umfrage des Forschungsverbundes Kindheit – Jugend – Familie in der Coronazeit unter 7.000 15- bis 29-jährigen im November 2020 haben nur 12 Prozent in dieser Altersklasse gar keine Angst vor ihrer Zukunft, 25 Prozent haben eher Angst und 20 Prozent haben »voll Angst«. In den allgemeinbildenden Schulen hat man ihnen oft gesagt, sie müssen studieren, um Perspektiven zu haben, Corona und die oft nicht gut funktionierenden Homeschoolingkonzepte tun das Übrige. Hans-Peter Storz, Landtagskandidat der SPD für den Wahlkreis Singen-Stockach und selbst Lehrer, sagte dieser Tage: »Wir haben noch keine Ahnung, wie viele da durchs Raster fallen und den Anschluss verloren haben.« Dr. Isabelle Büren-Brauch spricht gar davon, dass in den Grundschulen bei den Zweit- bis Viertklässlern nur noch 30 Prozent der Schüler erreicht werden. Und das in einem Staat, der Schulpflicht in den Gesetzen stehen hat …

Zurück zu »alle müssen studieren«: Nach dem Studium warten auf viele Absolventen mittlerweile leider prekäre Trainee und Praktikantenkarrieren … In vielen Schulen wird offensichtlich vergessen, dass nicht alle Menschen ihre große Stärke in der Theorie haben, es gibt genauso viele Praktiker wie Theoretiker. Vertrauensbildend ist dieses Vorurteil, dass alle Schülerinnen und Schüler studieren sollen, das in vielen Schulen geprägt wird, nicht. Und wenn man die vorigen Punkte gelesen hat, wird einem klar: Die Gesellschaft braucht dringend auch Praktiker, die in Welt eins dafür sorgen, dass all die theoretisch aufgegleisten Prozesse und all die tollen Softwareprogramme auch tatsächlich funktionieren, und diese Praktiker sollten ordentlich bezahlt werden können … Und es sollte aus unserer Sicht wieder einmal darum gehen, zu differenzieren und zu erkennen, dass nicht alle Menschen gleich sind, weil nicht alle Menschen das Gleiche können …

Die Arbeitswelt von morgen entsteht durch Vertrauen unter anderem zwischen Eltern, einzelnen Unternehmen, Lehrer*innen an den Schulen und dem einzelnen jungen Menschen und das Erarbeiten von Perspektiven. Und da sind wir froh, dass wir in dieser Ausgabe mit dem »Guck Arbeitswelt« Einblicke und Orientierung geben können in die Welt der Ausbildung, in der Deutschland, das in vielen Teilen nur noch dritte und fünfzehnte Geige auf der Welt spielt, immer noch ganz vorne dabei ist. Vor allem ziehen wir den Hut vor dem, was das Berufsschulzentrum Stockach mit dem Karrieretag im digitalen Format hier aufgegleist hat, um zu informieren und zu begeistern für die Arbeitswelt für morgen für Praktiker und Theoretiker.

Liebe Jugend, liebe Arbeitgeber, liebe Eltern, nutzen Sie das Angebot, das hier erarbeitet worden ist zur Orientierung und dafür Perspektiven zu erarbeiten. Reden Sie miteinander darüber, denn mit guten Informationen und im Gespräch entstehen Perspektiven einfacher. Über verschiedene QR-Codes kommen Sie mit der Kamera-App auf Ihrem Handy ganz einfach auf die Darstellungen der Unternehmen … Und natürlich geht es auch, sich einfach auf unseren gedruckten Seiten zu informieren und mit den Unternehmen in Kontakt zu treten. Wir hatten den Ehrgeiz, das ambitionierte Format Stockacher Karrieretag auch in Coronazeiten in über 85.000 Haushalten zu präsentieren. Zukunftsangst kann sich auflösen, wenn man sich auf den Weg macht in eine Zukunft, die sich stimmig anfühlt, für die jungen Menschen selbst und für die Unternehmen, die Zukunft bauen. Dazu wollten wir mit der Beilage in diesem Wochenblatt einen Beitrag leisten.

Lassen Sie uns gegenseitig gewogen bleiben und über das sprechen, was Sie und uns bewegt. (seitedrei(at)wochenblatt.net)

Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Herausgeber
Oliver Fiedler, Chefredakteur

Autor:

Redaktion aus Singen

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